Grüne offenbaren in Lützerath ihre Lügen, Fehler und Widersprüche
Mario Thurnes
Für die Grünen wird Lützerath zu ihrem Vietnam. Dort treffen ihre Kämpfer auf einen Feind, der in Wirklichkeit sie selbst sind. Ihre Aussagen offenbaren Doppelmoral und das Fehlen jeglicher Logik in ihrer Politik.
Kampfeslust kann auch niedlich sein. Zumindest wenn Timon Dzienus sie verkörpert. Er ist Vorsitzender der Grünen Jugend und lebt als solcher im Wohlstand der Politblase. Aber tief in seinem Inneren wäre er vermutlich gerne ein furchtloser, genügsamer Kämpfer im Dschungelkrieg von Bolivien oder Nicaragua. Ein zweiter Che Guevara halt. Als solcher posiert Dzienus auf Twitter: Die linke Faust kämpferisch erhoben, das Milchgesicht zu fester Quark-Miene erstarrt. Was wie ein wilder Tupamaro aussehen soll, wirkt doch eher wie ein Helikopterelternkind, das seine Pausenbrote vergessen hat.
Ungewollt eifert Dzienus tatsächlich Ernesto „Che“ Guevara nach. Der kubanische Handelsminister war Weltklasse in der Rubrik „Revolutionäres Posieren“ – doch mit der Realpolitik hatte es der Asthmatiker nicht so. Die Räumung des Dorfes Lützerath aber ist halt Realpolitik pur. Und so wirkt Dzienus folglich nicht revolutionär, sondern niedlich. Die Räumung ist zum einen eine Konsequenz grüner Bundespolitik. Die wird notwendig, weil sich Wirtschaftsminister Robert Habeck und die Grünen trotz des Ukraine-Krieges weigern, die deutschen Atomkraftwerke weiterlaufen zu lassen. Zum anderen ist die Räumung eine Konsequenz eines Kompromisses, den in Nordrhein-Westfalen unter anderem die grüne Wirtschaftsministerin Mona Neubaur ausgehandelt hat.
Neubaur hält sich folglich mit Aussagen zu Lützerath zurück, auf Twitter verzichtet sie gänzlich darauf. Damit ersparte die Ministerin sich die Konflikte, in die Kathrin Henneberger lief. Sie wiederum hat geographische Wissenschaften studiert, macht aber keine Angaben dazu, ob sie darin einen Abschluss geschafft hat. Nun sitzt Henneberger für die Grünen im Bundestag – oder übt sich eben in Lützerath als „Aktivistin“. Ihre Tweets zur Räumung waren eine Mischung aus Live-Reportage über den Polizeistaat, Romantisierung des Protests und Aufwertung der eigenen Person: „Ich verlasse jetzt Eckardts Hof und gehe in einen anderen Bereich wo nach meine Anwesenheit gerufen wurde.“
Im öffentlich-rechtlichen Fernsehen verstrickt sich Henneberger dann in die grünen Widersprüche. Sie will nichts davon wissen, dass die Räumung auf grüne Beschlüsse zurückgeht. Windräder, die vor zehn Jahren nicht gebaut wurden, seien das Problem – nicht der Ausstieg aus der Atomkraft. Henneberger fordert ein „Innehalten“ der Räumung. Nur wie es danach weitergehen soll, darauf hat die Bundestagsabgeordnete keine Antwort.
Den Konflikt zwischen grünen Phantasien und Realpolitik verkörpert keiner so sehr wie Dirk Weinspach. Als Aachens Polizeipräsident ist der Grüne für die tatsächliche Räumung Lützeraths verantwortlich. Der Süddeutschen Zeitung hat er gesagt, er hätte sich gewünscht, dass es nicht zur Räumung kommt. Doch er musste seinen Job machen und sie durchsetzen. Zu allem grünen Überfluss hat er diesen Job auch noch gut gemacht. Dafür geriet Weinspach in die teils harsche Kritik seiner Parteifreunde.
Was auffällt: Es sind auf Twitter nicht die Original-Accounts, über die ihm sein Job vorgeworfen wird. Es sind Fake-Accounts wie „Gilbert Bécaud“, über die mit Dreck nach dem Polizeichef geworfen wird. Solche Accounts haben oft wenige Follower, Bécaud hatte am Donnerstagmorgen gar keinen. Ihre Macher verschaffen sich Reichweite durch das Setzen von Hashtags. So schreibt Bécaud: „Bald ist #DirkWeinspach #Weinspach Pensionär. Dann kann er seinen Kindern und Enkelkindern erklären, dass er nur auf Befehl gehandelt hat und die Verantwortung für sein Tun andere tragen.“
Solche Accounts werden oft von Politikern oder ihren Mitarbeitern betrieben. Sie nutzen die Anonymität, um Aussagen zu tätigen, die ihrer Karriere schaden würden –wenn herauskäme, dass sie von ihnen sind.
Das offizielle Berlin äußerte sich entsprechend vorsichtiger – aber nicht ohne die für die Grünen übliche Doppelmoral. Zum Beispiel Katrin Göring-Eckardt: Sie sieht Lützerath als Bestätigung dafür, dass grüne Politik nötig sei, lehnt „Gewalt in der Form“ ab und lobt die „Hartnäckigkeit“ der Extremisten. Göring-Eckardt deutet damit Kritik am grünen Polizeichef und an den grünen Entschlüssen im Bund und in Nordrhein-Westfalen an oder verteilt Lob für Extremisten. Doch Göring-Eckardt spricht die Kritik nicht aus, um die Restlaufzeit der eigenen Karriere nicht zu gefährden. Zudem weicht die Vizepräsidentin des Bundestags der Tatsache aus, dass sie hier Extremisten lobt, die mit Steinen und Molotowcocktails nach Polizisten geworfen haben. Göring-Eckardt lebt grüne Verlogenheit in Reinkultur vor.
Wer die grüne Blase verlässt, erlebt Kritik an dieser Doppelmoral. So schreibt der bayerische FDP-Chef Martin Hagen auf Twitter: „In #Lützerath protestieren grüne Aktivisten gewaltsam gegen den Kohle-Deal grüner Minister, der notwendig ist, weil die grüne Basis auf dem Atomausstieg beharrt. Politische Schizophrenie par excellence.“
Ein anderer Tweet zeigt auf, worum es bei dem Dorf Lützerath wirklich geht: Ein ländlicher Weiler mit wenigen Häusern, der weg muss, damit Deutschland 2023 oder 2024 keinen Blackout erlebt – als Folge anderer grüner Beschlüsse.
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