Tichys Einblick
Grüne Klimapolitik

Keine Alternative zur Öko-Diktatur?

Eine Studie renommierter Forscher berechnet die immensen Kosten und problematischen Folgen grüner Klimapolitik. Ist diese Politik auf demokratischem Wege überhaupt durchsetzbar oder die Öko-Diktatur alternativlos?

imago images / Stefan Zeitz

Der ehemalige grüne Umweltsenator der Hansestadt Hamburg, Fritz Vahrenholt, hat anhand der Ergebnisse einer Studie von drei renommierten natur- und technikwissenschaftlichen Akademien über die Energiesysteme der Zukunft jüngst in der Weltwoche einige Voraussetzungen und Folgen der geplanten drastischen Reduzierung der CO2-Erzeugung bis ins Jahr 2050 dargestellt. Demnach müsste für eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes um 90 Prozent, bei anhaltendem Verzicht auf die Kernenergie, die derzeitige Kapazität der Windkraft- und Photovoltaikanlagen versiebenfacht werden.

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Praktisch bedeutet dies laut Vahrenholt: „Wir haben heute etwa 28.000 Windkraftanlagen mit einer Kapazität von 57.000 Megawatt und 46.000 Megawatt Photovoltaik. Eine Versiebenfachung der Photovoltaikfläche würde fast alle in Deutschland möglichen Dach-Fassaden- und andere Siedlungsflächen erfassen. Eine Versiebenfachung der Kapazität der Windenergieanlagen würde selbst bei Verdopplung der Kapazität der einzelnen Anlagen Deutschland verändern. Alle 1,5 Kilometer würde eine 200 m hohe 3-5-MW-Anlage stehen.“

Hinzu kämen immense zusätzliche Kosten einer 90-Prozent-Dekarbonisierung. Sie würde laut der Forscher insgesamt 4.600 Milliarden EURO, d.h. jährlich 153 Milliarden EURO betragen. Bei 40 Millionen Haushalten in Deutschland müsste jeder Haushalt monatliche Zusatzkosten in Höhe von 320 EURO finanzieren. Soll die Forderung einer 100-Prozent-Dekarbonierung bis ins Jahr 2035, wie sie die Fridays-for-Future-Demonstranten und deren Unterstützer in Politik und Medien vertreten, realisiert werden, stiegen diese Kosten auf das Doppelte, nämlich 640 Euro pro Monat.

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Vahrenholt stellt angesichts solcher Aussichten zurecht nicht nur die extremistischen klimapolitischen Ziele der neu entflammten Ökobewegung, sondern auch die weniger extremen Ziele der Regierung in Frage. Er plädiert für mehr Ruhe, Zeit und Gelassenheit beim auch von ihm geforderten Komplett-Ausstieg aus den fossilen Energien, der seiner Meinung nach allerdings ohne die Kernenergie nicht sozialverträglich zu bekommen ist. Die von ihm herangezogene Studie wirft aber nicht nur die Frage auf, wie folgenreich und wünschbar die Umsetzung der von den Forschern beschriebenen energiepolitischen Maßnahmen sind. Das in zwölf Punkten ausgeführte Fazit der Forscher lässt auch die Frage unbeantwortet, auf welchem politischen Weg die von ihnen skizzierten Maßnahmen realisiert werden können.

Das Fazit ihrer Studie lautet, die deutsche Politik müsse zur Erreichung der vom Pariser Klimaabkommen vorgegebenen Ziele eine „systemische Betrachtung und ganzheitliche Optimierung des Energiesystems“ vornehmen. Notwendig sei hierfür ein „Umbau beziehungsweise eine Weiterentwicklung der regulatorischen Rahmenbedingungen. Insbesondere müssen die Sektoren Strom, Wärme und Verkehr gekoppelt und gemeinsam optimiert werden.“ Ohne ein solches Vorgehen, das die Forscher „Sektorkoppelung“ nennen, bleibe es dabei, „dass die meisten Einzelziele der Energiewende teilweise sehr signifikant verfehlt werden.“ Gleichzeitig weisen sie darauf hin, dass zum Beispiel eine Versiebenfachung der heutigen Windanlagen Akzeptanzprobleme in der Bevölkerung schaffen würden, die „eine große Herausforderung“ für die Politik seien. Der notwendige „Umbau des bisherigen regulatorischen Rahmens“ und die dafür „erforderlichen demokratischen Prozesse“ seien aufwendig und zeitintensiv. Sie müssten „zeitnah auf den Weg gebracht“ werden, da „die Bürgerinnen und Bürger eingebunden und überzeugt werden“ müssten.

