Tichys Einblick
Der Fast-Kanzler in Davos

Robert Habeck in Davos: der Utopist des Undenkbaren

Robert Habeck fordert in Davos, den Märkten die Regeln vorzugeben, damit sie sich so entwickeln, wie er es will. Er zeigt sich als Visionär, dessen Ideen zwar nicht funktionieren können, es aber müssen. Die eigentliche Frage lautet: Wie lange kann das Scheitern verheimlicht werden? Und: Wer bezahlt am Ende?

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck beim World Economic Forum (WEF) in Davos, 23. Mai 2022

IMAGO / Xinhua

Gestern hat Robert Habeck in Davos verkündet: „Wir sind mit den Erneuerbaren schneller vorangekommen, als irgendjemand gedacht hätte.“ Er hat nur vergessen zu erwähnen, wobei – und zwar bei den deutschen Energiepreisen. Denn, so Habeck in Davos, man müsse das Undenkbare denken. Was immer auch der Ex-Roman-Autor und Wirtschaftsminister können mag, präzis mit Sprache umzugehen, ist ihm jedenfalls nicht gegeben, denn das Undenkbare lässt sich nicht denken, denn sonst wäre es nicht undenkbar, sondern schlicht denkbar. Das Denkbare denken ist eine Tautologie, eine leere Äußerung.

Natürlich ist das eine von Habecks Second-Hand-Formulierungen, in die er selbst so sehr verliebt ist, eine Phrase als Paraphrase auf den nicht weniger wirren Satz Che Guevaras: „Seien wir realistisch, versuchen wir das Unmögliche.“ Denn das Undenkbare denken ist der Realismus desjenigen, der das Unmögliche versucht. Die Fragen lauten nur: Wie lange kann das Scheitern verheimlicht werden? Und: Wer bezahlt Camouflage und Scheitern am Ende?

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Doch was kümmert das Visionäre wie Che Guevara oder Robert Habeck, ihnen geht es um die großen Gefühle, denn „ein wahrer Revolutionär wird von großen Gefühlen der Liebe geleitet“. Wenn die Wirklichkeit nicht zur Idee passt, Pech für die Wirklichkeit, wenn die Menschen sich der großen Weltbeglückung widersetzen, umso schlimmer für die Menschen, dann müssen sie eben umerzogen werden. Denn schließlich gibt es „kein Leben außerhalb der Revolution“, existiert für Robert Habeck nur ein Ziel, die Verwirklichung der klimaneutralen Gesellschaft, die zeitgemäße Adaption dessen, was einst Kommunismus genannt wurde. Freilich mit dem Unterschied, dass Habeck keinen Zweifel daran lässt, wer gleicher als die anderen ist: die Finanzindustrie nämlich, die Digitalindustrie nämlich, die Energieindustrie, die allesamt neue, märchenhafte Profite am Horizont entdecken, vor allem die ungehemmte Möglichkeit, auf Steuermittel zugreifen zu dürfen. Sie wissen, dass Habecks Utopien zwar nicht funktionieren werden, aber funktionieren müssen.

Die wachsende Kluft zwischen Sein und Schein wird mit immer mehr Subventionen und mit immer weiteren Preiserhöhungen verdeckt werden. Dafür ebnet die Ampel in diesen Tagen die Wege durch die Novellierung des EEGs und des Energieschutzgesetzes von 1975.

Es klingt für den Verbraucher zunächst einmal sehr gut, dass zum 1. Juli die EEG-Umlage gestrichen wird, doch für den Steuerzahler schlecht, denn Habecks Windenergie ist nicht marktfähig und benötigt Subventionen. Und damit die steigenden Subventionen, die benötigt werden, dem Bürger nicht mehr auffallen, werden sie einfach in die Staatsausgaben verschoben – zahlen wird er, ob als Verbraucher oder als Steuerbürger, am Ende sowieso.

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Der Wegfall der EEG-Umlage ist also keine Entlastung der Bürger, sondern deren Täuschung, die Verheimlichung des Subventionsanstiegs. Deshalb lobt Filip Thon, Deutschland-Chef von Eon, diesen Schritt auch über den grünen Klee: „Die zum 1. Juli geplante Streichung der EEG-Umlage, die Stromkunden derzeit noch zahlen, ist sicherlich ein guter Schritt.“ Denn genau diese Streichung wird für den Bürger am Ende teuer, weil die ausfallenden Beiträge der EEG-Umlagen nun der Staat übernimmt. Thon ist ehrlich, denn er bindet seinen Jubel ab mit der Bemerkung: „Wir müssen schauen, ob das reicht.“ Und wenn es nicht reicht, zahlt eben der Staat, zahlt der Bürger noch mehr. Kein Wunder, dass Finanzminister Christian Lindner trotz Rekordsteuereinnahmen, bedingt auch durch die Inflation und die steigenden Energiekosten, die Mittelschicht nicht entlasten will – und das Ganze dann auch noch durch eine Art finanzpolitisches Hütchenspiel camoufliert.

