Greta Thunberg beweist wieder ihr PR-Genie. Jetzt hat sie sich für ein Gespräch mit einem Forscher im benachbarten Norwegen an der Grenze zwischen ihren beiden Ländern getroffen. Das zeigten Bilder, die Greta auf Twitter und Instagram veröffentlichte. Auf einem der Fotos begrüßten sich die beiden am Grenzübergang Morokulien mit dem jeweiligen rechten Fuß – ohne dafür jedoch das Land des anderen zu betreten. Greta interviewte den Klima- und Umweltwissenschaftler Per Espen Stoknes für eine Doku-Serie der BBC. Weil ihr die Einreise nach Norwegen nicht erlaubt sei, hätten sie und Stoknes sich entschlossen, auf der jeweiligen Seite der schwedisch-norwegischen Grenze zu bleiben.
Greta Thunberg – Meisterin der Selbstvermarktung
Thunberg inszeniert gekonnt ein Interview mit einem norwegischen Klimaforscher - über die schwedisch-norwegische Grenze hinweg. Das ist nur das jüngste Beispiel einer perfekten PR.
Greta Thunberg gehört zweifelsohne zu den Menschen, die eine ungewöhnliche Begabung für Selbstvermarktung haben, wenngleich umstritten bleibt, welchen Anteil sie selbst an der Entwicklung der PR-Strategie hatte und welchen Anteil ihre Mutter sowie PR-Profis hatten. So oder so – man kann viele Gemeinsamkeiten feststellen zwischen Gretas Selbstvermarktungsstrategie und jener der zwölf Personen, die ich in meinem Buch „Die Kunst, berühmt zu werden“ porträtiere.
Äußere Markenzeichen und Positionierung
Wie bei anderen Meistern der Selbstvermarktung hat auch Greta Thunberg die Haare zu ihrem äußeren Markenzeichen gemacht. Was bei Donald Trump die verrückten, goldglänzenden Haare sind, bei Karl Lagerfeld der gepuderte Zopf und bei Albert Einstein das ungekämmte weiße Haar, sind bei ihr die Zöpfe.
Kaum eine Jugendliche mit 17 Jahren hat Zöpfe. Die Zöpfe unterstreichen das Kindliche an ihr, ebenso wie ihre Figur und dass sie sich nicht schminkt. Auch ihr Wutausbruch in der bekannten Rede vor den Vereinten Nationen war Teil dieser Selbststilisierung – sie sprach eher wie ein zorniges Kind als wie ein Erwachsener: ‚How dare you? You have stolen my dreams and my childhood.‘ Das Kindliche ist wichtig, denn sie will ja für die Kinder dieser Welt sprechen, denen die Erwachsenen das Leben und die Zukunft gestohlen haben.
Sie stilisiert sich selbst zur unbeugsamen Idealistin, das ist ihre Positionierung. Ihr Motto könnten die Martin Luther zugeschriebenen Worte sein: „Hier stehe ich. Ich kann nicht anders.“ Selbst ihre härtesten Kritiker halten ihr den Idealismus zugute, so als ob Idealismus etwas Bewundernswertes sei. Schließlich ist die Geschichte voll von Idealisten, die Schlimmes bewirkt haben.
Perfekte PR-Inszenierung
Greta Thunbergs PR-Auftritt ist so perfekt, dass Kritiker in ihr nur das Instrument professioneller PR-Strategen sehen wollen. Dass sie von solchen unterstützt wird, ist unbestreitbar, ob sie von ihnen „gemacht“ wurde oder selbst eine natürliche Begabung für Selbstvermarktung hat, sei dahingestellt. Wahrscheinlich ist es eine Mischung aus beidem.
