Tichys Einblick
Partei des westdeutschen juste milieus

Wie und warum die Grünen Ostdeutschland verachten

Irgendwann setzten sich bei den Grünen immer stärker Leute aus linken bzw. marxistischen oder maoistischen Kreisen durch. Umweltschutz trat an die Stelle des Klassenkampfs. Die friedliche Revolution in der DDR war der größte politische Gau für sie, die Wiedervereinigung eine Niederlage, die sie teils als narzisstische Kränkung erlebten.

IMAGO / Leonhard Simon

In Sonneberg hat, wie jeder weiß – unabhängig davon, wie man zum Ausgang der Wahl steht – eine demokratische Wahl stattgefunden; ob sie de facto rückgängig gemacht wird, was dann in Thüringen schon eine gewisse Tradition begründen würde, lässt sich zur Stunde nicht ausmachen. Aber der Versuch, an einem demokratisch zustande gekommenen Wahlergebnis zu rütteln, entlarvt diejenigen, die es unternehmen. Für sie scheint eine demokratische Wahl nur das geforderte Bekenntnis der Bürger zu einer zu installierenden rotgrünen Staatsideologie zu sein.

Nur eines steht zur Stunde fest: Dass der alte Landrat bis zum nächsten turnusmäßigen Wahltermin einfach im Amt bleibt, ist schon deshalb ausgeschlossen, weil er aus Gesundheitsgründen das Amt nicht weiter ausfüllen kann. Vielleicht wird ja auch von der Landesregierung oder der Amadeu Antonio Stiftung einfach ein Landrat eingesetzt. Die Farce, die in Thüringen derzeit aufgeführt wird, lässt sich nur noch mit Sarkasmus schildern.

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Kaum war das Sonneberger Wahlergebnis bekannt, legten sich Linke und vor allem Grüne keine Hemmungen auf, weder die der Kultur, noch die des Humanismus, noch die der Toleranz, noch die der Achtung vor der Demokratie. Demokratie ist für die Grünen, wenn gewählt wird, was die Grünen wollen, während Meinungsfreiheit für Grüne darin besteht, wenn jeder die Meinung der Grünen äußert – wie die Freiheit generell für Grüne sich darin artikuliert, dass alle sich eifrig bemühen, dem nachzukommen, was die weise grüne Führung für das Land und für dessen Personen beschlossen hat. Denn Bürger im aufklärerischen Sinn kennen die Grünen nicht, zumal man die Partei missverstehen würde, wenn man sie für eine politische Partei hielte, denn sie ist eher ein Weltanschauungsverein mit angeschlossener Machterringungsmaschine.

Der von den Grünen unterstützte Axel Steier, Mitbegründer, Vorsitzender und Sprecher von Mission Lifeline, twitterte kaum nach Bekanntwerden der Wahlergebnisse am 25. Juni um 19.26 Uhr: „Hätte es genug Zuzug aus dem Ausland gegeben (.z.B. indem man die Visa-Pflicht für Afghan*innen und anderen Verfolgten abschafft) und hätte man diesen Menschen sofort das Wahlrecht eingeräumt, wäre #Sonneberg heute kein Thema. Deshalb: Grenzen auf.“ Zuvor hatte Steier auch schon mal getwittert: „Bald ist Schluss mit dem lustigen Leben als Weißbrot!“

Wenn Steier in einem weiteren Tweet schreibt: „Die Enthomogenisierung der Gesellschaft schreitet voran. Ich unterstütze das mit meiner Arbeit“, dann sind das nicht die wirren Phantasien eines twitternden Linken oder Linksliberalen, sondern die Tweets eines Mannes, der einer NGO vorsteht, die im Auftrag der Bundesinnenministerin Nancy Faeser als meldeberechtigte Stelle in Afghanistan darüber entscheidet, wer nach Deutschland einreisen darf, der damit quasi hoheitsrechtliche Aufgaben des Staates übernimmt.

Und das dürften alle sein, die sich melden, denn Axel Steier unterstützt laut Tweet die „Enthomogenisierung der Gesellschaft“, mit anderen Worten die Zerstörung der gesellschaftlichen Struktur und die Schaffung französischer Zustände in Deutschland. Dank Faesers Billigung, dank Steiers aufopferungsvoller Arbeit ist Deutschland französischen Verhältnissen näher, als man es ahnt. Doch wie twitterte Steier: „Bald ist Schluss mit dem lustigen Leben als Weißbrot.“ Übrigens für die Opfer der zahllosen Messerattentate ist jetzt schon Schluss mit dem lustigen Leben als Weißbrot.