Die Novellierung des Energieschutzgesetzes gestattet im Abschnitt 1, Paragraph 24 allen „Energieversorgungsunternehmen entlang der Lieferkette“, „ihre Gaspreise gegenüber ihren Kunden auf ein angemessenes Niveau anzupassen“. Vom Schutz der Bürger bleibt nichts mehr übrig. Kein Wunder, dass die Energiekonzerne Habeck in Davos zujubeln, Profite und Subventionen sind gesichert, der deutsche Bürger ist der Dumme, der jetzt schon die höchsten Energiepreise in Europa zahlt und weiter zahlen darf und zahlen muss, denn nicht er bestimmt das „angemessene Niveau“ der Preise.

Für die Energiekonzerne ist Habecks Weltanschauungslyrik lediglich eine Marotte, an der sich der deutsche Wirtschaftsminister, wenn er es denn braucht, ergötzen darf, solange die Regelung der Märkte nach ihren Wünschen erfolgt.

Habeck forderte in Davos eine „neue Form der Führungsstärke“ ein. Wenn die Zeiten sich ändern, findet Habeck, müssen auch die Regeln geändert werden. Was logisch klingt, ist ein Zirkelschluss, denn dass sich die Zeiten ändern, ist keine Tatsache, sondern eine Behauptung von Robert Habeck. Mehr Kreativität, mehr Flexibilität sei vonnöten, um die Regeln der Märkte, um die Geschichte zu ändern, um das Unmögliche zu denken.

Der Dichter Georg Heym schrieb 1911 in sein Tagebuch: „Ich ersticke noch in meinem brachliegenden Enthusiasmus in dieser banalen Zeit. Ich sehe mich in meinen wachen Phantasien immer als ein Danton oder einen Mann auf der Barrikade, ohne meine Jakobinermütze kann ich mich eigentlich gar nicht denken.“ Robert Habeck sagte in Davos, dass sich die Grundregeln der Märkte ändern müssen, dass neue Führungsstärke bedeuten würde, den Märkten die Regeln vorzugeben, denn dann werden sich die Märkte so entwickeln, wie es Robert Habeck will, denn wir stehen vor einer von „der Politik gewünschten Wende“. Im Grunde ist das nichts anderes als Polanyis Große Transformation oder Schwabs Great Reset.

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Hardeep Singh Puri, der indische Öl- und Gasminister, gab Habeck zu bedenken, dass diese Große Transformation viele Verwerfungen mit sich bringen, doch am Ende gelingen werde. Schließlich habe Indien viel Sonne, die man für Photovoltaik nutzen könne. Er lud Habeck ein, Indien zu besuchen. Die Reisekosten berappt der deutsche Steuerzahler mit 10 Milliarden Euro, zehn Milliarden Euro für Indien, das gerade die Einfuhrmengen russischen Erdöls und Erdgas erhöht. Wie sagte Habeck auf dem Panel sehr entschieden: „Wir wollen nicht nur von russischen fossilen Brennstoffen unabhängig werden, sondern von fossilen Brennstoffen insgesamt.“

Schließlich fügte Habeck hinzu: „Was früher Jahrzehnte gedauert hat, machen wir jetzt in ein paar Monaten.“ Für einen, der das Unmögliche denkt, stellt es natürlich kein Problem dar, gleichzeitig aus Kernenergie, aus Erdöl, Erdgas und Kohle auszusteigen. Man muss es nur richtig wollen und Che Guevaras Baskenmütze aufsetzen, dann klappt es auch mit der klimaneutralen Gesellschaft.

Die Deutschen leiden unter einer Inflation von fast 8 Prozent, Tendenz steigend. Doch trotz rasant steigender Lebensmittel- und Energiepreise findet Marcel Fratzscher vom regierungsnahen Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW): „Wir geben wahrscheinlich zu wenig für Lebensmittel aus, weil das zu Lasten von Umwelt, Natur, auch von Tierwohl geht. Und ich glaube, da muss man den Menschen einfach ganz offen und ehrlich sagen: Lebensmittel sind in vielen Bereichen im Augenblick zu billig …“ Zu billig übrigens wie die Benzinpreise, denn mit Blick aufs Klima ist auch das Autofahren für Fratzscher noch zu günstig.

Warum spricht der Ökonom nicht das an, was wirklich viel zu hoch ist: die Staatsquote, die Steuer- und Sozialausgaben? Trotz Rekordeinnahmen sieht der Haushalt die zweithöchste Neuverschuldung in der Geschichte der Bundesrepublik vor. Im Haushaltsentwurf wird eine Nettokreditaufnahme von 138,94 Milliarden Euro angepeilt. Lindner will laut Entwurf 495,8 Milliarden Euro ausgeben. Die 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr, die als Sondervermögen deklariert sind, sind in Schuldenaufnahme und Ausgaben noch nicht enthalten. Auch ist in dieser Summe nicht die enorme Verschuldung der EU berücksichtigt, für die allen voran Deutschland mithaftet.