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Das klingt gut und rekurriert auf das partizipative Prinzip des modernen Change Management aus der Welt großer Unternehmen, das inzwischen auch zum Credo der politischen Parteien, allen voran der Grünen geworden ist. Die Botschaft lautet: man müsse aus Betroffenen Beteiligte machen, indem man Mitarbeiter/Bürger bei anstehenden Veränderungsprozessen abhole und mitnehme. So ließen sich Widerstände seitens der Mitarbeiter/Bürger eindämmen und brechen. Seit den EU-Wahlen stehen in diesem Zusammenhang insbesondere die Bürger der neuen Bundesländer im Focus, haben sich diese durch ihr jüngstes mehrheitliches Wahlverhalten doch gegenüber der grünen Klimarettung als besonders störrisch erwiesen. Womit ist da noch zu rechnen, wenn erst die Windräder im Osten aus dem Boden schießen sollten und die Strompreise noch weiter steigen? Kommt es zu einer Gelbwesten-Bewegung nach französischem Vorbild?

Nicht nur die Grünen haben sich daher vorgenommen, die Bürger noch stärker an der Umsetzung ihrer Klimapolitik zu beteiligen. Was aber, wenn sich beim „Abholen und Mitnehmen“ der Bürgerinnen und Bürger nicht nur in den neuen Bundesländern herausstellen sollte, dass selbst diejenigen von ihnen, die die grünen klima- und energiepolitischen Ziele teilen oder ihnen zumindest nicht offen widersprechen, von den mit ihrer Realisierung einhergehenden Folgen für ihre Geldbeutel und ihr Lebensumfeld möglichst verschont bleiben wollen – ganz zu schweigen von denen, die schon die Ziele ohnehin für falsch halten? Wie also umgehen mit den neuen, um sich greifenden Bürgerinitiativen, die sich trotz aller Einbinderei nicht nur Windrädern und Strommasten in den Weg stellen. Und wie umgehen mit den Wählern einer Partei, die sich den klimapolitischen Zielen der etablierten Parteien ausdrücklich widersetzt?

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In den Unternehmen wird mit anhaltenden Widerständlern in aller Regel kurzer Prozess gemacht, indem sie kaltgestellt oder „outgesourct“ und (soweit finanziell möglich) mit Geld ruhiggestellt werden. Das ist zwar auch dort keine Garantie dafür, dass der Veränderungsprozess letztlich von Erfolg gekrönt ist. Der offene Widerstand wird nicht selten still fortgeführt, was häufig in einen zeitaufwendigen und kräftezehrenden Grabenkrieg zwischen Unternehmensleitung und Mannschaft mündet. Gleichwohl kann eine Unternehmensleitung, die eine bestimmte Veränderung will, dies aufgrund ihrer formal Weisungsbefugnisse auch gegen den Widerstand von kleinen oder selbst auch großen Teilen ihrer (Führungs-)Mannschaft tun und den Vollzug der geplanten Veränderung top down anordnen.

Legitimiert wird ein solches Diktat mit der Verantwortung der Unternehmensleitung für den zukünftigen Bestand und Erfolg des Unternehmens. Dieser gilt aus Sicht der Leitung als gefährdet, wenn die geplante Veränderung nicht vollzogen werden kann. Im Falle der Klimapolitik können die verantwortlichen Parteien zwar nicht in dieser Weise diktatorisch verfahren, inzwischen tauchen aber vermehrt ähnliche Legitimationsmuster auf, wenn mit großem Nachdruck darauf abgehoben wird, der Bestand des Lebens auf der Erde sei gefährdet, wenn die Ziele des Pariser Klimaabkommens nicht bis zu einem bestimmten Zeitpunkt erreicht seien. Kritiker dieser Ziele, allen voran Donald Trump, gefährdeten somit die ganze Menschheit. Müssten unter diesen Umständen die für die Zielrealisierung erforderlichen Maßnahmen nicht gegen allen ketzerischen Widerstand diktatorisch durchgesetzt werden, wenn er sich nicht mittels Partizipation brechen läßt?

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Im grünen Diskurs um die Klima- und Energiepolitik feiern nicht nur planwirtschaftliche Gedanken und Modelle ein auffallendes Comeback, sondern auch quasi-religiöse apokalyptische Visionen, in deren Vorstellungswelt demokratische Systeme nicht passen. Wo es um Sein oder Nicht-Sein, um Leben oder Tod geht, machen Mehrheitsentscheide keinen Sinn, sind schlimmstenfalls sogar schädlich. Wer sich der Klimarettung in den Weg stellt, hat daher aus der Sicht extrem(istisch)er Klimaretter jegliche Legitimität verloren und gehört politisch möglichst hinter Schloss und Riegel. Sollten sie sich inner- und außerhalb der Parlamente in Deutschland politisch weiter durchsetzen, steht zu befürchten, dass diese Betrachtungsweise weiter um sich greift und das „Abholen und Mitnehmen“ von Bürgern allmählich wieder eher den Sinn bekommen wird, den es in den neuen Bundesländern zu DDR-Zeiten schon einmal hatte.
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