Der Bundeswirtschaftsminister hat der Wirtschaftswoche ein Interview gegeben. Wenn Robert Habeck spricht, klingt alles irgendwie richtig, es hat nur mit der richtigen Welt nichts zu tun. Erschreckend ist das Maß des Realitätsverlusts, der unzerstörbare Glauben an die eigenen Projektionen. Robert Habeck schaut, wenn er in die Welt zu blicken vermeint, nicht in die Welt, sondern in einen Spiegel, vielleicht wie die Königin in Grimms Märchen von Schneewittchen. Wobei Schneewittchen in diesem Fall der Wirtschaftsstandort Deutschland ist.
Der Mann, der Vaterlandsliebe „zum Kotzen“ fand, hat wieder einmal ein Wörtchen erfunden, mit dem er das deutsche Publikum zu umgarnen meint: Veränderungspatriotismus. War schon die mühselige Konstruktion des Verfassungspatriotismus eine Kopfgeburt, anämisch und lebensfähig wie Wagners Homunkulus im Faust, so ist der Veränderungspatriotismus eher eine Steißgeburt, die davon kommt, wenn man zu lange mit den falschen Leuten zusammensitzt. Die Wirtschaftswoche leitet das Interview mit der konkreten und für eine Wirtschaftszeitung sehr naheliegenden Frage ein: „Herr Habeck, würden Sie gerne zum Mond fliegen?“.
Es geht also um den allmächtigen Staat, der im Falle der Mondlandung „alle Anstrengungen integrierte, was ihnen eine Richtung gab“. Das war „die gemeinsame, vom Staat definierte, dirigierte und von zahlreichen Beteiligten umgesetzte Mission. Was wir heute brauchen ist ein ‚missionsorientierter‘ Ansatz …“ Habeck spricht im Interview nicht weniger visionshohl Mazzucato nach: „Wir können noch nach den Sternen greifen. Fortschritt und der Glaube daran, dass sich eine Gesellschaft zum Besseren entwickeln kann, dass man sich persönlich und sozial verändern kann, sind Kernversprechen der Moderne.“
Hier irrt Habeck und spricht die Sprache aller Utopisten von Marx bis Stalin, von Lenin bis Maduro. Es geht nicht um den Glauben, sondern um das Wissen, das der Glauben nicht ersetzt – und der Fortschritt ist keine abstrakte Größe, sondern konkret zu messen an Wirtschaftsdaten, an Investitionen beispielsweise, die alle durch die Habeck-Economics nur die Richtung nach unten kennen. Wenn das Geld fremder Leute durch den Staat verbraucht ist, werden die Länder arm. Warum Leute wie Mazzucato und Habeck so besessen davon sind, umzuverteilen, liegt an ihrer Unfähigkeit, selbst etwas zu schaffen. Sie können nur wegnehmen.
Um nicht auf das Buch hinzuweisen, dessen Gedanken er plagiiert, um nicht einzugestehen, dass er nur fremde Gedanken wiederkäut, beruft sich Habeck auf seine Begegnung mit dem deutschen Astronauten Alexander Gerst, den er gefragt haben will, was „er auf dem Mond entdecken möchte“. Und der dann geantwortet haben soll: „Das weiß ich nicht, ich war da ja noch nicht, deswegen muss ich dahin. Das ist Pioniergeist. Offenheit und Neugierde.“ Mazzucatos Alexander Gerst heißt John F. Kennedy, der mit Blick auf die Mondmission „klargestellt“ hat, „dass niemand mit Sicherheit sagen könne, was die Amerikaner für ihr Geld bekommen würden“; er sprach von einem „Akt des Glaubens und der Vision, weil wir nicht wissen, welcher Nutzen daraus entsteht“. Doch Habeck, der Musterschüler, will besser als seine Meisterin sein, die sich schon von ihm distanziert hat, weil sie um ihren Ruf fürchtet, was Habeck auf der Grundlage ihrer Thesen in der deutschen Wirtschaft anrichtet.
Habeck braucht das Pathos, um sich über die triste Realität zu erheben. Er träumt von Kreislaufwirtschaften, die eine Welt ohne Abfall ermöglichen, weil alles wieder verwandt werden kann. Doch die simple Wahrheit, dass zunächst erstmal etwas produziert werden muss, bevor es recycelt werden kann, kennt er nicht. Habeck behauptet, dass „die deutsche Tech-Szene, der Maschinenbau, die Pharmaindustrie … bärenstark“ seien, doch auf die Frage, wo er die Dynamik auf seiner Reise durch die Republik gespürt habe, kommt er nicht auf den Maschinenbau oder die Pharmaindustrie. Nein, in Magdeburg habe er das Start-up Solar Materials entdeckt, „das Solarpaneele auseinanderbaut. Das Recycling funktioniert bisher so, dass Paneele in der Regel geschreddert und danach die Bestandteile herausgeholt werden. Diese Gründer aber bauen die Paneele auseinander, um alle werthaltigen Teile, etwa Silber, Silizium und hochwertiges Glas zurückzuholen.“ Schön, dass wenigstens die Verschrottung funktioniert.
