Tichys Einblick
Klimaneutralität als neuer Klimakolonialismus

Habecks grüne Wasserstoff-Träume in Namibia

Um ihre All-Electric-Phantasien zu verwirklichen, schrecken die Grünen vor der Zerstörung der Lebensräume von Mensch, Tier und Pflanze nicht zurück. Windkraft- und Photovoltaikanlagen in einem Nationalpark in Namibia zu errichten, um Strom für die Wasserstoff-Produktion zu erzeugen – was ist das anderes als grüner Imperialismus?

IMAGO / Christian Spicker

In Namibia konnte man Robert Habeck beim Träumen zusehen, einen Einblick in die Wunschwelt erlangen, in der Robert Habeck lebt und nach deren Phantasiebildern er Deutschland zu verändern, zu transformieren trachtet. Habecks Vision für Deutschlands klimaneutrale Gesellschaft sieht so aus: Gaskraftwerke sollen das Back-up für die Windräder und Photovoltaikanlagen, mit denen er das Land zupflastert, bilden, für die Zeit, in der die Sonne nicht scheint und der Wind nicht in brauchbarer Weise weht.

Doch statt Erdgas soll Wasserstoff verstromt werden. Da die Produktion von Wasserstoff sehr energieintensiv ist, will man dafür Strom verwenden, der durch die sogenannten erneuerbaren Energien produziert wurde. Weil man Strom nicht im erforderlichen Maße und ewig speichern kann, ist der Wasserstoff im Grunde das Speichermedium, allerdings mit schlechter Effizienz hergestellt, denn es gilt ein Verhältnis von 4:1. Das heißt: Um eine Kilowattstunde durch die Verstromung von Wasserstoff zu gewinnen, muss man 4 Kilowattstunden Energie zuvor zur Herstellung von Wasserstoff einsetzen.

Zeit zum Lesen
„Tichys Einblick“ – so kommt das gedruckte Magazin zu Ihnen
Der produzierte Wasserstoff wird, nachdem er mittels Strom durch Elektrolyse entstanden ist, wieder verstromt. Weil in Namibia, was Robert Habeck zu wahren Freudentänzen animiert, an 300 Tagen die Sonne scheint und an bestimmten Standorten der Wind recht brauchbar weht, könnte man dort den grünen Wasserstoff produzieren, ihn zum Transport in Ammoniak, einem Wasserstoffderivat, verwandeln und mit großen Tankern nach Deutschland transportieren, was den grünen Wasserstoff nicht billiger macht und, da der Tanker kein Segelschiff ist, der Transport vom Süden Afrikas ins ferne Deutschland die CO2-Bilanz merklich verschlechtert. Was an CO2 bei der Verstromung des grünen Wasserstoffs nicht freigesetzt wird, spendiert die Tankerflotte.

Ob der Wasserstoff, deren Herstellung vom Steuerzahler und vom Energiekunden in Deutschland subventioniert werden muss – wohl in noch höherem Maße als bisher die erneuerbaren Energien schon subventioniert worden sind –, konkurrenzfähig wird und die Subventionen wirtschaftlich überhaupt darstellbar sind, darf bezweifelt werden. Wie praktisch, dass mit der Abschaffung der EEG-Umlage dem Bürger die Möglichkeit genommen wurde, den Anstieg der Subventionen mitzuverfolgen, denn nun können aus dem allgemeinen Steueraufkommen nach Herzenslust und ohne Kontrolle die Erneuerbaren-Energien-Millionäre noch reicher gemacht werden.

