Tichys Einblick
Evangelischer Kirchentag

Warum nicht gleich eine Fusion von Grünen und Evangelischer Kirche?

Es ist seit Jahren offenbar: Wer auf einen Evangelischen Kirchentag geht, der kann auch auf einen grünen Parteitag gehen. Oder sich eines von beiden sparen.

IMAGO/epd

Alle heilige (?) Zeit tun wir uns das grimmige Vergnügen an und streifen (digital) durch das Programm des jeweils stattfindenden Evangelischen Kirchentages. Den letzten evangelischen Live-Kirchentag 2019 haben wir ausgelassen, aber über den 2017er „Staatskirchentag“ hatten wir etwas geschrieben. Damals mit Merkel und Obama und Co. www.tichyseinblick.de/kolumnen/josef-kraus-lernen-und-bildung/ekd-staatskirchentag-im-land-der-pastorentochter/ Jetzt tun wir Selbiges wieder, nicht zum Zwecke der Selbstkasteiung, sondern zum hoffentlich ebenfalls grimmigen Vergnügen unserer TE-Leser.

Die Nachrichten von dem derzeit in Nürnberg stattfinden Evangelischen Kirchentag füllen derzeit Zeitungen und Öffentlich-Rechtliche. Der Krieg in der Ukraine gerät vorübergehend in den Hintergrund. Klar, Nürnberg wurde zum Stelldichein aller, die für wichtig gehalten werden oder sich für wichtig halten. Vorne dran drei protokollarische Spitzen des Staates: mit Bundespräsident Steinmeier Nummer 1, mit Kanzler Scholz Nummer 3 und mit dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Harbarth Nummer 5. Dazu ein beachtlicher Teil des Bundeskabinetts, Bayerns Ministerpräsident Söder, viele Abgeordnete aus Bund und Ländern – auch solche, die bei einer Vereidigung das „So wahr mir Gott helfe“ nicht über die Lippen bringen. AfD-Leute sind von einer Mitwirkung grundsätzlich ausgenommen, und auch sonst sind die Podien und Rednerpulte hinsichtlich Bundestags-Parteiprovenienz schief: 9 Mandatsträger der „Grünen“, 6 der FDP, 5 der SPD, 4 der CDU, 3 von der „Linken“. 60.000 Besucher wollen sich das antun (für einen 5-Tage-Ticketpreis von 119 Euro). 2019 waren es 120.000.

Nun haben wir uns also das 522-Seiten-Programmheft diagonal und digital angetan. www.kirchentag.de/programm/pgd/programmsuche Und fromm-naiv, wie wir sind, haben wir unter den mehr als 2.000 Veranstaltungen erst einmal die herausgesucht, wo im Titel „Jesus“ (20mal) oder „Christus“ (36mal) vorkommt. Klar, mehr kann es nun wahrlich nicht sein. Denn die Konkurrenz ist groß, und die Prioritäten sind nun einmal andere: 87mal haben wir Frieden, 71mal Klima, 51mal Rassismus/Rassicm, 33mal Queer, 32mal Gender, 26mal Islam, 21mal Feminismus, 20mal Migration. Der Bauchladen an Themen wird komplettiert mit folgenden Themen: Rechtsextremismus (12mal), Ukraine (9mal), Asyl (6mal) Mittelmeer (nur 5mal!), Afrika (auch nur 5mal, darunter 3mal in Verbindung mit Gospels trotz allgemein üblicher Ächtung von „kultureller Aneignung), Corona (3mal). 1mal (in Worten „einmal“) haben wir das Stichwort „Meinungsfreiheit“ gefunden – und zwar als „politisches Nachgebet.“ Nichts konnten wir finden zu Cancel Culture, Orwell, Linksextremismus, Woke/Wokeness. Und natürlich auch nichts zu den Öffentlich-Rechtlichen. Der abtreibungskritischen „Aktion Lebensrecht für Alle“ (ALfA) hat man eine Teilnahme und einen Stand im Rahmen des „Marktes der Möglichkeiten“ verwehrt.

Dafür haben wir ein paar andere Highlights („Schmankerl“) gefunden: Wenn man 16 Jahre alt ist, kann man ins Theater gehen. Aufgeführt wird „Vulva reloaded – Ein starkes Stück für alle Geschlechter.“ Das „grüne“ Mitglied des Bundestag Tessa Ganserer redet andernorts mit drei anderen über „Trans*Hype! – Echt jetzt“.
FDP-Dame Nicola Beer spricht über „Wir müssen die Demokratie umbauen“. Deutschlands Klima-Ikone Luisa Neubauer diskutiert auf einem Podium über “Wenn Yoga und Tee nicht mehr helfen“. Robert Habeck spricht unter anderem mit Ex-Siemens-Chef und Neubauer-Duz-Freund Joe Kaeser (vulgo: Josef Käser) über das ungewollt passende Thema „Wer hat’s verbockt?“ Baerbock, Deutschlands Außenministerin, stellt sich dem Thema „Werte, Ethik, Interessen: Außenpolitisches Handeln in der Zeitenwende“. Arzt-Comedian von Hirschhausen geht auf musikalische „Klima-Entdeckungsreise“ – um den Hals bestimmt mit einem Stethoskop bewaffnet. Und dann erst die prominenten „Bibelarbeiten“: Steinmeier sinniert nach über „Meine Stunde ist noch nicht da!“ (Joh. 2.1-12). Friedrich Merz über „Die Zeit wird kommen“ (Lukas 17, 20 – 25).

Ja, es ist viel Realsatire im Spiel. Aber es ist viel ernster. Eine solche Kirche muss sich nicht wundern, wenn ihr Mitglieder zu Zigtausenden den Rücken kehren. Eine sich zivilgesellschaftlich gebende Kirche, die sich selbst in „woker“ Akklamations- und Apportierattitüde gleichschaltet, braucht kein Mensch, auch kein Christ. Denn es ist seit Jahren offenbar: Wer auf einen Evangelischen Kirchentag geht, der kann auch auf einen „grünen“ Parteitag gehen. Oder sich eines von beiden sparen. Aber vielleicht steht ja eines Tages bei fortschreitender Schwindsucht beider „Kräfte“ ohnehin eine Bündelung, ja eine Fusion an!?

Und wie steht’s mit Katholikentagen? Die „Katholen“ sind – die vorlauten „Synodalen“ ausgenommen – etwas langsamer. Aber die Katholikentage sind dabei, Boden gutzumachen. In puncto „wokeness“ will man nicht Letzter werden.

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