Tichys Einblick
"Nukleare Option" der Regierenden

Sieben Gründe gegen eine allgemeine Impfpflicht – und warum die Argumente der Befürworter nichts taugen

Der Mediziner Lothar Krimmel fasst Gründe gegen eine allgemeine Impfpflicht zusammen. Sein Fazit: Sie ist verfassungswidrig, hat keinen Nutzen für die Pandemie-Bekämpfung, beschädigt den Präventionsgedanken und führt zur Spaltung der Gesellschaft.

IMAGO / Lobeca

In der kommenden Woche will der Bundestag eine „Orientierungsdebatte“ zur Einführung einer allgemeinen Impfpflicht führen. Doch diese Debatte kann er sich sparen, da bereits sämtliche Argumente auf dem Tisch liegen. Auch das Ergebnis ist bekannt: Eine allgemeine Impfpflicht kann und darf niemals eingeführt werden.

Die sieben wichtigsten Gründe gegen eine allgemeine Impfpflicht:

1) Das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 des Grundgesetzes ist vielleicht das überragende Grundrecht eines freiheitlichen Rechtsstaats. Es hat seinen Niederschlag gefunden im elementarsten Patientenrecht, dass nämlich jeder medizinische Eingriff der Einwilligung des Patienten aufgrund einer „informierten Entscheidung“ bedarf. Eine allgemeine Impfpflicht für alle Erwachsenen wäre daher bereits bei einem „idealen Impfstoff“ mit 100-prozentiger Wirkung und ohne jede Nebenwirkung kaum vorstellbar. Um so mehr gilt dies für die deutlich schlechteren Wirkungs- und Nebenwirkungsprofile der verfügbaren Corona-Impfstoffe.

2) Die Argumente und vor allem die Ängste der „Impfverweigerer“ sind keineswegs so unbegründet, wie die Impfkampagnen dies glauben machen wollen. Bei der Injektion von künstlicher mRNA als Impfstoff handelt es sich um ein revolutionäres Verfahren, das seit weniger als zwei Jahren bekannt ist. Es ist daher absolut nachvollziehbar, dass Menschen, die dem „Team Vorsicht“ angehören, ein Impfangebot nach reiflicher Überlegung ablehnen. Noch gibt es beispielsweise kaum Kinder von mit künstlich hergestellter mRNA behandelten Eltern – geschweige denn, dass man wüsste, ob diese Kinder etwa im Alter von 10 Jahren irgendwelche Auffälligkeiten zeigen. Die Haftung für derartige Nebenwirkungen haben die Impfstoffhersteller in den Lieferverträgen mit den Regierungen daher auch ausdrücklich ausgeschlossen.

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Viele Mediziner haben solche offenen Fragen bisher nicht thematisiert, um die Impfkampagnen nicht zu beeinträchtigen. Aber in einem Land, in dem der amtierende Gesundheitsminister ständig mit theoretischen Restrisiken des Corona-Virus Angst schürt, müssen auch die theoretischen Restrisiken der Corona-Impfung angesprochen werden. Denn vor einer derart massiven Grundrechtsverletzung wie der Einführung einer allgemeinen Impfpflicht muss alles auf den Tisch. Deswegen schadet bereits die bloße Diskussion über die Impfpflicht dem Ziel aller Impfkampagnen.

3) Alle verfügbaren Corona-Impfstoffe sind gemessen an dem Ziel, mit ihnen die Pandemie beenden zu können, katastrophal gescheitert. Weder können sie eine Erkrankung verhindern, noch verhindern sie die Ansteckung weiterer Personen. Im Hinblick auf die gerade auch von der Politik anfangs befeuerten Erwartungen handelt es sich um zweit- bis drittklassige Impfstoffe.

Einen besonders eklatanten Beleg bietet das aktuelle „Bremen-Paradoxon“: Das Bundesland Bremen mit der höchsten Impfquote hat gleichzeitig die höchste Corona-Inzidenz, während Sachsen mit der niedrigsten Impfquote auch die niedrigste Inzidenz aufweist. Es ist daher undenkbar, das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit ausgerechnet in Bezug auf die verfügbaren suboptimalen Impfstoffe auszusetzen.

