Tichys Einblick
Offener Brief an Vorsitzende der Grünen

Franziska Brantner schweigt zu ihrem „Verbrechen“

Franziska Brantner hat in Rheinland-Pfalz 2011 das gleiche „Verbrechen“ begangen, für das Marine Le Pen von der Politik ausgeschlossen wird. Die Vorsitzende der Grünen schweigt heute dazu – sie weiß, warum.

IMAGO

Sehr geehrte Frau Brantner, nein. Hochverehrte Vorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, auch nicht. Liebe Franziska, ja, das ist gut. Schließlich waren wir mal in der selben Partei und in der ist es vorgegebener Standard, sich zu duzen. Weil das so schön nach „flachen Hierarchien“ klingt. Ich war ja nie dafür, aber Spielregeln sind Spielregeln und da es in diesem Offenen Brief um unsere gemeinsame Zeit bei den Grünen geht, soll es denn so sein, liebe Franziska. Zumal wir ja damals gemeinsam Wahlkampf gemacht haben. In Rheinland-Pfalz. 2011. Raus aus der Außerparlamentarischen Opposition rein in Landtag und Landesregierung. 15,4 Prozent. Wir können da durchaus stolz drauf sein – auch wenn ein gewisser Anteil an Fukushima ging.

Flach waren die Hierarchien zwar nicht. Natürlich nicht. Sind sie nie. Das ist halt auch nur eine beliebte Lebenslüge. Du warst Abgeordnete im Europaparlament und ich nur der Wahlkreismitarbeiter einer Bundestagsabgeordneten. Viel gesprochen haben wir folglich nicht miteinander. Zu diesem Zweck hast Du deine Mitarbeiterin abgestellt, die … Na ja. Wir wissen beide, wie sie heißt. Sie soll aber nicht öffentlich bloßgestellt werden. Ihr es nicht anzulasten, dass Du sie für Parteiarbeit zweckentfremdet hast. Das ist Deine Schuld. Du weißt schon, warum Du heute so behende dazu schweigst. Da gerade Marine Le Pen wegen der gleichen Schuld vom politischen Betrieb ausgeschlossen wurde und Deine Karriere als Bundesvorsitzende gerade so richtig schön Fahrt aufnimmt.

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2011 haben wir Wahlkampf gemacht. Unter anderem für das Informationsfreiheitsgesetz. Wir wollten, dass die rheinland-pfälzische Regierung fortan transparenter arbeitet. Hach. Die Jugend – und ihre Lebenslügen. Es klingt halt blöd, wenn man offen zugibt, einfach nur mit unterdurchschnittlichem Talent und mangelhafter Berufserfahrung einen überbezahlten Job anzustreben. Blöd gegenüber dem Wähler, den Freunden oder den eigenen Eltern. Da redet man sich doch lieber selbst ein, man sei ein Social Warrior, der dafür kämpfe, dass Mächtige ihr Tun transparent machen müssen. Damit erträgt sich das eigene Spiegelbild jeden Morgen und Abend viel besser.

Nun lässt Du Fragen unbeantwortet, warum Du damals Deine Mitarbeiterin für Parteiarbeit abgestellt hast. Obwohl Du genau wusstest, dass Du das nicht durftest. Konkret lauteten die Fragen: „Warum hat Frau Brantner im besagten Wahlkampf eine Mitarbeiterin für die Arbeit des Landesverbandes Grüne Rheinland-Pfalz abgestellt?“ „Wie hat sie sichergestellt, dass es nicht zu einer illegalen Querfinanzierung kommt?“ Und: „Welche Tätigkeit hat besagte Mitarbeiterin für besagten Landesverband ausgeübt?“ Gerichtet sind diese Fragen an Dein Team im Bundestag. Es dürfte antworten. Es wäre sein Job. Anders als 2011, als Du eine Mitarbeiterin für Parteiarbeit abgestellt hast. Im Wahlkampf.

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Ich könnte jetzt sagen, dass ich von Dir enttäuscht bin. Weil wir gemeinsam – Seit‘ an Seit‘ quasi – für die Informationsfreiheit gekämpft haben und Du nun kritische Presse-Anfragen nicht beantwortet hast. Aber dann müsste ich mich in Dir getäuscht haben. Und auch wenn das jetzt nur wenig bescheiden klingt: So dumm war ich nie, das Geschwätz von der Informationsfreiheit ernst zu nehmen. Mir war immer klar, dass das nur Oppositionsgetöse war und keine Anwendung finden sollte, wenn man selber an der Macht ist. Dank unseres gemeinsamen Wahlkampfs kamen die Grünen ja in die Regierung und wie sie dort die Informationsfreiheit umsetzten, taugt bestenfalls als Witz.

Du baust jetzt drauf, dass Medien und Staatsanwaltschaft Dir die Zweckentfremdung einer Mitarbeiterin durchgehen lassen. Anders als bei Marine Le Pen. Bei Dir ist das kein Verbrechen. Bei Dir ist es Teil des Kampfs gegen Klimaleugner, Nazis, Covidioten, Rechtsextremisten, Putin-Trolle, Hetzer oder mit welchen Beiwörtern Ihr Eure politischen Gegner sonst noch gesellschaftlich tötet. Du kannst Dir immer noch einreden, dass Du keinen Missbrauch begangen hast, sondern lediglich für das Schöne und Gute gekämpft hast. Ich würde es Dir gönnen, wenn wenigstens Du Dir das glaubst. Abends vor dem Spiegel. Oder wenigstens morgens.

Immerhin geht Dein Plan ja auf. Wenigstens das. Medien und Staatsanwaltschaft lassen Dich in Ruhe. Die einen sind den Grünen in einer Art Selbstnarkose hörig. Hoffen wir es zumindest. Würden sie mit Vorsatz handeln, wären sie eine korrupte Bande. Die anderen werden von der herrschenden Politik eingesetzt und befördert – und verfolgen daher nur die oppositionelle Politik. Du bist also sicher, Franziska. Vor Medien und Staatsanwaltschaft. Herzlichen Glückwünsch. Aber nicht vor Deinem Spiegelbild. Das musst Du schon selbst von deiner Existenz als Social Warrior überzeugen. Da kann Dir wirklich keiner helfen. Da musst Du allein durch.

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