Die Grünen haben gelernt. Wenn auch nicht so, wie man sich das vielleicht wünschen würde. Die letzte Anhörung im Wirtschaftsausschuss endete mit einer blamablen Vorstellung von Robert Habeck und Patrick Graichen. Verzweifelt stellte sich der Minister vor den Staatssekretär. Spürbar war damals schon: Nicht Graichens, sondern Habecks Schicksal stand auf dem Spiel.
Das durfte sich nicht wiederholen. Mit Gängelungen und Schikanen drehte die Ampel eine Anhörung zu einer Politshow um. Sie legten den Ausschuss an die Kette: nur eine Minute Fragezeit, keine Nachfragen, gemeinsame Fragesammlung statt direkter Konfrontation. Journalisten haben in Pressekonferenzen größere Freiheiten als Bundestagsabgeordnete, die ihre Rolle als Korrektiv der Exekutive erfüllen sollen.
Nur am Anfang erhielt dieses Bild Risse. In der ersten Viertelstunde beschwerten sich die Oppositionsparteien über die kurzfristige Änderung der Geschäftsordnung. Durchsetzen konnten sie sich freilich nicht. Schließlich geht es an diesem Tag um mehr als das parlamentarische Fragerecht und Kontrollmechanismen der Demokratie. Es geht um Robert Habeck. Er muss an diesem Tag den Schaden der letzten Tage wettmachen. Udo Philipp darf nicht der zweite Graichen werden.
Der Ablauf spielt ihm in die Karten. Schon am Anfang wartet Habeck mit Allgemeinplätzen und schiefen Vergleichen auf, um die Vorwürfe zu entkräften. Ja, es gebe immer wieder Befangenheiten. Beispielsweise sei ja auch jemand, der mehrere Häuser besitze, bei einem Thema wie der Grundsteuer befangen. Genauso klug wäre es gewesen, dass jemand, der Steuern zahlt, bei Steuergesetzen befangen sein könnte.
Es sind diese Phrasen, die auch Habecks Antwortenschatz bestimmen. Wenn er denn antwortet. Wenn Abgeordnete jeweils nacheinander Fragen stellen, dann gehen sie unter. Gewollt oder ungewollt. Nicht immer passiert es wie etwa bei Beatrix von Storch, dass diese auf die Antworten pocht. Gedankenstränge, Argumentationen und Problembewusstsein gehen verloren. Man kann nichts anderes konstatieren, als das dies gewollt ist.
Stattdessen bietet das Format Habeck die Möglichkeit, sich zu profilieren. Die Fragebittsteller haben eine Minute Zeit, Habeck kann so lange antworten, wie er will – auch, wenn es nicht immer mit der Frage zu tun hat, und auch, wenn er nicht wirklich antwortet. Da gibt es etwa einen Moment, in dem er die Frage nicht verstehen will, und auch nicht nachvollziehen könne, wo ein Compliance-Verstoß vorliege. Plötzlich souverän! Dass der Fragesteller nicht nachhaken oder sich erklären kann, sieht das Drehbuch so vor.
Wie die CDU kann auch die AfD an diesem Tag daher nur wenige Treffer landen. „Es hat weder mit Transparenz noch mit Aufklärung zu tun, wenn den Abgeordneten direkte Nachfragen verwehrt bleiben. Dieses Vorgehen spricht Bände über den selbstherrlichen Umgang der Ampel mit elementaren parlamentarischen Rechten der Opposition“, erklärte der AfD-Vertreter Leif-Erik Holm nach der Sitzung. „Wenn Robert Habeck glaubt, die Affäre damit zu den Akten legen und zur Tagesordnung übergehen zu können, dann sollte er lieber ins Bundesministerium für Wünsch-Dir-Was wechseln.“ Ein Untersuchungsausschuss sei deswegen notwendig, so Holm.
Ebenso wie CDU/CSU und AfD ist auch die Linkspartei nicht nur über die Vorgehensweise empört, sondern versucht ebenfalls die Aufklärung voranzutreiben. Damit wirkt sie glaubwürdiger als die Liberalen. Die FDP bemühte sich, mit eigenen Fragen den Eindruck zu vermitteln, an der Aufklärung mitzuwirken. Den wichtigsten Beitrag zur Aufklärung hätte sie freilich dazu beitragen können, wenn sie nicht dafür gestimmt hätte, den Ausschuss zur braven Fragerunde zu degradieren.
Die Grünen reagierten erwartbar. Der stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Andreas Audretsch, verstieg sich sogar zu der Äußerung: „Wir haben heute eine Veranstaltung vollster Transparenz erlebt. Alle Fragen konnten gestellt werden und wurden auch beantwortet. Es konnten sogar zusätzliche Fragen gestellt werden. Es ist nichts übriggeblieben.“ Die Sitzung sei „beispielgebend“ für „Offenheit und Transparenz“ gewesen.
Dabei hat die Bundesregierung vor allem eine Frage beantwortet: nämlich, dass sie keinerlei Interesse an der Aufarbeitung von Filz, den Agora-Verstrickungen sowie der Vermischung von Privatangelegenheiten und Ministeriumsarbeit hat. Da mögen die Medien noch so sehr auf die grüne Linie einschwenken. Der Zuschauer erlebte einen Nicht-Ausschuss. Offenheit bestand nur in der Verachtung der politischen Minderheit durch die politische Mehrheit.
Verfassungstechnisch ist die Regierung dem Parlament Rechenschaft schuldig. An diesem Tag merkt man wenig davon. Die Ampel macht klar, dass es vor allem um ihre Macht geht. Kritik unerwünscht? Schön wär’s. In dieser Regierung sind nicht einmal Fragen erwünscht. Als Habeck den Ausschuss verlässt, setzt er diese Politik fort. Er weicht der Pressemeute aus. Der Weg führt direkt zum Aufzug. Nach unten.