Ergebnis Meinungsumfrage
Das Votum der Wähler ist eindeutig: Sie wollen kein grünes Chaos
Auf eine Anfrage des CDU-Innenpolitikers Detlef Seif antwortete Faesers Ministerium: „Mission Lifeline erfüllt derzeit die Kriterien als meldeberechtigte Stelle für das Bundesaufnahmeprogramm für Afghanistan und ist, wie von Mission Lifeline selbst öffentlich bekannt gemacht, als meldeberechtigte Stelle aktiv.“ Eine NGO, dessen Gründer und Sprecher twitterte: „Alle hoffen auf Besserung, auf ein Ende von Rassismus und Abschottungspolitik. Ich fürchte, dass das nicht kommt, solange Deutschland existiert. Das ist alles so verfestigt und in den regelhaften Strukturen fest verankert, das ist mit Reformen nicht zu lösen“, deren Ziel in einer möglichst hohen Einwanderung besteht, um die Existenz Deutschlands im Grunde gewaltsam aufzulösen. Denn mit Reformen auf demokratischen Weg sind seiner Ansicht nach seine Ziele ja nicht durchzusetzen, erfüllt derzeit alle „Kriterien als meldeberechtigte Stelle für das Bundesaufnahmeprogramm für Afghanistan“?

Steiers Mittel, die demokratischen Regeln aufzuheben, lautet: „Grenzen auf“. Neu ist diese Idee nicht. Sie wird auch von der den Grünen nahestehenden ZEIT geteilt, denn dort schrieb Christian Bangel 2019 mit Blick auf die Wahl des Thüringer Landtages: „Wer den Osten dauerhaft stabilisieren will, der muss vor allem für eines kämpfen: Zuwanderung. Massiv und am besten ab sofort. Zuwanderung aus dem Westen, Binnenzuwanderung aus den großen Städten in die ländlichen Räume, und ja auch gezielte Migration aus dem Ausland.“ Wie tief Bangel in seine düstere Ideologie gesunken ist, zeigt sein Kommentar zu Sonneberg, in dem er es fertigbringt die Mehrheit der Polen, die Mehrheit der Ungarn und die Ostdeutschen als Rassisten zu bezeichnen, wenn er schreibt: „Stattdessen muss Deutschland sich damit vertraut machen, dass es im ländlichen Osten Regionen gibt, in denen die Mehrheit einen Abbau der Demokratie und einen Staatsrassismus wie in Ungarn oder Polen zumindest hinnehmen würde.“ Wie Steier, wie Lühmann blockiert auch Bangel, wenn man auf Twitter seine Tweets kommentiert. Grüne Toleranz, grünes Verständnis von Diskurs und Meinungsfreiheit.

Es ist doch in Wahrheit so: Denjenigen, die Freiheit und die Demokratie erkämpft haben in Polen, Ungarn und Ostdeutschland gegen ein hochgerüstetes Staatssicherheitssystem, sprechen linksliberale Redakteure aus ihren bequemen Sesseln in Hamburg die Fähigkeit zur Demokratie ab. Aber es liegt auf der Hand, dass es auch sehr eigentümliche Vorstellungen von Demokratie gibt, so wie sie beispielsweise die SED vertritt, die sich jetzt Linkspartei nennt und die in Thüringen den Ministerpräsidenten stellt.

Aber es sind nicht nur „Seenotretter“ und woke Journalisten, sondern auch Politiker, die aus ihrem Hass auf den Osten keinen Hehl machen. So twitterte Michael Lühmann, der über die Landesliste der Grünen in den Landtag von Niedersachsen als Abgeordneter einzog: „Schäm dich #Sonneberg …“.

Damit jedoch nicht genug. Der aus biedermeierlichem Entsetzen geschlagene Bannstrahl des niedersächsischen Grünen-Abgeordneten traf nicht nur Sonneberg, sondern ganz Ostdeutschland: „… schäm dich Ostdeutschland. Es gibt nicht einen Grund, Höckes Faschistentruppe zu wählen, aber viele Gründe dieses Desaster im Osten zu verorten.“ Und weiter geht es im Stile von Heinrich Manns Dietrich Heßling: „Und bevor ihr jetzt hier tobt, fangt endlich an über ostdeutsche Verantwortung zu reden.“ Zur Erinnerung: Es war im Sommer und Herbst 1989, da haben die Ostdeutschen nicht nur über Verantwortung geredet, sondern auch Verantwortung übernommen, und das nach dem Trauma vom 17. Juni 1953.

Und genau darin liegt der tiefere Grund für die Ablehnung der Grünen Ostdeutschlands. Nach dem die Grünen sich aus unterschiedlichen Kreisen und Strömungen gegründet hatten, setzten sich immer stärker Leute wie Fischer und Trittin durch, die aus linken bzw. marxistischen oder maoistischen Kreisen kamen und den Machtkampf schon geübt hatten. Ihnen ging es nicht um Umweltschutz, sondern der trat an die Stelle des Klassenkampfes, der bekanntlich aus Desinteresse der westdeutschen Arbeiterklasse an dergleichen Kämpfen ausgefallen war. Schließlich hatten die Arbeiter im kapitalistischen Westen ein höheres Lebensniveau als ihre Kollegen im sozialistischen Osten. Doch diese Kader lernten sehr schnell, dass sich mit Umweltschutz und mit der Rettung des Planeten die politische Veränderung der bundesdeutschen Gesellschaft auf dem langen Marsch, wie man es von Mao gelernt hatte, durchsetzen ließ. Die Veränderung der Bildung, der Kultur und schließlich der öffentlichen Meinung wurde seit den achtziger Jahren konsequent vorangetrieben.