4) Das von den Befürwortern für diesen März geplante Gesetz über eine allgemeine Impfpflicht würde eine Situation schaffen, die sich weder Franz Kafka noch George Orwell grotesker hätten ausdenken können. Da die verfügbaren Impfstoffe gegen die derzeitige Omikron-Variante wenig wirksam sind und zudem eine Impfpflicht die aktuelle Omikron-Welle nicht mehr erreichen würde, will man ein „Vorratsgesetz“ für die im Herbst erwarteten neuen Varianten und neuen Impfstoffe schaffen. Mit anderen Worten: Man beschließt eine Impfpflicht für ein Virus, das man noch nicht kennt, und für einen Impfstoff, den man noch nicht hat. Geschweige denn, dass man etwas über das zu erwartende Nutzen-Risiko-Verhältnis wüsste, zumal der „neue Impfstoff“ noch gar nicht für die im Herbst erwartete neue Virusvariante entwickelt worden sein kann.

Also man höre und staune: Union und Ampel-Parteien, die in 2020 sich noch eine Woche vor Einführung der Maskenpflicht über die Maskenträger lustig machten und die 2021 zu Beginn der Delta-Welle die Impfzentren geschlossen haben, die wissen 2022 ganz genau, dass es in neun Monaten irgendeine Virusvariante geben wird, gegen die man alle Bürger mit irgendeinem Impfstoff impfen muss.

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Dass das „Scharfstellen“ der Impfpflicht dann ohne weitere parlamentarische Debatte auf dem Verordnungsweg durch den von „Experten“ beratenen Karl Lauterbach erfolgen soll, vermag keineswegs zu beruhigen. Denn die wesentlichen Beratungsgremien haben sich im Verlauf der Pandemie zunehmend delegitimiert: vom gezielt mit zahlreichen No-Covid-Hardlinern besetzten Expertenrat der Bundesregierung und dem über alle Stadien der Pandemie hinweg dauerversagenden Robert-Koch-Institut über den sich geschmeidig den Erwartungen der Regierenden anpassenden Ethikrat bis hin zur einstmals der reinen Wissenschaft verpflichteten Leopoldina. Einzig die Ständige Impfkommission hat bisher allen politischen Einmischungsversuchen und Drohungen widerstanden und die Fahne der Wissenschaft und der Patientensicherheit hochgehalten. Doch es ist fraglich, ob sie dies durchhalten kann oder vielleicht wegen offensichtlicher Unbotmäßigkeit umbesetzt oder gar abgeschafft wird. Denn über allen steht ein Minister, der sich seit Beginn der Pandemie als „Angstmacher der Nation“ profiliert hat und die entsetzlichen Nebenwirkungen seiner Angstkampagnen geflissentlich ignoriert.

5) Eine allgemeine Impfpflicht, die auf einer derart schwachen argumentativen Grundlage steht, wird zwangsläufig zu einer weiteren Spaltung und Radikalisierung der Gesellschaft führen. Dies gilt gerade deswegen, weil das mit Günstlingen des Parteienstaats besetzte Bundesverfassungsgericht sich beim Abendessen im Bundeskanzleramt die Wünsche der Regierenden angehört und ihnen danach eine unverantwortliche Blankovollmacht für ihre irrlichternden Corona-Beschlüsse ausgestellt hat, einschließlich aller bereits im Vorhinein als unzweckmäßig oder unverhältnismäßig erkennbaren Maßnahmen. Für den um seine Grundrechte kämpfenden Bürger ist das Bundesverfassungsgericht seit Beginn der Pandemie „unbekannt verzogen“.

6) Alle erfolgreichen Präventionsmodelle beruhen auf dem Prinzip der Freiwilligkeit. Nur durch Freiwilligkeit ist gewährleistet, dass sich die angesprochenen Menschen für die Argumente der Kampagnen öffnen, das Prinzip der Vorbeugung verinnerlichen und so zum Erfolg der angebotenen Maßnahmen beitragen. Eine allgemeine Impfpflicht bricht auf die denkbar radikalste Weise mit diesem Erfolgsprinzip und nährt grundsätzliche Zweifel an den staatlichen Vorsorge-Angeboten. Sie behindert auf diese Weise nicht nur den Kampf gegen die Corona-Pandemie, sondern beschädigt darüber hinaus ganz allgemein den Präventionsgedanken in der Bevölkerung. Von einem solchen „Impfpflicht-Schock“ wird sich die Vorsorgemedizin in Deutschland über viele Jahre nicht erholen.

