Inzwischen scheint das Handelsblatt zur Habeck-Post geworden zu sein, zum Generalanzeiger der grünen Wohlstands- und Wirtschaftszerstörer. Nun hat das Blatt vorab das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundeswirtschaftsministeriums erhalten und daraus veröffentlicht. Das Bundeswirtschaftsministerium dürfte sich von der Vorabberichterstattung versprechen, dass dadurch der Ton vorgegeben wird, wie man dieses „Gutachten“ zu verstehen und zu werten hat.
Und das Handelsblatt erfüllt seine Pflicht brav und macht gleich in den ersten beiden Sätzen auf epochal: „Die Schuldenbremse steht seit der Haushaltskrise mehr denn je in der Kritik. Die Fürsprecher einer Reform erhalten nun überraschende Unterstützung.“ Bemerkenswert ist und das sagt eigentlich alles, dass nicht die grundgesetzwidrige Haushalts- und Wirtschaftspolitik der Regierung, insofern ihr tragendes Element ebenjene grundgesetzwidrige Finanzpraxis ist, sondern die Schuldenbremse selbst in der Kritik steht. Im Gleichnis würde das bedeuten, nicht der Täter ist schuld, sondern das Recht, nicht der Dieb, sondern das Gesetz, das Diebstahl verbietet. Denn würde das Gesetz nicht existieren, wäre der Diebstahl legal. Der Begriff Diebstahl geht übrigens metaphorisch nicht in die Irre, denn es handelt sich um Diebstahl an den künftigen Generationen. Grüne Politik ist eben auf Nachhaltigkeit angelegt. Warum soll man nur einer Generation Schaden zufügen, wenn man auch folgende ins Unglück treiben kann?
Noch entlarvender ist aber der folgende Satz: „Die Fürsprecher einer Reform erhalten nun überraschende Unterstützung.“ Das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundeswirtschaftsministerium ist so „überraschend“ wie die Feststellung, dass Wasser ab null Grad zu gefrieren beginnt.
„Goldene Regel Plus“: Generalermächtigung zum unbegrenzten Schuldenmachen
Zum Gutachten. Es handelt sich nicht um eine Reform der Schuldenbremse, sondern um ihre Abschaffung. Eine Bremse, die nur bei jedem dritten Mal greift, oder die nur bei nasser, nicht aber bei trockener Fahrbahn benutzt werden darf, ist sinnlos. De facto läuft der Vorschlag darauf hinaus, dass Robert Habeck so viele Kredite aufnehmen darf, wie er will. Es geht dem „Wissenschaftlichen Beirat“ nicht einmal mehr auf, dass er die Situation extrem zuungunsten der Deutschen verschlechtert. Der Beirat kritisiert zu Recht, dass die Praxis der Schattenhaushalte darauf hinauslief, dass sich „die Bundesregierung … durch Sondervermögen schuldenfinanzierte Spielräume ermöglicht“ habe. Doch dann schlägt der Beirat vor, dass der Staat Schulden für Investitionen aufnehmen könne, die nicht unter die Schuldenbremse fallen. Habeck wäre also nicht einmal mehr an die Grenzen der Sondervermögen gebunden.
Diese Generalermächtigung zum unbegrenzten Schuldenmachen nennt der Wissenschaftlichen Beirat „Goldene Regel Plus“. Denn Nettoinvestitionen dürften beliebig durch Schulden finanziert werden. Habeck muss die Subventionen nur noch Investitionen nennen – und dann existiert keine Grenze mehr für die Schuldenaufnahme. Der Beirat sagt zwar wiederum zu Recht, dass „im politischen Prozess immer die Versuchung besteht, durch Verschuldung die Finanzierungslasten auf Dritte zu verlagern“. Aber dass die Aufnahme von Schulden für Subventionen, die man gern auch Investitionen nennen kann, nicht die „Finanzierungslasten auf Dritte“ verlagert, erschließt sich nur einem Beiratswissenschaftler.
Sind also beispielsweise die 10 Milliarden Euro für Intel oder die 10 Milliarden Euro für Namibia zur Wasserstoffproduktion, oder die 2,1 Milliarden Euro für Thyssen Krupp zur Produktion von grünem Wasserstoff oder die noch gar nicht eingeplanten 60 Milliarden Euro, die für den Bau von 40 Gaskraftwerken benötigt werden, nun Investitionen? Wie immer man das auch nennt, circa 82 Milliarden nur in diesem Beispiel an Subventionen oder Investitionen, die über Kredite finanziert werden, sind 82 Milliarden Schulden – Schulden, die wir und unsere Kinder abbezahlen müssen.