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Der Stabilitätspakt ist so gut wie tot und die Europäische Kommission will die im März 2020 ausgesetzten EU-Haushaltsregeln erstmal bis Ende 2023 außer Kraft lassen. Es dürfte niemand wundern, dass durch die Finanzierung Italiens, um Salvini als Regierungschef zu verhindern, durch den Green Deal, also der Großen Transformation, die Coronabonds und dem Krieg in der Ukraine auch 2024 die EU-Haushaltsregeln nicht wieder, wenn sie überhaupt jemals in Kraft treten. Man wird sich neue „Haushaltsregeln“ schneidern, die dann der Not, die von der EU produziert wird, angemessen zu sein scheinen. Die EU bekämpft sehr gern Probleme, die sie erst geschaffen hat.

Doch, wenn man Robert Habeck in Davos zuhört, wird schnell klar, dass er sich nicht um die Deutschen sorgt, denn „wenn wir nur an uns denken, unsere Energie- und unsere Lebensmittelversorgung, hat das verhängnisvolle Folgen für die Gesamtmärkte“. Schließlich ginge es nicht um die „De-Globalisierung“, sondern um Solidarität. Es gäbe auch Länder, die nicht so viel Geld haben wie Deutschland, um „Energie für jeden Preis zu kaufen“. Das sagt der Wirtschafts- und Energieminister Deutschlands, der eine wachsende Mitschuld daran trägt, dass Deutschland die höchsten Energiepreise in Europa hat.

In welchem Deutschland lebt Habeck eigentlich, wenn er glaubt, die deutschen Bürger, die deutschen Familien können sich „Energie für jeden Preis“ leisten? In Ungarn beispielsweise ist der Energiepreis gedeckelt, mehr als 1,30 Euro darf Benzin nicht kosten. Offensichtlich prangert der deutsche Minister die ungarische Regierung dafür an, weil sie für die Interessen Ungarns Politik macht, sich nicht als virtuelle Weltregierung aufspielt, sondern sich verantwortlich für das Wohl der Ungarn zeigt. Für Habeck hingegen steht fest, dass, wenn jedes Land nur an sich denke, sich die Krisen nur verstärken.

Die Welt steht seiner Meinung nach vor vier Krisen: der Inflation, der Energie-, der Lebensmittel- und der Klimakrise. Allein für die Bewältigung der Klimakrise will die Regierung bis 2026 200 Milliarden Euro ausgeben. Das dürfte man in Davos gern hören. Was Habeck zu sagen vergisst: Die weitreichenden Maßnahmen wie beispielsweise die deutsche Energiewende als Antworten auf die angebliche Klimakrise treiben die Inflation, die Energie-, und die Lebensmittelkrise. Sie sind, wenn schon nicht deren Auslöser, so doch deren Beschleuniger. Diese Entwicklungen sind Begleiterscheinungen der Großen Transformation.

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Geht man davon aus, wie es Konservative, wirkliche Liberale und auch sozialpolitische Linke (im Gegensatz zur identitätspolitischen Linken und den herrschenden linksliberalen Eliten) vertreten, dass nur der Nationalstaat Sicherheit und Sozialität, Freiheit und Demokratie garantieren und schützen kann, dann wird deutlich, dass die starken Interessen, die Nationalstaaten in supranationale Gebilde wie die EU aufzulösen, einen Verlust an Freiheit, Sozialität, Sicherheit und Wohlstand bedeuten, dass es eigentlich nur darum geht, die Schutzfunktion der Staaten zu beseitigen, um die „Märkte“, wie Habeck sagt, „offen zu halten“ – und damit meint er, die Preise jederzeit „auf ein angemessenes Niveau“ heben zu können.

Es geht Robert Habeck nicht um den deutschen Bürger, sondern um die Welt. So wie Christian Lindner gerade erst zufrieden feststellte, dass die Liquidität der Ukraine gesichert ist, wozu Deutschland mit zunächst 1 Milliarde Euro beiträgt, erst einmal, weitere Milliarden werden folgen, denn Ursula von der Leyen hat der Ukraine ein Hunderte von Milliarden schweres Wiederaufbauprogramm in Aussicht gestellt, natürlich teils durch neue Schulden finanziert, wie ja auch bereits der Green Deal und die Coronabonds.

Im Grunde druckt die EU Geld und verschuldet uns dazu auch noch. Damit treibt sie die Inflation weiter voran und drängt Deutschland durch die Sanktionspolitik in eine Rezession. Die Utopie der Grünen tut ihr Übriges dazu. Doch Deutschland fährt nicht einfach so im Geleitzug mit, sondern Deutschlands beliebteste Politiker, Robert Habeck und Annalena Baerbock, haben sich an die Spitze gesetzt, sie betreiben Weltpolitik, was niemand in der Welt sonderlich interessiert, allerdings zum Schaden Deutschlands. Gestern standen wir noch am Abgrund, spottete man in den letzten Jahren der DDR, heute sind wir schon einen Schritt weiter.


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