Tichys Einblick
Staatlich verordneter Kulturschwund

Grüne Kreuze – Landwirtschaft vor dem Aus?

Auf vielen Feldern protestieren Landwirte mit grünen Kreuzen gegen das »Agrarpaket« von Bundeslandwirtschaft- und Umweltministerium. Eine Aktion, die von »Bauer Willi« initiiert wurde und bereits eine breite Aufmerksamkeit hervorgerufen hat.

Die letzte Kneipe macht im Jahre 2034 zu, 2036 gibt der letzte Bauer seinen Hof auf, 2037 schließt der letzte Fleischerhandwerksbetrieb, 2039 macht der letzte Bäckerhandwerksbetrieb dicht. Diese Rechnung macht der Bundesverband der Regionalbewegung (BRB) auf. Er bezieht sich dabei auf Angaben des Statistischen Bundesamtes, nach denen das Sterben von Bäckereibetrieben, Metzgereien, Gastwirten und Bauern dramatische Formen angenommen hat, und rechnet diese Daten hoch. Denn in den vergangenen 20 Jahren hat sich die Zahl der Bäckerhandwerksbetriebe nahezu halbiert ebenso wie im Fleischerhandwerk. Die Gastwirtschaften sind mit einem Rückgang von 59 Prozent von 1998 bis 2018 besonders betroffen.

Es ist nicht nur ein heftiger Preiskampf, der die kleinen Betriebe aufgeben läßt; vielmehr treibt sie eine ungeheure Flut an immer neuen Verordnungen und neuer Bürokratie mit in den Ruin. Während größere Betriebe sich eigene Abteilungen mit Bürokratie-Spezialisten aufbauen, können das kleine Betriebe immer weniger. Eine neue Verordnung jagt die nächste, übertriebene Dokumentationspflichten treiben die Landwirte aus den Traktorsitzen auf die Bürostühle, kosten Zeit und Geld.

Auf vielen Feldern protestieren Landwirte mit grünen Kreuzen gegen das neue »Agrarpaket«, das Bundeslandwirtschaft- und Umweltministerium Anfang September auf den Weg gebracht haben. Eine Aktion, die von »Bauer Willi« initiiert wurde und bereits eine breite Aufmerksamkeit hervorgerufen hat.

Die Landwirte stehen vor einer weiteren umfangreichen Verbotspalette. Denn der sogenannte »Agrarpakt«, der von Umweltministerium, NGOs jedoch ohne die Bauern geschlossen wurde, sieht unter dem Deckmantel »Umweltschutz« eine Reihe von heftigen Einschränkungen für ihren Betrieb vor. Der Einsatz von Unkraut- und Schädlingsbekämpfungsmitteln soll stark eingeschränkt werden. Komplett verboten werden sollen Pflanzenschutzmitteln entlang von Gewässern. Das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat soll sowieso ab 2023 verboten werden.

Legendär die schrillen »Verbieten«-Rufe von Umweltministerin Schulze, die bedauerte, dass Glyphosat in Deutschland erst ab 2023 verboten werden könne, weil das wichtige Unkrautbekämpfungsmittel bis 2022 noch von der EU genehmigt worden ist. Es gibt immer noch keinerlei Beweis, dass es gesundheitsschädlich ist.
Landwirte haben bereits mit den verschärften Regeln einer neuen Düngeverordnung zu kämpfen. Die soll im kommenden April 2020 in Kraft gesetzt werden und sieht eine starke Begrenzung flüssiger organischer Düngemittel auf Grünland vor.

Außerdem sollen die Sperrzeiten erheblich verlängert werden, in denen keine Gülle ausgebracht werden darf. Landwirte werden mit einer Aufzeichnungspflicht der tatsächlich ausgebrachten Düngermengen belegt, wobei falsche oder unvollständige Aufzeichnung dann mit bis zu 50.000 Euro statt bisher 10.000 Euro bestraft werden soll. Ihnen drohen durch die neuen Auflagen erhebliche Ertragsverluste.