7) Um dem Ziel höherer Impfquoten näher zu kommen, sind die verfügbaren grundrechtsschonenden Maßnahmen bislang nicht einmal annähernd ausgeschöpft worden. Dies gilt zum Beispiel für den hohen Anteil Ungeimpfter unter Personen mit Migrationshintergrund. Weil also ein links-grüner Mainstream die spezifischen Probleme migrantischer Milieus nicht adressieren will, sollen alle Bürger mit dem Verlust ihres elementarsten Patientenrechts büßen. Das ist absurd.

Weitere Argumente

Es gibt zahlreiche weitere Argumente gegen eine allgemeine Impfpflicht. Dazu gehören etwa der kontraproduktive Kontroll- und Sanktionsaufwand, die Nutzlosigkeit bei fest überzeugten Verweigerern, die medizinhistorischen Gründe gegen die Impfpflicht oder die Diskussionen und Erfahrungen im Ausland. An dieser Stelle soll jedoch nachfolgend auf die nicht bereits diskutierten Argumente der Befürworter einer allgemeinen Impfpflicht eingegangen werden:

1) Das Hauptargument der Befürworter einer Impfpflicht wird seit geraumer Zeit per Endlos-Schleife von ZDF bis FAZ in allen regierungsnahen Medien verbreitet: Nur durch eine allgemeine Impfpflicht ließe sich die Pandemie beenden und das „normale Leben“ zurückgewinnen. Dabei handelt es sich um ein in beschämender Weise verlogenes Narrativ, das ganz bewusst auf die Täuschung der weniger informierten Bevölkerungskreise zielt.

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"..., weil ich regelmäßig Fälle von durchaus ernsten Impfschäden behandle"
Denn die Pandemie wird nur auf zwei Weisen beendet werden können, am wahrscheinlichsten mit einer Kombination von beiden: Zum einen durch eine allmähliche Wandlung des Virus in Richtung Omikron-artiger Varianten mit hoher Infektiosität bei geringer Gefährlichkeit. Zum anderen durch einen allmählich zunehmenden Immunschutz der Bevölkerung, zu dem die natürlichen Infektionen ebenso beitragen wie die Impfungen. Aber dass man sich mit Impfstoffen, die angesichts der raschen Viruswandlungen ohnehin immer schneller veralten, aus der Pandemie „herausimpfen“ könne, war schon im vergangenen Jahr eine Legende und ist in diesem Jahr eine glatte Fakenews.

Beim Versprechen einer „Rückkehr zum normalen Leben“ kommt hinzu, dass dieses „normale Leben“ seit Beginn der Pandemie gerade von den Bundes- und Landesregierungen durch überzogene Maßnahmen verhindert wurde. Dazu gehören zum Beispiel die Einschränkungen für Hotels, Restaurants und Geschäfte, die Maskenpflicht im Freien oder der Ausschluss negativ Getesteter vom öffentlichen Leben. Es bedarf schon einer enormen Chuzpe, die Rücknahme grundrechtswidriger Drangsalierungen an die Durchsetzung einer massiven Grundrechtsverletzung zu binden.

2) Das immer stärker verbreitete Bild vom vermeintlich harmlosen „Piks“ ist angesichts eines revolutionären Wirkprinzips unter Verwendung künstlicher mRNA absolut deplatziert. Jeder „Piks“ ist eine Körperverletzung, wenn keine rechtswirksame Einwilligung vorliegt. Auch die Injektion tödlichster Substanzen benötigt stets nur einen „Piks“. Mit solchen „Piksen“ wurden im Namen Deutschlands die schrecklichsten Verbrechen der Medizingeschichte begangen.

Dieser verharmlosende Sprachmissbrauch setzt sich fort im irreführenden Vergleich der Nebenwirkungen dieses „Pikses“ mit den Komplikationen einer Corona-Infektion. Denn die Komplikation einer Erkrankung setzt stets eine tatsächliche Infektion voraus, die aber beim „Impfverweigerer“ vielleicht niemals eintritt. Demgegenüber ist der Impfling den möglichen Nebenwirkungen der Impfung immer ausgesetzt.

