Am 1. November schilderte der israelische Botschafter Ron Prosor im Inforadio des RBB das Massaker an einer israelischen Familie stellvertretend für das Leid all derer, die von der Hamas niedergemetzelt worden sind. Er sagte:
„Eine Familie, Vater, Mutter, zwei Kinder, 6 und 8 Jahre alt. Das Auge des Vaters wurde von Hamas-Terroristen ausgestochen vor den Augen seiner Kinder. Die Brust von der Mutter abgeschnitten. Der Fuß der achtjährigen Tochter abgehackt. Die Finger des Sohnes abgeschnitten vor den Augen ihrer Eltern. Danach alle hingerichtet und derjenige, der das getan hat, sitzt ruhig und isst ihr Frühstück.“
Müsste nicht feministische Außenpolitik erstens alle diplomatischen Kanäle in der UN nutzen, um dieses Massaker, um das Verbrechen an dieser jüdischen Familie, um die Verbrechen an allen jüdischen Menschen an diesem Oktober und an den folgenden Tagen bis heute, wenn man an das Schicksal der Geiseln denkt, in den Mittelpunkt der UN-Resolution zu stellen? Und zweitens, wenn das mindeste Gebot der Menschlichkeit in der fragwürdigen UN scheitert, mit lauter Stimme dagegen zu protestieren und die Zustimmung zu verweigern? Hätte nicht feministische Außenpolitik, deutsche Außenpolitik allzumal dieser Familie, von der Ron Prosor spricht, eine Stimme geben müssen?
Doch was tat feministische Außenpolitik? Feministische Außenpolitik schwieg, schwieg so laut, dass sie der Hamas in die Karten, dass sie dem mörderischen Regime in Teheran in die Hände spielte. Kommt dieses Schweigen nicht einer Schonung der Mörder gleich? Annalena Baerbocks Außenpolitik ist gescheitert. Sie ist weder feministisch, noch ist sie wertegeleitet. Auch nicht interessenfokussiert, zumindest sind ihr deutsche Interessen fremd. In einem funktionierenden Deutschland, in einer Regierung, die, auch wenn man ihre Politik ablehnt, Achtung verdient, hätte der Bundeskanzler Annalena Baerbock entlassen müssen.
Aber was erwartet man von einer Regierung, deren Kulturstaatsministerin gern in Teheran mit Kopftuch posiert, unter deren Ägide Bilder mit antisemitischen Motiven auf der Documenta gezeigt werden können? Was erwartet man von einem Bundespräsidenten, der sowohl dem Iran durch das Atomabkommen als auch Putin geholfen hat, stärker zu werden? Was erwartet man von einer Bundesregierung, die erhebliche Gelder für den Gaza-Streifen überweist und Treibstoff liefert, obwohl sie in keiner Weise sicherzustellen vermag, dass Gelder und Treibstoff nicht am Ende der Hamas zugute kommen?
All diese Fragen beantwortet auch das Video des Wirtschaftsministers Robert Habeck nicht. Angesichts der von ihm verschuldeten wirtschaftlichen Talfahrt Deutschlands versteht man, dass der Wirtschaftsminister sich lieber mit Innen- und Außenpolitik anstatt mit Wirtschaftspolitik beschäftigt. Am Mittwochabend ließ Robert Habeck ein Video von sich, perfekt gekleidet im schwarzen Anzug, auf den bösen Kanal X, nicht auf Mastodon, nicht auf Bluesky, sondern auf X hochladen, in dem er einen Beitrag zur „Einordnung und Differenzierung“ der Ereignisse im Nahen Osten und in Deutschland leisten möchte. Wäre das nicht Scholzens oder Baerbocks Aufgabe? Was also trieb Habeck dazu? Der moralische Drang oder der Wille, eine staatstragende Rede zu halten, die Grünen aus dem Zwielicht zu holen, in das sie auch dank Baerbock geraten sind, und sich als Kanzlerkandidat der Grünen zu präsentieren? Geht es auch um einen innerparteilichen Machtkampf?
Die Chronologie spricht einen deutliche Sprache: Am selben Abend ist Habeck schon bei seinem wichtigsten öffentlich-rechtlichen Mitarbeiter, bei Markus Lanz, dem wir unvergessliche Habeck-Interviews verdanken, zugeschaltet. Fast parallel zum Interview, das Annalena Baerbock in der ARD gibt.
Die Bild-Zeitung, die nun wirklich keine Ahnung von Geschichte hat, schreibt: „Habecks historische Rede auf X (ehem. Twitter) vom Mittwochabend über volle Solidarität mit Israel fand in diesem Talk eine wichtige Fortsetzung.“ Besser kann man eigentlich nicht die Medienstrategie von Robert Habeck, die dank seiner Unterstützer auch in den Medien aufgeht, nicht dekuvrieren. Erst Rede auf X, dann nacharbeiten und erweitern bei Lanz, dabei noch Baerbock in der Schatten stellen.