RWE hat bereits im März angekündigt, einen Terminal für Ammoniak in Brunsbüttel zu bauen; drei wasserstofffähige Gaskraftwerke würde RWE ebenfalls errichten, wenn die Rahmenbedingungen stimmen, heißt, wenn der Steuerzahler genügend subventioniert und garantiert. Auch Uniper schreckte bisher vor dem Bau von wasserstofffähigen Gaskraftwerken aus gleichen Gründen zurück, doch wenn Uniper nächste Woche zum Staatsbetrieb wird, kann sich ja alles ändern. Dann dürfte die Frage der Wirtschaftlichkeit nicht mehr an erster Stelle stehen. Wie schrieb doch Habecks Lehrerin Mariana Mazzucato: „Um das Problem des Klimawandels zu lösen, bedarf es eines Wandels über die gesamte Wirtschaft hinweg. Öffentlich, private wie auch Akteure der Zivilgesellschaft müssen ihr Denken ändern …“

Es geht darum: „den Zugang zu staatlichen Subventionen … davon abhängig (zu) machen, dass Unternehmen bestimmte soziale und ökologische Ziele erfüllen …“ Die „sozialen und ökologischen Ziele“ definiert selbstredend der allwissende Staat, der „quer durch die Gesellschaft für katalytische Reaktionen“ sorgen soll, „indem er einen Beitrag dazu leistet, den Wandel auf die gesellschaftlichen Herausforderungen auszurichten, indem er Unternehmen belohnt, die den Willen zur Mitarbeit in diese Richtung an den Tag legen, und indem er die hochriskanten Anfangsinvestitionen aufbringt, welche die Realwirtschaft in der Regel scheut.“

Namibias Realität und die deutsche Wirklichkeit

Doch so schön, wie Robert Habeck sich die Welt malt, ist sie nicht. Sie ist in Wahrheit zum Teil sehr hässlich. Die Elektrifizierungsrate Namibias liegt bei 38 Prozent. Das Land ist nicht einmal annähernd in der Lage, seinen Strombedarf zu decken. Steht also die Frage, ob Namibia den Strom zur Produktion von grünem Wasserstoff für Deutschland oder für die Versorgung des eigenen Landes nutzen soll. Die komplette Infrastruktur, inklusive Tiefseehafen, wird errichtet werden müssen – und zwar finanziert von deutschen Steuergeldern. Wer garantiert, dass der mit deutschen Steuergeldern errichtete Tiefseehafen nicht eines Tages von chinesischen Schiffen, die Erdgas und Erdöl von Namibia nach China transportieren, oder vom kanadischen Unternehmen Namibia Rare Earths, das seltene Erden abbaut, genutzt wird?

Gängelmann und Deindustrialisierer
Soll Afrika am Habeckschen Wesen genesen?
„Grün“ wäre der Wasserstoff, der in Namibia produziert werden würde, ohnehin nicht, denn das Projekt namens „Hypophen“ sieht vor, einen Windpark und zwei Photovoltaik-Felder im Nationalpark Tsau Khaeb zu errichten. So sollen auf einem Streifen von 100 km Länge und 80 km Breite 600 Windturbinen und zwei Photovoltaikfelder errichtet werden, man könnte die Fläche auch als Todeszone für Tiere und Pflanzen bezeichnen. Um deutsche Wasserstoff-Träume, um deutsche All-Electric-Phantasien zu verwirklichen, schrecken die Grünen vor der Zerstörung und im wahrsten Sinne Verwüstung von Lebensräumen von Menschen, Tieren und Pflanzen nicht zurück. Anlagen dieser Art in einem Nationalpark zu errichten, was ist das anderes als grüner Imperialismus?

Chris Brown, Chef der Namibian Chamber of Environment, warnt vor den ökologischen Folgen für den Nationalpark Tsau Khaeb: „Wir finden es auch ironisch, dass Deutschland aufgrund seiner unglücklichen Energiepolitik, dem Ausstieg aus der Kernenergie, der Entwicklung einer übermäßigen Abhängigkeit von Russland und der schleppenden Dekarbonisierung seiner Energiesysteme bereit ist, Namibia für die Zerstörung global wichtiger Ökosysteme und der biologischen Vielfalt zu bezahlen, anstatt die Probleme zu Hause und in der EU anzugehen.“ Das Gebiet würde auf 2 Prozent der Landesfläche 20 Prozent der Pflanzenarten Namibias beherbergen, einige kämen nur dort vor. Für die Vogelwelt würde die Entscheidung, die Anlage im Nationalpark zu errichten, eine Katastrophe bedeuten.