3) Das in ethischer Hinsicht am meisten verstörende Argument der Impfpflicht-Befürworter ist die angebliche Überlastung von Krankenhäusern und Intensivstationen durch erkrankte „Impfverweigerer“. Bekanntlich waren die den ersten Meldungen zugrundeliegenden Daten über die Anteile von Geimpften und Ungeimpften auf Intensivstationen im Auftrag oder mit Billigung mehrerer Landesregierungen gefälscht worden. Man wollte offenbar vertuschen, dass die verfügbaren Impfungen weit weniger als gehofft vor der Corona-Infektion schützen. Dies gilt noch stärker bei der aktuellen Omikron-Variante, für die eine Impfpflicht jedoch ohnehin zu spät käme. Im Übrigen könnte sowohl jetzt bei Omikron als auch in Zukunft jede drei bis vier Wochen andauernde Welle an gehäuften Krankenhauseinweisungen durch entsprechende organisatorische Vorbereitungen des Medizinbetriebs abgefangen werden, ohne unaufschiebbare andere Behandlungen abweisen zu müssen. Selbst Regionen mit geringerer Impfquote und weniger Intensivkapazitäten wie etwa New York City haben die Omikron-Welle überstanden, ohne überhaupt nur in die Nähe der Kapazitätsgrenzen zu kommen.

Hinzu kommt, dass die Mehrheit der ungeimpften Corona-Patienten auf den Intensivstationen keine „Impfverweigerer“ sind, sondern aus den migrantischen und sozial benachteiligten Milieus stammen, für die der „woke“ links-grüne Mainstream aus Gründen des „Respekts“ keine gezielten Impfkampagnen auflegen wollte.

Besonders perfide ist daher, dass man mit dem verlogenen Narrativ der angeblichen Verstopfung von Behandlungskapazitäten den uninformierten Teil der Bevölkerung gezielt gegen Menschen aufhetzt, die nichts anderes wollen, als ihr Patientenrecht auf eine „informierte Entscheidung“ wahrzunehmen. Diese wahren Volksverhetzer werden von Staatsanwaltschaft und Verfassungsschutz verschont, während man gegen Spaziergänger und Demonstranten, die ihrer Wut und Verzweiflung durch Armbinden mit der Aufschrift „Impfverweigerer“ Ausdruck verleihen, Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung einleitet.

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Bereits ein einfaches Beispiel vermag den komplett irregeleiteten Denkansatz der regierungsnahen Hetzer zu entlarven: So sind Stuhltest und Vorsorge-Koloskopie ohne jeden wissenschaftlichen Zweifel der beste Weg zur Vermeidung der häufigsten Krebsart, nämlich des Dickdarmkrebses. Trotzdem nehmen weniger als 50 Prozent der Berechtigten dieses Angebot wahr. Somit gehen also mehr als 50 Prozent der Bevölkerung ganz bewusst das Risiko der Entwicklung eines unheilbaren Dickdarmkrebses ein. Sie landen dann mit fortgeschrittenen Krebserkrankungen in den Krankenhäusern und blockieren die Operationssäle und Intensivstationen für diejenigen, die sich per Stuhltest und Koloskopie geschützt haben und wegen unvermeidbarer anderer Erkrankungen der ärztlichen Hilfe bedürfen.

Hat trotz dieser eindeutigen Fakten jemals irgendjemand gefordert, etwa eine Koloskopie-Pflicht einzuführen und den 50 Prozent „Dickdarmkrebs-Leugnern“ den Zugang zur Versorgung ihrer Krebserkrankungen abzuschneiden? Natürlich nicht! Diese in höchstem Maße unethische Diskussion wurde ausschließlich von Impfpflicht-Fanatikern zur Durchsetzung ihres verfassungswidrigen Anliegens vom Zaun gebrochen.

Fazit

Es bleibt dabei: Eine allgemeine Impfpflicht ist die „nukleare Option“ der Regierenden. Sie ist im Fall von Corona eindeutig verfassungswidrig, hat keinen Nutzen für die Pandemiebekämpfung, beschädigt statt dessen den Präventionsgedanken und befördert die Spaltung und Radikalisierung der Gesellschaft.

Dr. Lothar Krimmel ist Facharzt für Allgemeinmedizin und hatte über 20 Jahre leitende Positionen in Gesundheitspolitik und Gesundheitswirtschaft inne.

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