Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) hat seiner Partei zu Offenheit für Koalitionen mit der LINKEN in Ostdeutschland geraten. Wenn Wahlergebnisse es nicht hergäben, dass ein Regierungsbündnis gegen die Linke gebildet wird, „muss die CDU pragmatisch sein“, sagte CDU-Linksaußen Günther der „Rheinischen Post“.
„Wenn da vernünftige Menschen in der Linkspartei am Werk sind, vertut man sich nichts damit, nach vernünftigen Lösungen zu suchen“, meinte Günther. Fast 30 Jahre nach dem Mauerfall zeige sich „durch eine Reihe regionaler Kooperationen ein gutes Stück Normalisierung zwischen CDU und Linken“. Da sei es gut, auf „Scheuklappen“ zu verzichten. Zuvor hatte Brandenburgs CDU-Chef Ingo Senftleben Gespräche mit AfD und der LINKEN nach der Landtagswahl in Brandenburg 2019 angekündigt, aber eine Koalition mit der AfD bereits so gut wie ausgeschlossen.
Die CDU macht seit einigen Jahrzehnten immer mit einem gewissen Zeitverzug genau das, was die SPD vorgemacht hat. Erinnern Sie sich?
• Unmittelbar nach der Wende meinte die SPD, eine Zusammenarbeit mit der Linken (damals hieß sie PDS, davor SED, davor KPD) sei generell ausgeschlossen.
• Dann arbeitete man auf kommunaler Ebene zusammen. Dort, so hieß es, gelten andere Grundsätze, aber auf Landes- oder gar Bundesebene schloss die SPD Koalitionen weiterhin aus.
• Dann gab es in Magdeburg die erste Duldung einer SPD-Grünen-Regierung durch die PDS auf Landesebene. Die SPD erklärte (wie jetzt die CDU), dies sei nur in Ostdeutschland möglich, in den alten Bundesländern komme das auf keinen Fall in Frage.
• Dann gab es die ersten formellen Koalitionen zwischen SPD und LINKEN auf Landesebene (z.B. in Berlin), aber die SPD betonte, Koalitionen auf Bundesebene seien dennoch ausgeschlossen.
• Schließlich fasste die SPD auf einem Parteitag den Beschluss, dass man auch auf Bundesebene offen für eine Koalition mit der LINKEN sei. Allerdings war es da schon zu spät, denn inzwischen fehlt ja eine Mehrheit im Bundestag dafür.
Übrigens war es die gleiche Abfolge in der Zusammenarbeit zwischen SPD und Grünen. SPD-Ministerpräsident Holger Börner erklärte zunächst über grüne Demonstranten: „Ich bedauere, dass es mir mein hohes Staatsamt verbietet, den Kerlen selbst eins auf die Fresse zu hauen. Früher auf dem Bau hat man solche Dinge mit der Dachlatte erledigt.“ Dann vereinbarte er die erste Koalition mit den Grünen in Hessen.
Nachdem die SPD etwas vorgemacht hat, meinen die „modernen“ Leute in der CDU, das müsse man jetzt auch machen und die Union übernimmt die Positionen der SPD (Frauenquote, „Ehe für alle“, Atomausstieg, Mindestlohn usw.), welche wiederum zuvor die Positionen der Grünen übernommen hatte. Nur braucht die Union für diesen Prozess dann nicht mehr ganz so lange wie die SPD.
Die SPD hat auf diese Weise die LINKE salonfähig gemacht und sich selbst geschwächt. Heute krebst sie in Umfragen bei 17 Prozent herum. Die CDU will ihr offenbar folgen. Daniel Günther spricht heute das aus, was Merkel denkt. In der DDR nannte man das Bündnis von CDU, SED und anderen Parteien den „antifaschistisch-demokratischen Block“.