Brown weist darauf hin, dass die Entscheidung für das Gebiet im Nationalpark Tsau Khaeb nicht transparent getroffen sei. „Wenn die Wasserstoffproduktion in diesem Nationalpark stattfindet, mag sie zwar kohlenstoffneutral sein, aber sie kann nicht als ,grün‘ bezeichnet werden“, urteilt Brown. Doch wenn man sieht, wie hemmungslos die Grünen in Deutschland gegen den Artenschutz vorgehen, wird deutlich, dass die Grünen eben nicht grün sind, dass Natur- und Tier- und Artenschutz für sie keine Rolle spielen. Wenn es um grünes Geld und um grüne Macht und um grüne Träume geht, wird auch der größte Raubbau an der Natur gerechtfertigt.

Patrick Schneider von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Namibia schreibt mit Blick auf Habecks Projekt im IPG-Journal: „Eine Vielzahl von Korruptionsskandalen und Unregelmäßigkeiten im Zusammenspiel von staatlichen Behörden und multinationalen Unternehmen, insbesondere im Rohstoffsektor, hat in jüngster Vergangenheit dazu beigetragen, dass das Vertrauen in politische Versprechen des sozio-ökonomischen Nutzens derartiger Projekte für die breite Bevölkerung abgenommen hat.“ McHenry Venaani, der Chef der größten Oppositionspartei des Landes, der Popular Democratic Movement (PDM), fragt: „Wie ist es möglich, dass eine sechs Monate alte Firma ohne jegliche Erfolgsbilanz den größten Regierungsauftrag in der Geschichte unseres Landes erhält?“

Mit der Firma ist Hyphen Hydrogen Energy (Pty) Ltd gemeint, einem Joint Venture zwischen Nicholas Holdings Limited und Enertrag South Africa (Pty) Ltd, das eigens für die Entwicklung von grünen Wasserstoffprojekten in Namibia gegründet wurde. Die Enertrag South Africa (Pty) Ltd ist wiederum eine Tochter der deutschen ENERTRAG SE, die im brandenburgischen Schenkenberg-Dauerthal sitzt.

Grüner Imperialismus zu Hause und in der Welt

Robert Habeck hat sich bemüht, den Eindruck zu verwischen, dass es bei dem Namibia-Projekt um grünen Imperialismus ginge. Man muss ihm dafür dankbar sein, dass er die Leitlinie grüner Politik mit diesem Begriff charakterisierte, denn genau das ist es, was die Grünen betreiben: grünen Imperialismus, und zwar in doppelter Weise.

Tichys Einblick in die Welt der Zahlen
Nachgerechnet: Ist Wasserstoff der Joker der Energiewende?
Zum einen in Deutschland als grünen Binnenimperialismus, mit dem die große Umverteilung und Verstaatlichung über die Energiepolitik gesteuert wird. Die Umverteilung erfolgt über die Energiepreise, die Verstaatlichung geschieht Unternehmen für Unternehmen. Begonnen wird es mit der Verstaatlichung von Uniper und von Gazprom Deutschland und mit der Treuhandstellung von Rosneft Deutschland, fortgesetzt werden soll sie über die Verstaatlichung der Gasnetze, wie aus dem Entwurf der „Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie“ (NWS) hervorgeht, in dem es laut WELT heißt: „Um einen koordinierten und systemdienlichen Aufbau eines Wasserstoffnetzes sowie dessen Finanzierbarkeit darzustellen, soll eine Wasserstoffnetzgesellschaft mit staatlicher Beteiligung gegründet werden.“ Übrigens das Konzept soll „der Branche zeitnah vorgestellt“, also diktiert werden.

Zum anderen wird grüner Imperialismus am Ende in Namibia doch darauf hinauslaufen, dass Raubbau an der Natur, Frevel am Artenschutz in brutalem Maße getätigt wird, dass mittels grünem Wasserstoff die Energie nach Deutschland exportiert wird und die deutschen Bürger, die die wahrscheinlich teuerste Energie der Welt bezahlen dürfen, noch via Steuer einige Entwicklungsprogramme in Namibia als Feigenblatt finanzieren müssen, die am Ende die herrschende Elite in Namibia noch reicher machen wird.