Vorwiegend um das angeblich gefährdete Grundwasser zu schützen. Doch dünn ist die Faktenlage, wie Agrarstatistiker Georg Keckl immer wieder nachgewiesen hat.

Das bedeutet im übrigen, dass sich in der langen Sperrzeit, in der Gülle nicht ausgebracht werden darf, die Mengen in erheblichem Umfang ansammeln.
Der Deutsche Bauernverband hat eine grundlegende Überarbeitung der Pläne der Bundesregierung zum Insektenschutz gefordert. Nach ersten Schätzungen können die Landwirte danach mehr als 2,3 Millionen Hektar nur sehr eingeschränkt bewirtschaften.

Klar ist, dass diese grünen Restriktionen die Landwirtschaft hierzulande weiter ruinieren werden. Das Höfesterben wird sich beschleunigen. Nach Energiewirtschaft und Autoindustrie ist die Landwirtschaft das dritte Bein, an das die Axt gelegt werden soll. Qualität und Quantität der Ernten hierzulande werden unter dem Druck unsinniger Vorschriften abnehmen, der Vorsprung der einheimischen Landwirtschaft schwindet und die Vorrangstellung verlagert sich langsam auf Länder wie die Ukraine, die bereits jetzt die EU mit großen Mengen an Futterweizen beliefert. Bisher verliefen die Warenströme umgekehrt. USA, EU und Kanada waren die wichtigsten Exporteure. Doch mit moderner Technik und Züchtungsfortschritten können Ukraine, Kasachstan und Russland mehr wertvolleres Brotgetreide anbauen und auch liefern. »Innerhalb nur eines Jahrzehnts hat sich der globale Getreidehandel grundlegeng gewandelt«, stellen die DLG-Mitteilungen fest. »Neue Kornkammern versorgen die Welt.« Landwirte in der EU werden zu den Verlierern gehören.

Dabei ist eine Landwirtschaft, die für Überschüsse und volle Kornkammern sorgt, Grundlage für jede Kultur. Zur Zeit sind die Supermarktregale gut gefüllt. Doch das ist keine Garantie, dass es immer so bleibt. Wenn erst einmal Ackerböden von Landwirten aufgegeben und sich selbst überlassen werden, wachsen relativ rasch Büsche gefolgt von Bäumen; die Böden sind für den Ackerbau verloren.
Da erscheinen die Proteste deutscher Landwirte mit den grünen Kreuzen allerdings noch sehr »zivilisiert« und harmlos im Vergleich zu dem, was sich im Nachbarland ereignet. In den Niederlanden legten vor kurzem Landwirte mit ihren Traktoren Fernstraßen lahm. Tausende von holländischen Bauern fuhren aus dem gesamten Land nach Den Haag blockierten die Straßen. Mehr als 1000 Kilometer lang sollen die Staus gewesen sein. Ein Anfang, der an die frühen Bauernproteste in Brüssel erinnerte.

Auch die niederländischen Landwirte sind von einer Reihe von Verschärfungen und neuen Auflagen bedroht, die den Betrieb ihrer Höfe zunehmend unwirtschaftlich machen. Außerdem wird ihnen vorgeworfen, wesentlich am sogenannten »menschengemachten Klimawandel« und einem angeblich zu hohen Stickstoffausstoß verantwortlich zu sein. Der sonst sehr auf Konsens bedachte Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, hält solche Demonstrationen unter anderem wegen »Aktionsplanes Insektenschutz« auch in Deutschland für möglich. Rukwied: »Wir schließen nicht aus, dass auch deutsche Bauern ihren aufgestauten Unmut in dieser Form ausdrücken. Sofern solche Proteste gewaltfrei bleiben, würden wir diese auch unterstützen.«

Anzeige
Die mobile Version verlassen