Zu behaupten, dass dies keine Schulden wären, weil die Investitionen sich eines schönen Habeck-Tages rechnen werden, da sie ja einst in der schönen fernen Habeck-Zukunft Gewinne erwirtschaften, ist das Reizen auf den Skat, ist reiner Hokuspokus, ist finanzpolitisches Simsalabim. Es lässt sich weder logisch noch ökonomisch, noch historisch widerlegen, dass Wirtschaften, die durch Subventionen und nicht durch den Unternehmergeist geschaffen und inspiriert sind, immer die Hilfe des Staates benötigen werden. Sie brechen zusammen, wenn die stützende Hand des Staates wegfällt. Das ist finanzpolitisches Hütchenspiel. Sind die Subventionen – die Habeckschen Dauer-Investitionen – weg, ist die Wirtschaft weg.
Beirat will „Investitionsgesellschaften“ schaffen, also Subventionsbehörden
Die Argumentation des Beirats bemüht ein Scheinargument, es vergötzt Investitionen und verketzert Konsum. Unter Konsum werden Sozialleistungen verstanden. Zur Ausweitung der Sozialleistungen darf nicht die Schuldenbremse außer Kraft gesetzt werden. Das ist aber nur der billigste der billigen Tricks, wenn der Beirat trompetet: „Allerdings beseitigt die Schuldenbremse nicht den Anreiz, staatliche Konsum- und Transferausgaben zulasten staatlicher Investitionen zu begünstigen.“ Deshalb muss sie aus Sicht des Beirats „reformiert“ werden. Wirklich? Wenn der Staat alles, was er irgendwie unter dem schwammigen und dann noch schwammiger werdenden Begriff Investition fassen kann, durch Schulden finanziert, bleibt mehr Geld im regulären Haushalt für den Konsum, für die Sozialausgaben. Auf diese Weise wird übrigens auch der Konsum mittelbar über Kredite finanziert.
Weil selbst der Beirat merkt, auf welch wackligen Beinen der Vorschlag steht, dass nicht einmal dem Beirat die „schwierige Abgrenzung zwischen Konsumausgaben und Investitionen“ verborgen bleibt und mithin die Gefahr groß ist, dass die Politiker diese „goldene Regel“, die übrigens nur für Midias golden ist, ausnutzen könnten, will er ein unabhängiges Expertengremium einsetzen. Und dann kommt der lustigste Vorschlag des Beirats, der auch von der heute show oder der Haushaltsexpertin der Grünen Jamila Schäfer hätte stammen können: „Das Votum des Expertengremiums könnte allein durch die Herstellung von Öffentlichkeit gegen Missbrauch vorbeugen.“ Voodoo für Regen, Voodoo gegen Hagel? Warum beruft man nicht gleich ARD oder ZDF oder die Redakteure des Handelsblattes in das Expertengremium? Der Beirat empfiehlt allen Ernstes die Ersetzung eines desaströsen Haushaltstricks durch einen anderen noch viel katastrophaleren Haushaltstrick. Das nennt man, den Teufel mit Beelzebub auszutreiben.
Wenn der Staat zum Investor wird, was eine allerhübscheste Umschreibung für Planwirtschaft ist, dann benötigt er eine längere Finanzplanung, was der Beirat auch fordert. Vielleicht bestand das Hauptproblem der DDR-Wirtschaft nur darin, dass der Staat in 5 und nicht in 10 Jahresplänen dachte? Und natürlich muss man auch die EU zu einer höheren Schuldenfreudigkeit für Investitionen ermuntern.
Die Schuldenbremse ist tot
Man kann davon ausgehen, dass die Schuldenbremse tot ist, dass der Beirat dem Schuldenphilosophen Habeck den Weg zur ungebremsten Schuldenaufnahme geöffnet hat, was ungefähr so ist, als ob man einem Spielsüchtigen alle Ersparnisse anvertraut. Habeck hatte es ja auch einmal unumwunden erklärt: Es ist ja nur Geld. Er hätte aber sagen müssen: Es ist ja nur euer Geld.
Die Schuldenbremse ist deshalb tot, weil die Unionsfraktion wohl letztlich mitmachen wird. Sie hatte es einmal gewagt, wirklich Opposition zu sein, als sie gegen den frechen Grundgesetzbruch der Regierung in Karlsruhe geklagt hat. Sie dürfte es inzwischen wohl so viele Stunden, wie seit dem 15. November vergangen sind, bitter bereut haben. Wenn jetzt wieder grundgesetzwidrig die außergewöhnliche Notsituation rückwirkend für 2023 bemüht wird, wird die Unionsfraktion auf eine Klage verzichten.
Wenn die Bundestagsfraktion der CDU/CSU nicht die euphemistisch genannte Reform der Schuldenbremse verhindert, auch mit der AfD gemeinsam, dann ist sie keine Opposition. Dann vergeht sie sich an den deutschen Bürgern, an den Familien, an der Zukunft der Kinder.
Übrigens, der Beirat konnte sich nicht eine kleine Spitze gegen Christian Lindner verkneifen: Im Haushalt für 2024 soll eine Lücke von 30 Milliarden Euro klaffen, Lindner sprach bisher nur von 17 Milliarden. Freilich kennt der Bundesfinanzminister nicht alle Wünsche des Bundesklimaministers, der Beirat schon. Darin besteht dessen Wissenschaft.