Tichys Einblick
Utopie vor Wirklichkeit

Habecks Problem mit Katar: Das Gas lässt auf sich warten

In den Verhandlungen zwischen Deutschland und Katar über Erdgaslieferungen knirscht es, drei Punkte stehen einer Einigung im Wege. Sicher ist nur, dass nichts sicher ist. Im Wirtschaftsministerium herrscht der Geist der Utopie.

Wirtschaftsminister Robert Habeck in der Erdölraffinerie in Schwedt, 9.5.2022

IMAGO / Frank Ossenbrink

In Habecks Plan, von russischem Erdgas loszukommen spielt der Umstieg auf Flüssiggas aus Katar eine entscheidende Rolle. Nach seiner Rückkehr aus Katar wurde Robert Habeck fast als Heils-, zumindest als Erdgasbringer gefeiert. Wir sprechen von rund 100 Milliarden Kubikmeter Erdgas, 55 Prozent davon kommen aus Russland, wie Reuters berichtet.

Einen Tag später veröffentlichte die FAZ ein Interview mit dem Energieminister von Katar, der zwar von Gesprächen, nichts aber von einer Einigung wusste. Auch gab er zu bedenken, dass Katar langfristige Lieferverträge besäße und daher nicht vor 2026 Erdgas nach Deutschland liefern könnte. Dieser sanfte Hinweis aus Katar entwickelt sich nun zum Menetekel. Laut einem Bericht von Reuters knirscht es gewaltig in den Verhandlungen zwischen Katar und Deutschland.

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Insbesondere stehen drei gewichtige Punkte einer Einigung im Wege. Erstens wird Katar nicht so schnell liefern können, wie Deutschland eine neue Bezugsquelle für Erdgas braucht. Spätestens Ende des Jahres, vermutlich bereits früher, wird Ersatz für das russische Erdgas benötigt, aber Katar will oder kann nicht vor 2026 liefern. Selbst wenn man durch sehr viel Entgegenkommen, und zwar nicht nur im Preis, erreicht, dass Katar 2025 liefert, stellt sich doch die Frage: Was geschieht zwischen 2022 und 2025?

Das zweite Hindernis stellt das verträumte Handeln der Ampel-Regierung in das grelle Licht der Wirklichkeit. Laut Reuters will Katar nur langfristige Lieferverträge schließen mit einer Laufzeit von mindestens zwanzig Jahren. Die Ampel-Regierung drängt aber auf den totalen Ausstieg aus den fossilen Energieträgern bis spätestens 2040. In dieser Situation bringen die Grünen sogar wieder einen Ausstieg aus Kohle, Erdgas und Erdöl für das Jahr 2038 ins Spiel. Wie will Habeck die Lücke zwischen 2038 und 2043 schließen? Übrigens ist die Lücke größer, als es die Zahlen andeuten. Bis 2038 müssten sich die Erdgasimporte nämlich sukzessive verringern.

Auf der einen Seite will Katar mindestens zwanzig Jahre Laufzeit vereinbaren, also mindestens bis 2042/43, auf der anderen Seite wollen die Grünen den Import reduzieren, bis er 2038 auf Null steht. „Die Frage der LNG-Vertragsdauer, die möglicherweise Deutschlands Dekarbonisierungsziele gefährdet, ist Teil der laufenden Gespräche mit Katar“, sagte eine der Personen und fügte hinzu, „Deutschland konkurriere auch mit anderen Nationen um LNG aus Katar.“ Das schreibt Reuters über Hintergrundgespräche mit Insidern.

