Das Speiseeis ist in Deutschland exorbitant teuer geworden und wird immer unerschwinglicher. Am 1. August 2004 behauptete jedenfalls der damalige Umweltminister Jürgen Trittin in seiner gewohnt kenntnisreichen und der Wahrheit verpflichteten Art anlässlich des Inkrafttretens des fortentwickelten Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG): „Es bleibt dabei, dass die Förderung erneuerbarer Energien einen durchschnittlichen Haushalt nur rund 1 Euro im Monat kostet – so viel wie eine Kugel Eis.“ Ein Blick auf die Energierechnung würde jedem Haushalt zeigen, dass es eben dabei nicht geblieben und wie teuer inzwischen im grünen Deutschland eine Kugel Eis geworden ist.
Der Ausbau der sogenannten Erneuerbaren Energien und der wirtschaftsdesaströse Ausstieg aus der Kernenergie machte Energie zum Inflationstreiber und treibt mit noch offenem Ende die Energiepreise nach oben, sodass sie für die Privathaushalte und für die Unternehmen zur Existenzgefahr werden. Die illusionäre Idee der Vereinigten Grünen von Merkel bis Habeck, Gaskraftwerke als „Brückentechnologie“ für den Ausbau der sogenannten Erneuerbaren Energien zu nutzen, stürzt die Bundesrepublik in die heftigste Krise seit ihrem Bestehen, eine Krise, die alle Bereiche der Gesellschaft erfasst.
Diese Illusion ging von dem Wunschdenken aus, dass billiges Erdgas aus Russland die tatsächlichen Kosten der Energiewende vertuschen würde. Doch selbst als das billige Pipeline-Gas noch frei verfügbar war, stiegen die Energiepreise besorgniserregend. Die Kernenergie galt als Teufelszeug, weshalb aus der Kernenergie – koste es, was es wolle – ausgestiegen wurde, auch aus der Forschung. Eine sachliche Debatte auch wegen des propagandistischen Wirkens der öffentlich-grünen Sender war und ist über die Kernenergie nicht möglich.
In der Berliner Zeitung hat sich nun der Physiker Ulrich Waas, der bis 2021 in einem Ausschuss der Reaktor-Sicherheitskommission tätig war, mit den Behauptungen der Grünen auseinandergesetzt. Der Artikel trägt den vielsagenden Titel: „Die Grünen sind Genies darin, das Volk über die Atomkraft zu täuschen“. Man möchte hinzufügen, nicht nur darin, nein, man könnte zu dem Schluss gelangen, dass die Grünen das politische, das wissenschaftliche, das wirtschaftliche Argument durch moralische Täuschungen, durch Glaubenssätze ersetzt haben.
Brisant sind die Klarstellungen des Physikers allemal, in der Situation, in der wir uns befinden, im besonderen Maße. Der Physiker geht davon aus, dass sich der Strombedarf durch Digitalisierung und E-Mobilisierung, was Waas als Übergang zu „elektrischen Technologien“ beschreibt, verdoppeln bis verdreifachen wird. Für die Umstellung auf die sogenannten Erneuerbaren Energien für die Stromproduktion veranschlagen Optimisten 15, Pessimisten 30 Jahre.
Energiewendeaktivisten wie Rainer Baake, Staatsekretär unter Trittin, und Patrick Graichen, Staatssekretär unter Habeck, wollten massiv Erdgaskraftwerke als „Brückentechnologien“ bauen, weil sie „bis 2035 keine ausreichende Lösung für die großtechnische Speicherung von Energie aus Wind und Sonne“ sahen. Dabei hätten sie nur Annalena Baerbock fragen müssen.
Waas kommt zu dem Schluss: „Deutlich erkennbar wurde zum Ausgleich der Schwankungen im Angebot von Sonne und Wind die Leistung des Kraftwerks im Tagesrhythmus rauf- und runtergefahren, und zwar bis zu einer Spanne von gut 50 Prozent. Wie kann es sein, dass eine Bundesregierung international behauptet, es ginge etwas technisch nicht, was seit Jahren in Deutschland regelmäßig und erfolgreich praktiziert wird? Die Fachwelt in den EU-Ländern hat nur den Kopf geschüttelt.“
Fazit: Sehr wohl können die Kernkraftwerke die Aufgabe der Gaskraftwerke zur Grundlastsicherung übernehmen. Außerdem lassen sich Kernkraftwerke, die vom Netz genommen worden sind, in überschaubarer Zeit wieder hochfahren. Sechs Kernkraftwerke, schreibt der Experte, wären „sofort oder in Kürze verfügbar“. Waas verweist darauf, dass für die Grünen erstaunlicherweise, wenn es um die Kernkraft geht, die Vermeidung von CO-2 keine Rolle mehr spielt. Im Vergleich mit den Emissionen aus der Kohleverstromung könnten durch den Einsatz von Kernkraftwerken rund 70 Millionen Tonnen CO-2 pro Jahr eingespart werden.