Schuld daran, dass die ‚Habeckonomics‘ nicht zu einem gigantischen Aufstieg führen, sind natürlich Angela Merkel und Wladimir Putin. Die erste, weil sie versuchte, die irrsinnige Energiewende noch irgendwie ökonomisch beherrschbar zu halten. Merkel als Kanzlerin war keine Visionärin, bei ihr kämpfte Nüchternheit mit Machterhalt, dem sie letztlich alles opferte. Sie bewegte sich konsequent in die Richtung, wo sie die Akzeptanz der Medien vermutete. Im Grunde ist Robert Habeck wie Angela Merkel, nur ohne Nüchternheit. Die wirft er ihr jedenfalls vor, dass ihr der „Moonshot-Spirit“ fehlte, dass sie zu wenig träumte – obwohl sie die Träume für ihre Macht kalt benutzte.
Angela Merkel und Wladimir Putin sollen schuld sein, wo doch Robert Habeck den Niedergang der deutschen Wirtschaft zu verantworten hat. Um die Spuren zu verwischen, um doch noch in Habecks Disneyland erneuerbarer Energien zu kommen, in das Land des elektrischen Reiters, will Habeck noch mehr Subventionen, noch mehr Sondervermögen. Er lässt sich von der Wirtschaftswoche so fragen, dass er die Schuldenregel des Grundgesetzes verteidigen kann, doch worauf er verweist sind nur noch Potjomkinsche Dörfer. Diese Bundesregierung hat in der Art von Winkeladvokaten die Schuldenregel dreist ausgehöhlt, wie sie auch das Grundgesetz aushöhlt.
Habeck spricht von „den Menschen“, Bürger kennt er nicht, nur irgendwie ermüdete, semikluge Staatsobjekte. Wie ein EKD-Prediger will er die „Sehnsucht nach Vertrauen“ beantworten. Wo „die Menschen“, die er sich nur irgendwie unmündig und infantil vorzustellen vermag, zweifeln, will er den vielen Dummerchen im Volk erklären, dass das, was er tut, „am Ende der Sicherheit und der Stabilität des Landes dient“ und dass es um „Mut, Risikobereitschaft und Aufbruch“ geht. Von Klugheit, Kompetenz und Können spricht er natürlich nicht, sondern nur von der Risikobereitschaft, bei Rot über die Ampel aufzubrechen, damit am Ende alle ein grünes Wunder erleben.
Und so bleibt am Ende nur, die Realität durch Ideologie zu ersetzen, und was früher der Klassenstandpunkt war, ist nun Robert Habecks Zuversicht. Muss es einem nicht angst und bange, muss es uns nicht angst und bange werden, dass die deutsche Wirtschaftspolitik einem Mann in die Hände gelegt wurde, dem es „egal ist, wie es ausgeht“? Denn so schließt er das Interview: „Aber mein Verständnis von Zuversicht drückt sich am besten in einem Satz von Vaclav Havel aus, dem Schriftsteller und ehemaligen Präsidenten Tschechiens: Hoffnung ist nicht die Gewissheit, dass etwas gut ausgeht, sondern dass es Sinn hat, egal wie es ausgeht.“
Kann dem großen Philosophen jemand einmal die simple Tatsache erklären, dass der Sinn an das Resultat gebunden ist, denn woher soll sonst Sinn entstehen? Aus ideologischen Träumen? Aus den Phantomen des Kiffens? Sinn entsteht erst, wenn es nicht egal ist, wie es ausgeht. Platon erzählt im Theaitetos: „Wie auch den Thales, o Theodoros, als er, um die Sterne zu beschauen, den Blick nach oben gerichtet in den Brunnen fiel, eine artige und witzige thrakische Magd soll verspottet haben, dass er, was am Himmel wäre, wohl strebte zu erfahren, was aber vor ihm läge und zu seinen Füßen, ihm unbekannt bliebe …“
Allerdings verstand Thales wirklich etwas von dem, was am Himmel war, vom Mond und von den Gestirnen, was man von Robert Habeck nicht behaupten kann. Schließlich ist es ihm egal, wie es ausgeht, auch wenn andere dabei in den Brunnen fallen. Dumm nur, wenn man zuvor auch nicht in den Himmel und zum Mond, sondern nur in den Spiegel geschaut hat.