Hysterie mit Moral verwechselt
Die geistige Unterwerfung unter die Grünen ist das größte Übel
Die friedliche Revolution in der DDR war der größte politische Gau für die Linksliberalen und die Grünen, die Wiedervereinigung eine Niederlage, die sie teils als narzisstische Kränkung erlebten. Insofern waren die Grünen unter den Parteien eigentlich die Anti-Ostdeutschland-Partei. Jürgen Trittin hatte bereits 1993 die Wiedervereinigung in dem Buch: „Gefahr aus der Mitte: die Republik rutscht nach rechts“ als „Anschluss ohne Befragung der BRD-Bevölkerung“ bezeichnet. Dass der Begriff „Anschluss“ dabei auf die Annektierung Österreichs durch Nazideutschland anspielte, kann dem Autor nicht entgangen sein. Der Grüne behauptete 1993 schon: „Die Bundesrepublik rutscht nach rechts.“ Seitdem wird von der Mehrzahl der Medien und der Politiker vor einem „Rechtsruck“ gewarnt, währenddessen man die Achse der Republik immer weiter nach links verschiebt.

Im Osten konnten die Grünen und können die Grünen und werden die Grünen keine Wahlerfolge feiern. Sie sind und bleiben die Partei des westdeutschen juste milieus, die Partei der Bionade-Bourgeoisie, die immer reaktionärer wird, inzwischen die Partei der Deindustrialisierung und des Niedergangs. So gesehen stellte die Vereinigung von Bündnis 90 mit den Grünen den Verrat von Bündnis 90 an der friedlichen Revolution von 1989 dar.

Wenn Robert Habeck in dem Buch „Patriotismus – Ein linkes Plädoyer“ geschrieben hatte „Vaterlandsliebe fand ich stets zum Kotzen. Ich wusste mit Deutschland noch nie etwas anzufangen und weiß es bis heute nicht“, dann dürfte er mit Ostdeutschland und seiner demokratischen Tradition noch weniger anzufangen wissen. Deshalb macht es ihm auch nichts aus, Rügens Natur und Tourismus zu zerstören, wenn er in Mukran einen riesigen LNG-Hafen errichten lassen will, der nur Ausdruck seiner vermurksten und ideologiegeleiteten Wirtschaftspolitik ist. Den Grünen Habeck interessieren weder die Menschen auf Rügen noch die Artenvielfalt, die Flora und Fauna, noch das Biotop der Ostsee vor Rügen, das er brutal zerstört.

Habecks Linie:
Grüner Kampf gegen die Kultur
Der Grund dafür findet sich in der Tatsache, dass die Grünen eben nicht grün, sondern rot sind. So wie die Schlotbarone des 19. Jahrhunderts es nicht so mit der Natur, sondern mehr mit den Schloten hatten, so haben auch Robert Habeck und Michael Kellner es nicht so mit der Natur, sondern mehr mit dem Wasserstoff, den Windrädern und LNG-Terminals, weil die Windräder ohne LNG als Reserveenergie nicht auskommen. Es geht nicht nur um LNG, eigentlich geht es in Habecks und Kellners Träumen um Wasserstoff.

Deshalb macht es auch dem Grünen aus Schleswig-Holstein nichts aus, dass er mit dem PCK Schwedt als Wirtschaftsmotor der Uckermark eine ganze ostdeutsche Region wirtschaftlich ruiniert und die Erfolge der Menschen, die einen schwierigen Weg von 1989 an gegangen sind, in Frage stellt. Es ist ihm schlichtweg egal, so wie den Grünen Ostdeutschland egal ist, wenn sie Ostdeutschland nicht sogar verachten, denn Ostdeutschland soll sich ja schämen, wie man lesen kann, wenn man nicht blockiert ist.

Habecks wirtschaftliche Entscheidungen gegen Ostdeutschland stehen auf dem selben Blatt wie Lühmanns Befehl, dass die Ostdeutschen sich in Sack und Asche zu hüllen und sich zu schämen haben. Dass Lühmann und Kellner und Göring-Eckardt auf ihre ostdeutsche Herkunft verweisen würden, macht es nicht eben besser, denn es kommt auf die Taten an und manchmal wie bei Michael Lühmann auch auf die Worte.

Ganz gleich, was die Ostdeutschen wählen, ob CDU, SPD, Linke, FDP oder die AfD, eines haben die meisten von ihnen verstanden, dass die Grünen die einzige Partei ist, denen die Ostdeutschen fremd sind.


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