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Bevor man als Einigungsmöglichkeit einen horrenden Preis für LNG aus Katar ins Auge fasst, wird mit Blick auf den dritten schwierigen Punkt in den Verhandlungen deutlich, dass der Preis bereits zu den zentralen Themen der Gespräche gehört. Katar will nämlich, wie Reuters von Insidern erfahren hat, den Erdgaspreis an den Erdölpreis binden, das heißt dass der Preis nicht festliegt, sondern in Bewegung ist, nämlich immer abhängig von der Erdölreferenz. Deutschland bevorzugt hingegen, den Preis an die niederländische TTF-Benchmark zu binden. Die TTF (Title Transfer Facility) ist ein virtueller Handelsplatz für Erdgas in den Niederlanden, der Händlern erlaubt, Futures zu dealen sowie physische und Börsengeschäfte zu tätigen.

Da Katar als zuverlässiger Lieferant gilt, ein starkes Interesse an seinem Erdgas besteht und das Emirat überdies ein neues Projekt entwickelt, wie Felix Booth, Leiter von LNG bei Energy Intelligence Company Vortexa, Reuters sagte, erwartet Katar, dass die Deutschen, um die Versorgung mit Erdgas zu sichern, „eine traditionelle ölgebundene Preisstruktur akzeptieren“ müssen. „Dadurch bleibt der europäische Käufer im Vergleich zu den Preisen der europäischen Drehkreuze einem erheblichen finanziellen Risiko ausgesetzt“, schätzt Booth ein. Zumal Deutschland als Vorreiter des Embargos des russischen Erdöls gerade dabei ist, den Erdöl-Preis in die Höhe zu treiben, was sich dadurch auch auf den Erdgaspreis auswirkt. Das Wort Verhandlung ist für jemanden, der so mit dem Rücken zur Wand steht wie Deutschland, ein Euphemismus.

Man kann geradezu den Eindruck gewinnen, dass die Bundesregierung den Preis für Erdöl, mithin auch für Industrie und Transport, in die Höhe treibt. Das befeuert die Inflation in Deutschland. Während Ungarn, aber auch Malta, Zypern und Griechenland beim Embargo für russisches Erdöl mauern, Ungarn mit dem Veto in der EU droht, macht sich Deutschland zum Vorreiter des Embargos im fundamentalen Gegensatz zu seinen nationalen Interessen, denen sich Bundeskanzler Scholz vor Kurzem noch verpflichtet fühlte.

Ungarn beschreibt die Wirkung eines Embargos auf die ungarische Wirtschaft als die einer „Atombombe“. Die wirtschaftliche Situation Deutschlands unterscheidet sich in dieser Hinsicht nicht von der ungarischen. Die Sanktionen würden Deutschland härter als Russland treffen. Von der Leyens Plan für das 6. Sanktionspaket floppt gerade oder läuft zumindest mit Blick auf diese vier Länder ins Leere. Voraussichtlich wird man für das 6. Sanktionspaket eine typisch europäische Lösung finden, die lautet, dass die vier Länder – und womöglich nicht nur sie – Rabatte, Kompensationen und Ausnahmeregelungen zugestanden bekommen, während Deutschland mit voller Wucht die Sanktionen entgegen seiner nationalen Interessen tragen und erleiden wird.

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Die Regierung sorgt bereits dafür vor, dass die Kosten ihrer De-Industrialisierung, ihrer Großen Transformation auf die Bürger abgewälzt werden, so beispielsweise in der kürzlich vorgeschlagenen Novellierung des Energieschutzgesetzes von 1975. Dort heißt es im Abschnitt 1, Paragraph 24, dass alle „Energieversorgungsunternehmen entlang der Lieferkette das Recht“ besitzen, „ihre Gaspreise gegenüber ihren Kunden auf ein angemessenes Niveau anzupassen.“

Am 8. Juni 2020 verlieh der damalige Oppositionspolitiker Robert Habeck in der Sendung „Hart aber fair“ seiner Freude darüber Ausdruck, wie leicht es ist, Krisen und existentielle Verwerfungen auszulösen: „Wer hätte gedacht, dass wir die ganze Wirtschaft lahmlegen, weil wir Werte … vor ökonomische Kreisläufe stellen.“ Also Ideologie vor Wertschöpfung, Utopie vor Wirklichkeit.


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