Robert Habeck sprach 2015 auf dem Neujahrsempfang der Mainzer Grünen. Cem Özdemir und Simone Peter führten die Partei seinerzeit schlecht, die Wahlniederlage von 2013 juckte zudem noch im Fell. Da galt der Philosoph aus dem Norden als Hoffnungsträger. Und Robert Habeck brachte den Mainzer Parteifreunden eine frohe Botschaft mit: Wir können regieren. Wir können grüne Positionen selbst dann durchsetzen, wenn es dafür keine gesellschaftlichen Mehrheiten gibt. Früher als andere entdeckte er, welch grünes Potenzial in ARD, ZDF und inhaltlich verwandten Zeitungen sitzt – und dass es für ihn und seine Partei nur gelte, dieses Potenzial auszuschöpfen.
2023 lässt sich sagen: Die Grünen haben ihr Potenzial ausgeschöpft. Mit Hilfe von 8,5 Milliarden Euro Zwangsgebühren im Rücken und dank der Schwäche der anderen Parteien haben sie es geschafft, Themen und Beschlüsse durchzusetzen, für die es in Deutschland keine Mehrheit gibt. Ohne Rücksicht auf die inhaltliche Richtigkeit. Und mit der Konsequenz, dass nach anderthalb Jahren grüner Regierungsbeteiligung alle wirtschaftlichen und viele gesellschaftliche Daten alarmierend sind. Unter den Grünen regiert es sich nicht nur gegen den Willen der Mehrheit, unter den Grünen regiert es sich so, dass die Folgen für die Leistungsfähigkeit des Landes verheerend ausfallen.
Schon, dass die Sozialdemokraten in Bremen anderthalb Wochen brauchten, um darüber zu entscheiden, ob sie die wiedergewählte Koalition fortführen, ist bemerkenswert. Viel bemerkenswerter aber ist ihr Verhalten in der Stadt Berlin. Obwohl sie in der alten Koalition weiterhin die Bürgermeisterin hätten stellen können, sind sie trotzdem bei der CDU als Juniorpartner untergeschlüpft und verzichten somit auf den Chefsessel im Roten Rathaus. Ein Vorgang, der seinesgleichen sucht.
Die Grünen sind Gift. Für das Ergebnis der gemeinsamen Politik. Vor allem aber für den Koalitionspartner. Wie dieses Gift wirkt, bekommt derzeit besonders die FDP zu schmecken. Die Freidemokraten dürfen die Politik der Grünen mittragen und dafür Prügel von ihren Wählern beziehen. Oder sie dürfen versuchen, eigene Politik durchzusetzen, dann haben sie aber sofort die grünen Journalistengeschwader von ARD, ZDF, Süddeutscher und Co gegen sich. Ein Teufelskreis.
Bisher hat die FDP auf die Strategie gesetzt zu kommunizieren, sie würde das Schlimmste an rot-grüner Politik verhindern. Leute, die die Grünen nicht wollen, sollen demnach die Partei wählen, die die Folgen einer grünen Politik zwar abmildert, die aber eben diese grüne Politik überhaupt erst möglich macht. Die Frage, ob das funktionieren kann, ist rhetorisch. Die Antwort darauf liefert eine Landtagswahl nach der anderen. Nun hat die FDP offensichtlich erkannt, so geht es nicht weiter. Mit Habecks Heizungsverbot hat sie einen der Eckpfeiler grüner Politik ausgesetzt.
Die SPD hat einen anderen Anspruch. Den, Volkspartei sein zu wollen. Ende der Zehner-Jahre diskutierten die Sozialdemokraten schon einmal darüber, ob sie diesen Anspruch aufgeben müssten. Dann brachte sie Olaf Scholz überraschend ins Kanzleramt. Ein Erfolg, der auf die Schwäche der anderen Parteien zurückging. Aber auch ein Erfolg, den die Sozialdemokraten nicht verspielen wollen. Denn ihnen ist klar: Wird Scholz abgewählt, wird der Weg ins Kanzleramt für die Sozialdemokraten auf absehbare Zeit versperrt sein.
Also steuern die Sozialdemokraten dagegen. Die Bewegung in Bremen und Berlin ist dabei am deutlichsten. Auf Bundesebene geschieht die Absetzbewegung nur in Nuancen, etwa in der Haushaltsfrage. Die Grünen wollen nicht sparen. Für sie kommt das Geld von der Bank und von der Druckerpresse. Die Wirtschaft ist für die Grünen ohnehin ein Erzfeind. Dass es ausgerechnet ihr vorbehalten sein soll, zu ermitteln, was ein Staat ausgeben kann, ist ein Gedanke, den die Erben von Jutta Ditfurth, Claudia Roth und Hans-Christian Ströbele nicht akzeptieren wollen – und können. Folglich setzt sich Scholz mit Finanzminister Christian Lindner (FDP) zusammen und entwickelt einen eigenen Sparplan – an Vizekanzler Habeck vorbei.
Scholz ist dabei aber auch bedacht, den grünen Koalitionspartner nicht restlos zu verprellen. Deswegen spielt er in Sachen Heizungsverbot auf Zeit: Der Verschiebung des Themas im Bundestag hat er zugestimmt, zeitgleich aber Interviews gegeben, in denen er meinte, er könne sich nicht vorstellen, dass sich das Gesetz wesentlich vom vorliegenden Entwurf unterscheiden werde. Anders als in Bremen kann er keine Koalition mit der Union führen, deren Chef er bleibt. Anders als in Berlin ist er nicht bereit, selbst auf den Chefsessel zu verzichten – auch weil er weiß, wie schwer dieser für die SPD zurückzugewinnen wäre.
Doch in der Union machen sich Zweifel breit, ob die Grünen eben nicht das Gift wären, an dem auch der eigene Anspruch auf den Volksparteien-Status sterben würde. Allen voran der größte Seismograph für Stimmungen, den die Bundesrepublik kennt: den CSU-Chef Markus Söder. In den Aufstiegsjahren der Grünen hat Söder selbst grüne Kreide gefressen, um sich anschlussfähig an den potenziellen Koalitionspartner zu halten. Nun ist er der erste, der sich lautstark von der Partei absetzt, deren Vordenker Politik auch dann durchsetzen will, wenn keine Mehrheit hinter ihr steht.
Noch sind einige gordische Knoten zu durchschlagen: Damit die Macht der Grünen bröckelt, müssen sie Wahlen verlieren. Muss der mit 8,5 Milliarden Euro Zwangsgebühren finanzierte grüne PR-Apparat ausgebremst werden. Muss an seine Aufgabe erinnert werden, die Interessen der ganzen Nation bedienen zu müssen – und nicht nur die ihrer grünen Redakteure. Muss den grünen Koalitionspartnern klargemacht werden, dass es nicht reicht, die Grünen bei dem Regieren zu bremsen, zu dem man ihnen selbst erst verhilft. Das mag ein weiter Weg sein. Aber zum einen hat er begonnen und zum anderen ist es ein anderer Weg als der, den die Grünen unter Robert Habeck dem Land aufgezwungen haben.