Tichys Einblick
Bedrohung der Demokratie

Grüne wollen „Taskforce“ gegen AfD und BSW

Eine Taskforce gegen die Opposition – nicht weniger möchten die Grünen auf ihrer Klausur besprechen. Die Grünen verirren sich zwischen amerikanischem Neokonservatismus und McCarthy-Allüren. Mit einer herbeiphantasierten Russland-Connection will man auch hierzulande den Rechtsstaat beugen.

picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Die Grünen wollen eine Taskforce. Das klingt martialisch und passt irgendwie auch zu einer Partei, die vom Pazifismus zum Bellizismus gefunden hat. Was früher nur als Spezialtruppe exerzierte, ist mittlerweile zur schnöden Bezeichnung für eine Arbeitsgruppe verkommen. Es soll offenbar Einsatzbereitschaft und Lösungsbewusstsein zeigen, also Werte, die sonst bei der Bearbeitung von Problemen in der Ampel-Republik durchgängig fehlen.

Es geht – mal wieder – um nichts weniger als die Rettung der Republik. Und natürlich steht wieder die AfD im Mittelpunkt. Je schlechter die Grünen-Werte ausfallen, desto größer die Hysterie, denn im Demokratiebewusstsein der Partei ist klar, dass ohne Grüne auch die letzte Stunde der Demokratie geschlagen hat.

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Nicht erst die Ergebnisse in Sachsen und Thüringen haben dazu geführt, dass Robert Habeck, Annalena Baerbock und Ricarda Lang den Taktstock des Panikorchesters noch hektischer schwingen. Aber eine neue Eskalationsstufe ist definitiv erreicht. Denn die Taskforce zum „Schutz der Demokratie“, welche die Grünen auf Bund-Länder-Ebene vorgeschlagen haben, ist nicht nur gegen die AfD gerichtet – sondern prinzipiell gegen die „extremen Ränder“ und „Desinformation“.

Es ist selten geworden, dass im grünen Lager beide Extreme zur Sprache kommen. Bisher war es einzig die rechtsextreme Bedrohung, deren Ziel der Wiedererrichtung des Vierten Reiches nur durch beherzte Regierungsmärsche gerade noch im letzten Augenblick verhindert werden konnte. Nun also doch Gefahr von links? Hat man endlich die Verquickung der Linkspartei mit Linksradikalen anerkannt?

Natürlich nicht. Die Grünen machen klar, dass sie vom Bündnis Sahra Wagenknecht sprechen. Man muss kein BSW-Parteigänger sein, um zu konstatieren, dass diese Partei der moderaten Mitte näher ist als etwa die Linkspartei. Mit AfD und BSW, so sagt Fraktionschefin Katharina Dröge, gebe es nun zwei Parteien im Landtag, die „ein bisschen klingen wie der Pressesprecher von Putin“.

Aha. Die vermeintliche oder echte Nähe zu Russland rechtfertigt demnach den Staatsgefährdungsverdacht. Wäre es da nicht konsequenter, eher die Linkspartei und die SPD unter die Lupe zu nehmen? Insbesondere Politiker, die in Regierungsverantwortung waren und sind – wie etwa die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig, oder den heute als Bundespräsidenten amtierenden Frank-Walter Steinmeier, die beide stets für ein pro-russisches Verhältnis eintraten? Wäre da nicht auch die CDU mindestens ein Beobachtungsfall angesichts der von ihr fortgeführten Gaspolitik mit der Russischen Föderation?

Oder ist es nicht doch eher so, dass auch das BSW ins Fadenkreuz der Grünen geriet, als dort ein schrecklicher Verdacht aufkam: Was, wenn nicht die Grünen, sondern das BSW zum Schicksalspartner der Schwarzen auf der Linken werden könnte? Denn bisher hatten sich die Grünen stets darauf ausruhen können, dass sie als linke Mehrheitsbeschaffer dienten. Nun wachen die geschlagenen Grünen auf und merken, dass Wagenknecht anschlussfähig ist. In der Migrationspolitik womöglich sogar anschlussfähiger als Ricarda Lang. Es bleibt die Diffamierung als letztes Mittel, als „Ersatzbrandmauer“.

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Nicht nur in der Wende zum Bellizismus ähneln die Grünen seit einigen Jahren den Neokonservativen um George W. Bush. Um intern durchgreifen zu können, braucht es die Bedrohung von außen. Was einst Terror, Irak, Iran und Nordkorea waren, das ist heute Russland. Statt eines Heimatschutzministeriums nun eben Demokratieschutz. Und: Dass in Thüringen „erstmals eine offen rechtsextreme Partei stärkste Kraft geworden ist, ist der Punkt, wo die Politik nicht einfach wieder zum Tagesgeschäft übergehen sollte“, sagte Dröge. „Der Kanzler muss dieses Thema jetzt zu seiner Aufgabe machen.“ Sie warnte eindringlich vor russischen Versuchen der Desinformation und Wahlbeeinflussung.

Deutschland also in der russischen Zange mit AfD und BSW als Helfershelfer. Nicht zu vergessen der Vorwurf der „Desinformation“, die ebenfalls „von außen“ einsickert. Brasilien hat es bereits vorgemacht, wie mit der schändlichen Meinungsfreiheit im Internet umzugehen ist. Am Ende könnte jemand noch glauben, Joe Biden sei tatsächlich senil und nicht für sein Amt geeignet.

In den USA gibt es aber nicht nur Parallelen zum Beginn des 21. Jahrhunderts. Die Hexenjagdmentalität nimmt McCarthy-Züge an. Früher überall die Kommunisten, heute überall die Russen, AfDler und BSWler. Die Emotionalität, mit der Andersdenkende unter dem Vorwand der Abwehr gegen böse Kräfte verfolgt werden, zeigt sich heute im gefühligen Gewand der Grünen.

Wobei man McCarthy mehr Integrität zugutehalten muss. Der war immerhin tatsächlich um die nationale Sicherheit besorgt – und nicht um den Bedeutungsverlust seiner Partei. Mittlerweile ist bekannt, dass der KGB in der McCarthy-Ära tatsächlich hunderte Spione in den USA an besonderen Schaltstellen stationiert hatte. In Deutschland sind es dagegen gleich Millionen Dissidenten, die es wagen, ihr Kreuz an der falschen Stelle zu machen.

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