Revolutionsführer zu sein, erscheint traditionell vielen Tagedieben als attraktive Alternative zum Tagelöhner. Doch Obacht! Wer nicht immerzu die Speerspitze der Revolution bildet, findet sich schon bald am anderen Ende von deren Spieß. So erging es schon Robbespierre, Trotzki und vielen anderen Henkern der ersten Stunde. Und bald schon könnte es – bildlich gesprochen – auch die grüne Führungsriege Deutschlands erwischen.
Denn der Druck zur permanenten Eskalation der Revolution ist in solchen Bewegungen immer groß. Für realpolitische Kompromisse oder Kalkül ist da kein Platz. Wer die Revolution nicht vorantreibt, hält sie auf und wird von ihr überrollt. Und eben dieses Schicksal droht nun den momentanen Vordenkern der Revolution: der Spitze der Grünen.
Magenverstimmung im grünen Unterbauch
Einerseits rumort es an der Basis der Grünen, die sich ein radikaleres Bekenntnis zu den Kernforderungen der grünen Revolution wünscht. Damit steht die Basis nicht alleine, auch andere Bewegungen, wie die diversen Klimaklebeklubs, die von Außenstehenden lange Zeit einfach im Dunstkreis der Grünen verortet wurden, fordern schon lange einen viel härteren Kurs der Grünen, als das, was der Kinderbuchautor und Trampolina im Zusammenspiel mit dem Fischbrötchen-Kanzler und dem Finanzminister mit gestörtem Gleichgewichtssinn abliefern.
Nicht umsonst liebäugelte die Letzte Generation lange Zeit mit der Gründung einer eigenen Partei. Für Otto Normalfossilverbraucher erscheinen die verschiedenen Splittergruppen zwar wie aus einem Guss, intern können sie sich aber – vor allem wenn die externen Feinde erst einmal besiegt sind – bis aufs Blut bekämpfen. Nebenbei gibt es neben den radikalen Revolutionären auch Splitterbewegungen, die sich gemäßigter präsentieren und zum Beispiel den Einsatz von Nuklearenergie fordern. Doch die bislang demonstrative Einheit könnte schon bald aufplatzen.
Denn die Regierungsverantwortung hat halt auch immer ihren Preis, vor allem wenn man dazu koalieren muss und die Opposition (noch) nicht auf dem Schafott gelandet ist. Ging einigen bereits die Energiewende zu langsam, entzünden sich die grünen Gemüter nun an den Kompromissen in der Asylpolitik. Wohlgemerkt: Nach fast einer Dekade offener Grenzen, die die Grünen mit ihrer Vorfeldpolitik maßgeblich mitverursacht haben, gilt die Empörung nun der Wiedereinführung grundlegender Prinzipien souveräner Staaten, wie Grenzkontrollen und Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber.
ÖRR kritisiert endlich die Regierung – von links!
Doch Druck von der Basis ist nicht der einzige Brandherd. Viel gefährlicher für die Ambitionen der Möchtegern-El-Presidentes ist die wankende Unterstützung der 4. Macht. Denn die Finalisten um den Karl-Eduard-von-Schnitzler-Preis blasen zum Angriff auf ihre eigene Partei. Georg Restle nutzte sein Format „Monitor“ sogleich um provokant die Frage zu stellen: „Hallo Grüne? Noch da?“ Auf X warf er den Grünen vor, bei der Bundestagswahl noch eine „menschenrechtsorientierte Geflüchtetenpolitik in Europa“ gefordert zu haben und nun „Kontrollen an deutschen Grenzen“, die „Inhaftierung von Flüchtenden in Grenznähe“, „Leistungskürzungen für Asylsuchende“, „Abschiebungen auch nach Syrien und Afghanistan“, sowie die zutiefst menschenverachtende „Bezahlkarte statt Bargeld“ mitzutragen.