Grüner Imperialismus als grünes Geschäft zu Lasten Dritter, die lastentragenden Dritten sind dann die deutschen und die namibischen Bürger und die Natur von Namibia, übrigens auch die verspargelte Natur Deutschlands. Die Photovoltaikflächen werden zur Erhitzung und wie die Windanlagen auch zur Austrocknung und zu Trockenheit führen.

Das Wasser für den grünen Wasserstoff will man dem Meer entnehmen, das übrigens aufwendig entsalzt werden muss. Niemand spricht über die Folgen für die Küstenflora und -fauna, wenn an der Küste große Mengen Wasser in kürzester Zeit abgepumpt werden. Die Umweltschäden, die dort entstehen, will man bewusst unter der Wasseroberfläche halten. Würde man wirklich alle Umweltschäden untersuchen, die die Produktion sogenannter erneuerbarer Energien verursacht, und sie mit der Kohleverstromung oder mit der Nutzung der Kernkraft vergleichen, könnte es sogar sein, dass die erneuerbaren Energien inzwischen umweltschädlicher und „dreckiger“ als die herkömmlichen Energien sind, ineffizienter sind sie auf jeden Fall.

Habeck träumt sich aus der Wirklichkeit

Schaut man sich das Interview an, das Marietta Slomka im heute journal mit Robert Habeck am 7. Dezember führte, wird man einen Wirtschaftsminister sehen, der sich wie Alice im Wunderland bewegt, der in Visionen schwelgt und von den neuen grünen Energien und den deutschen Möglichkeiten in Namibia schwärmt wie ein Backfisch von einem Teenie-Schwarm. Slomkas konkrete Fragen stören mit ihrem Realitätsgehalt den großen Visionär sichtlich beim Träumen. Darüber, wie die deutschen Firmen und Bürger mit den explodierenden Energiepreisen zurechtkommen sollen, macht sich der Energieminister, der das gelobte Land der Wasserstoffherstellung geschaut hat, keine Gedanken; schließlich gehen die Preise auch wieder runter – irgendwann nach dem Winter 2024, denn im Jahr 2025 ist Wahljahr.

Habeck wäre gefordert
Deutschlands Rohstoff-Risiken und was eigentlich dagegen zu tun wäre
Klimaneutralität kann man schließlich auch durch Industrieneutralität erreichen. Als selbst einer Marietta Slomka der Kragen platzt und sie dem Vizekanzler vorwirft, dass er über vier, fünf Jahre spricht, aber wir doch jetzt heizen und Strom erzeugen müssten, schiebt Habeck das hässliche Resultat seiner Politik weg und sonnt sich in der großen Vision, erinnert daran, dass Namibia erst drei Windräder habe, und begeistert sich sogleich, dass sie jetzt vorhaben, in vier Jahren einen Riesenwindpark zu bauen. Dem Privatmann Habeck würde man die kindliche Begeisterung über die schier unvorstellbaren Pläne in Namibia gönnen, nur wird er von den Bürgern nicht als Privatmann, auch nicht als Kinderbuchverleger, sondern als deutscher Energieminister bezahlt.

Was kümmern ihn die deutschen Energiepreise, was kümmert ihn das deutsche Volk, der Souverän, die Frauen, die Kinder, die Männer, die Familien in Deutschland, die deutschen Mittelständler, wenn Namibia einen Plan hat, der „super“ ist, wenn Afrika mit einem Anteil von 1 Prozent erneuerbaren Energien sich endlich aufmacht, um vom Nil über den Kilimandscharo bis zum Tafelberg um die Wette Windräder und Photovoltaikanlagen aufzustellen? Warum sollen ihn seine deutschen Wähler mehr kümmern, als sie Annalena Baerbock interessieren? Warum sollen ihn die Menschen in Namibia kümmern? Warum die Folgen seiner Politik in Afrika, wo an 300 Tagen die Sonne scheint, und oft genug auch brennt, wenn man nicht im klimatisierten Regierungsfahrzeug unterwegs ist?


 

Die mobile Version verlassen