Doch zunächst zur Rede. Habeck sagt im Grunde nicht viel Neues, vieles von dem, was er anspricht, haben bereits Olaf Scholz und auch Annalena Baerbock geäußert: „Der Satz ‚Israels Sicherheit ist deutsche Staatsräson‘ war nie eine Leerformel und er darf auch keine werden … Er sagt, dass die Sicherheit Israels für uns als Staat notwendig ist.“
Habeck empört sich zu recht: „Das Verbrennen von israelischen Fahnen ist eine Straftat. Das Preisen des Terrors der Hamas auch.“ Und fordert: „Wer Deutscher ist, wird sich dafür vor Gericht verantworten müssen. Wer kein Deutscher ist, riskiert außerdem seinen Aufenthaltsstatus. Wer noch keinen Aufenthaltstitel hat, liefert einen Grund, abgeschoben zu werden.“ Gut gebrüllt, Löwe, möchte man mit Shakespeare sagen. Oder mit Habecks Kollegen, dem Kinderbuchautor Max Kruse und der Augsburger Puppenkiste. Weiß der Wirtschaftsminister von den Grünen denn nicht, dass es gerade seine Partei ist, die sich gegen Veränderungen in der Migrationsfrage stellt, so sehr, dass die Koalitionspartner entnervt sind?
Habeck sagt richtig, dass das „Beide-Seiten-Argument“ in die Irre führe, dass „Antikolonialismus … nicht zu Antisemitismus führen“ dürfe, dass dieser Teil der politischen Linken seine „Argumente überprüfen und der großen Widerstandserzählung misstrauen“ solle. Doch wie glaubwürdig ist die Aussage, hat er doch selbst zuvor in der gleichen Rede sich kräftig beim Beide-Seiten-Argument bedient und relativiert, denn auch Habeck bringt es nicht fertig, die Kritik an den Islamverbänden, am muslimischen Antisemitismus zu äußern, ohne den deutschen Antisemitismus zu erwähnen und mit deutlichem Hinweis auf die AfD zu zielen. Wahrscheinlich hat der Differenzierer und Einordner, der sich inzwischen hochmütig als Praeceptor Germaniae fühlen dürfte, Scharen von AfD-Anhängern auf den Pro-Palästina-, die im Grunde Pro-Hamas-Demos sind, entdeckt. Man nennt es auch Whataboutism, zu gut Deutsch ein Ablenkungsmanöver.
Bei Lanz schießt Habeck dann ohne Namensnennung gegen Baerbock, indem er die deutsche Stimmenthaltung bei der UN-Resolution kritisiert. „Und deshalb ist es keine gute Resolution, weil sie nicht politisch ist. Sie durchdringt und nennt das politische Problem nicht beim Namen“, sagt Habeck und begreift selbst nicht, dass es hier nicht um ein politisches Problem, auch nicht um Wording geht, sondern dass es sich hier schlicht um Menschlichkeit oder Barbarei handelt, dass es sich darum dreht, dass man erstens Menschen nicht massakriert, zweitens sie nicht foltert und drittens Kinder nicht quält und hinmetzelt. Das ist wirklich kein politisches Problem, das ist eine Frage, die in die tiefste Tiefe der menschlichen Existenz greift.
Bei Lanz trumpft Habeck auf, „dass Israel die Unterstützung, auch die militärische, über Ausrüstung und so weiter, bekommt“, wenn Israel sie benötigt. Hat Robert Habeck zuvor Boris Pistorius gefragt, wie viele Waffen, wie viel Ausrüstung die Bundeswehr noch hat, nachdem Deutschland schon die Ukraine unterstützt, wozu wir konkret noch in der Lage sind? Doch die nebensächlichen Details haben den ins Große denkenden Minister noch nie interessiert. Der Effekt, die Ankündigung ist alles. Man gewinnt den Eindruck, dass die Welt nur existiert, weil es Robert Habeck gibt, damit Robert Habeck eine Aufgabe hat.
Wenn es Robert Habeck wirklich ernst ist, warum sorgt er nicht dafür, dass die Unterstützungsgelder eingefroren werden? Weshalb engagiert er sich nicht dafür, dass die Reform der Migration voranschreitet, um den Import des Antisemitismus zu verhindern? Weshalb ordnet er wie ein Oberlehrer ein, weshalb versucht er zu „differenzieren“, anstatt zu handeln. Ron Prosor hat es deutlich gesagt: Taten sind das Wichtigste, nicht Worte.“ Doch Robert Habeck hat nur Worte geliefert.
Doch er kann mit sich zufrieden zu sein. Ihm gelang es, Aufmerksamkeit zu erzielen, eine positive Aufmerksamkeit so ganz anders als in seinem eigentlichen Aufgabengebiet, der Wirtschaft und der Energie. Auf Kosten des Kanzlers und auf Kosten der Außenministerin. Die WELT, die sich in letzter Zeit auffällig Habeck-affin gibt, jubelt fast backfischhaft, dass Habeck „mit schwarzer Krawatte ernst in die Kamera“ spricht, „so als wäre er der Kanzler oder Bundespräsident“. Bild huldigt Habeck: „Zwei Grünen-Minister und zwei Auftritte, die unterschiedlicher kaum sein könnten! Wirtschaftsminister Robert Habeck (54, Grüne) hält eine historische Rede … Und Annalena Baerbock (42, Grüne)? Sie hingegen erstaunt mit einem Wischiwaschi-Interview im ZDF.“
Das ZDF fragt schon mit leuchtenden Augen: „Spricht da ein möglicher Kanzler?“ Wirft man einen Blick auf die Medienresonanz, entsteht der Eindruck, dass es weniger um Israel ging, als darum, den strauchelnden Wirtschaftsminister kanzlertauglich zu machen.
Analysiert man kühl Habecks Video, dann bleibt nur ein Mann im schwarzen Anzug, der sich um einen Platz in der Weltgeschichte bemüht. Es ist zu viel Talmi, zu viel Pose dabei.