Auch das Argument des vermeintlichen Erlöschens der „Betriebsgenehmigungen am 31.12.2022“ erweist sich bei näherem Hinsehen als Täuschung. In der Änderung des Atomgesetzes im Jahr 2011 steht nichts über das Erlöschen der Betriebsgenehmigung, sondern es „geht nur um die Berechtigung zum Leistungsbetrieb, also zur Stromerzeugung. Dass die Betriebsgenehmigung weiter gilt, bis sie beispielsweise durch eine andere Genehmigung ersetzt ist, wird dann auch in einem Vermerk des BMUV vom 11.06.2022 eingeräumt, mit dem sich die Ministerien gegen die Kritik von Sachkundigen an dem Prüfvermerk zu wehren versuchen.“
Der Experte kommt zu dem Schluss: „Da die Betriebsgenehmigungen somit weiter gelten und nur bezüglich der Stromerzeugung eingeschränkt wurden, besteht bei fachlich versierten, unabhängigen Juristen Konsens, dass der Bundestag, der mit einem Gesetz eine Frist für die Stromerzeugung gesetzt hat, ebenfalls mit einem einfachen Gesetz die Frist für die Stromerzeugung verlängern kann. Ein Gesetz mit solch geringem Regelungsumfang ist erfahrungsgemäß innerhalb weniger Wochen machbar, wenn der politische Wille vorhanden ist.“
Kommen wir zu Habecks hübscher Sicherheitsprüfung. In einer Stellungnahme seines Ministeriums heißt es: „Die Sicherheitsüberprüfungen sind in Deutschland ein über Jahre währender Prozess, in dessen Verlauf erkanntes Verbesserungspotenzial laufend umgesetzt wird. Da die Atomkraftwerke in den letzten Jahren zwar alle regulären Prüfungen der Komponenten durchgeführt haben, aber eine grundlegende Sicherheitsanalyse und Überprüfung der Störfallszenarien anhand des neuen Regelwerks von 2012 weitgehend unterblieben ist, sind unerkannte Defizite nicht auszuschließen, sodass in der Folge für einen Weiterbetrieb über den 31.12.2022 hinaus Investitionsbedarfe in die Sicherheitstechnik ebenfalls nicht auszuschließen sind.“
Mit einer Mischung aus Un- und Halbwahrheiten und einer mehr als hanebüchenen Gefahrenprojektion, die nichts mit dem Blick in die Praxis und alles mit dem steten Blick auf die grüne Glaskugel zu tun hat, werden hier Sicherheitsbedenken konstruiert, die schlicht gegenstandslos sind, wie Ulrich Waas im Einzelnen nachweist, bevor er zu dem Schluss kommt: „Insgesamt liegen somit zahlreiche aktuelle Kenntnisse zu den sicherheitsrelevanten Fragen vor, um vor Ende des Jahres eine belastbare Stellungnahme zu erarbeiten, ob eventuell doch sicherheitstechnische Gründe gegen einen Weiterbetrieb sprechen könnten. Damit wäre zumindest der für eine Entscheidung zum Weiterbetrieb interessante Kern einer Periodischen Sicherheitsüberprüfung abgedeckt. Dies müsste von der Bundesregierung nur gewollt und kurzfristig bei den dafür vorgesehenen Institutionen beauftragt werden. Bisher wurden sie vom Bundesumweltministerium jedoch nicht befragt.“ Ein Schelm, wer Arges denkt, warum Habecks Ministerium die Prüfung von Fachleuten nicht einholt, sondern hausintern werkeln lässt.
Am 31. Juli 2022 lässt – ungewollt natürlich – der Präsident des Bundesamtes für die Sicherheit in der Entsorgung, Wolfram König, die Wahrheit erkennen, wenn er einräumt, dass der Entschluss zu einer Laufzeitverlängerung den „mühsam errungenen gesellschaftlichen Konsens“ zur Standortsuche für ein Endlager auch grundsätzlich infrage stellen würde. Bitter kommentiert Waas: „Aus Königs Sicht darf es ein Endlager also allenfalls dann geben, wenn alle Kernkraftwerke endgültig abgeschaltet sind.“
Zu Wolfram König, der Parteimitglied der Grünen ist, muss man wissen, dass der Präsident des Bundesamtes für die Sicherheit in der Entsorgung Diplom-Ingenieur für Architektur und Stadtentwicklung, also kein Fachmann ist. Aus politischen Gründen wurde 2006 ein Laie und vor allem Kernkraftgegner zum Präsidenten des Amtes ernannt, man könnte auch sagen, dass der Bock zum Gärtner gemacht wurde. An der deutschen Energiekatastrophe hat König einen nicht unbedeutenden Anteil.
Wie immer man auch zur Kernkraft stehen mag, eines wird immer deutlicher, dass Robert Habeck nicht an einer sachlichen Debatte interessiert ist, dass seine Behauptungen den Praxistest nicht bestehen, sondern letztlich Produkte einer blühenden Phantasie sind – nur dass die Fragen zu seriös sind, als dass man so leichtfertig mit ihnen umgehen darf, indem man sie als simples Marketing-Problem behandelt. Politik ist nicht nur Kommunikation, Politik ist gelegentlich auch Sachverstand. Ihre Voraussetzung besteht in der Betrachtung der Wirklichkeit – und Positives ist Robert Habeck in der Wirklichkeit bisher noch nicht gelungen. Auf ihn trifft zu, was Franz Kafka einmal so beschrieb: „Er läuft den Tatsachen nach wie ein Anfänger im Schlittschuhlaufen, der überdies irgendwo übt, wo es verboten ist.“