Jedenfalls produziert sie immer wieder perfekte Bilder für die PR, so als sie zum Klimagipfel der Vereinten Nationen am 23. September 2019 in New York aufbrach, um die Welt vor dem Untergang zu warnen. Um das Klima zu schützen, fliegt sie nicht, sondern segelt mit der Hochseeyacht „Malizia II“ los. Der Nachrichtensender ntv meinte: „Es wird ein bildmächtiges Medienspektakel globaler Dimension: Das zerbrechliche Kind stürzt sich in die Atlantikfluten, um die Apokalypse noch zu verhindern. Titelseiten und Nachrichtenaufmacher sind ihr damit sicher.“
Schwächen zu Stärken umdeuten
Zu einer gekonnten PR-Strategie gehört jedenfalls, dass offensichtliche Schwächen gekonnt in Stärken umgedeutet werden. So wie bei dem Selbstvermarktungs-Genie Stephen Hawking seine Behinderung (ALS) zum Teil seiner Marketing-Strategie wurde (das Cover seines Bestsellers zeigte ihn im Rollstuhl), so macht Greta ihre eigene Behinderung zum Teil der Selbstvermarktung. Bekanntlich leidet sie am Asperger-Syndrom. Sie bekannte selbst: „Ich habe das Asperger-Syndrom und für mich ist beinahe alles schwarz oder weiß.“ Diese Schwäche wird jedoch von ihr und ihren Anhängern als Stärke umgedeutet. „Meine ärztliche Diagnose ist eine Hilfe. Sonst hätte ich wohl einfach so weiter gelebt wie viele andere Menschen”, antwortete sie einem Reporter des Spiegel auf die Frage, ob es kein Hindernis für sie sei, mit dem Asperger-Syndrom zu leben. Auf ihrem Twitterprofil stellte sie sich vor als „15-jährige Klimaaktivistin mit Asperger”.
Das wird zum Teil ihrer Story, die von Medien, die mit ihr sympathisieren, gerne so transportiert wird. Ein Kinder- und Jugendpsychiater erklärt im Interview: „Ohne diese Erkrankung wäre sie nicht so weit gekommen. Normalerweise ist man in der Pubertät nicht auf ein Thema fokussiert, sondern von vielen Einflüssen animiert oder abgelenkt. Greta aber konzentriert sich einzig auf das Thema. Der Mensch weiß um den Klimawandel, macht aber nichts dagegen. Asperger-Betroffene halten keine Widersprüchlichkeit aus, deshalb fehlt ihr dafür jegliches Verständnis. Und deshalb hat sie diese Unbeirrtheit und Hartnäckigkeit.“
Sich mit Prominenten umgeben
Wie auch andere Menschen, die berühmt werden wollen, umgibt sich Greta gerne mit Prominenten. Sie trifft Hollywood-Stars wie Leonardo DiCaprio oder Arnold Schwarzenegger, Staatsmänner wie Barack Obama und andere Prominente aus Wirtschaft, Politik und Showbusiness. Auch das ist eine bewährte Strategie, die von anderen Meistern der Selbstvermarktung – von Andy Warhol und Oprah Winfrey bis zu Kim Kardashian – immer wieder bewusst angewendet wurde, um die eigene Marke zu stärken. Selbst wenn sie jemanden nicht trifft – wie Donald Trump – macht sie eine große PR-Geschichte daraus, dass sie ihn nicht treffen will. Und kaum jemand stört sich daran, dass Trump selbst gar keinem Treffen zugestimmt hätte. So unterschiedlich Trump und Greta auch sind, beide haben als Meister der Selbstvermarktung mehr Gemeinsamkeiten, als man denken sollte.
Gezielte Provokation, Fokus auf PR, die ständig neue Ereignisse und Bilder produziert, die Umdeutung von Schwächen in Stärken als Teil der PR-Story und schließlich die Entwicklung äußerer Markenzeichen (z.B. die Zöpfe) als integraler Teil der Positionierungsstrategie – all dies sind Merkmale einer hochprofessionellen Selbstvermarktung.
Dr. Dr. Rainer Zitelmann ist Historiker und Soziologe und hat soeben sein neuestes Buch veröffentlicht: Die Kunst berühmt zu werden. Genies der Selbstvermarktung von Albert Einstein bis Kim Kardeshian. FBV, 336 Seiten, 24,99.
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