Wer hätte das gedacht? Der öffentlich-rechtliche Rundfunk kritisiert die Regierungspolitik der Grünen! Allerdings – und das ist der Plottwist – nicht von rechts, sondern von links. Folgt man der Logik von Restles Monitor, dann ist jegliche Begrenzung von Migration ein Verstoß gegen die Menschenrechte und folglich nazi™. Das ist nicht ins Blaue hineinspekuliert, denn bereits im Schicksalsjahr 2015 beklagte Restle im Monitor „Europas Versagen in der Flüchtlingspolitik“, verbunden mit der Forderung: „Macht die Grenzen auf!“
Dass die damalige Behauptung von „Wissenschaftlern“, die bestritten, dass Deutschland dann von Flüchtlingen überrannt würde, ebenso verpufft ist, wie ähnliche Behauptungen, es kämen keine IS-Terroristen auf den Fluchtrouten nach Europa, oder Corona-Impfungen wären nebenwirkungsfrei, tangiert bei Restles Monitor niemanden, denn: Das beste Mittel gegen Ewiggestrigkeit, ist die Devise „was kümmert mich mein Geschwätz von gestern“. Nur ohne den oft vergessenen Adenauer-Zusatz: „Nichts hindert mich, weiser zu werden.“
Mit dieser öffentlich-rechtlichen Kampfansage an die Regierung von der linken Flanke steht Restle aber nicht alleine da. Er erhält tatkräftige Unterstützung von niemand geringerem als dem Schnitzler-Preisträger Jan Böhmermann himself. Dieser veröffentlichte auf X ein Video, das – wüsste man nicht um Böhmermanns ideologielastige Humorlosigkeit – fast schon als Satire seiner selbst durchgehen könnte. Mit Elitenpulli über der Schulter und Sektkelch in der Hand schimpft Böhmermann vor herrschaftlichem Anwesen drei Minuten lang auf die Entscheidung, Grenzkontrollen durchzuführen, da diese „ohnehin nichts bringen“. Gut, darüber ließe sich sogar noch debattieren, allerdings eher aus dem Blickwinkel, dass es sich dabei lediglich um einen Tropfen auf den heißen Stein handele, der dringend weiterer Schritte bedürfe, um die Problematik in den Griff zu bekommen.
Aber natürlich geht Böhmermann nicht diesen Weg. Stattdessen bezichtigt er alle Parteien der Anbiederungspolitik bei den „Nazis™“. Denn, so spricht er mit Sektglas in der Hand: Deutschland ist sicherer denn je. Dazu hat er sogar eine Statistik parat, derzufolge die Mordrate in Deutschland seit 1993 von 1300 auf 214 Morde im Jahr 2023 gesunken ist. Deutschland ist, laut Böhmermann, so sicher wie noch nie. Der Teufel liegt aber im Detail, denn Mord – also ein vorsätzliches Tötungsdelikt – ist nicht zwingend das repräsentativste Gewaltdelikt, um die importierte und oft affektgetriebene Gewalt der Gegenwart zu beschreiben.
Über die grassierenden Gruppenvergewaltigungen verliert Böhmermann aber kein Wort, ebenso wenig wie über die Welle an Messergewalt, die gegenwärtig durch Deutschland rollt. Dass die Zahl gefährlicher und schwerer Körperverletzung in Deutschland 2023 auf einen Höchstwert anstieg, ist Böhmermann natürlich ebenfalls keine Erwähnung wert. Stattdessen singt er das Hohelied der friedliebenden Migranten, deren Zahl sich seit 1993 verdoppelt habe, während die Mordrate rückläufig sei.
Migranten sind auch nicht mehr das, was sie mal waren
Der ÖRR stellt der Regierung – und damit den Grünen – die Rute ins Fenster und droht, seine stützende Funktion aufzugeben, wenn der gegenwärtige Anflug von Realpolitik in der Ampel weiter anhalten sollte. Im Zeitalter der medialen Erschaffung politischer Narrative müssen gerade Konstrukte wie Robert Habeck und Annalena Baerbock darum bangen, dass die Hohelieder auf sie ebenso schnell verstummen könnten, wie sie einst angestimmt wurden. Diese Bedrohung wirkt bereits wesentlich schwerer, zumal der Druck von der Basis mit medialer Unterstützung erst zur Geltung kommt.
Und auch ein drittes Standbein droht den Grünen abhanden zu kommen, eines, das sie besonders schmerzen dürfte. Denn wenn selbst die importierten Neubürger, einst vorbestimmt als rot-grünes Stimmvieh, sich als am Busen genährte Schlange entpuppen und ideologisch abtrünnig werden, dann läuten die Alarmglocken in der grünen Bundeszentrale.
Welch Albtraum! Die Basis wittert Blut, die Propagandamaschinerie droht, untreu zu werden, und der Pöbel wagt es, sich nicht mit staatlichen Almosen sedieren zu lassen, sondern stattdessen Leistung und rechtsstaatliche Ordnung zu fordern. Manchmal ist es nicht leicht, grün zu sein, und der Herbst ist bekanntlich die Jahreszeit, in der das grüne Blattwerk sich einfärbt, welkt und abfällt. Eine schöne Jahreszeit.