Tichys Einblick
Israelhasser beim ESC

Greta Thunberg: Vom Klima zur Kufiya

Als Klima-Aktivistin begonnen, nun Paradefigur von Israelhassern und Hamas-Sympathisanten: Greta Thunberg ist ein leeres Gefäß der Neuen Linken, das man nach Belieben mit anderen Inhalten füllen kann. Für ihre Fans und Wegbereiter eine mehr als nur peinliche Episode, die sie beschweigen.

IMAGO

Das unschuldige Mädchen gegen die bösen Mächte; die aus höheren Motive handelnde junge Frau; die mittellose Rebellin; es sind Topoi, die in den letzten Jahren massiv an Zugkraft gewonnen haben. Die politische Linke, die den kulturellen Diskurs bestimmt, hatte stets eine Affinität zum Mythos Pippi Langstrumpf. Darin liegt von Anfang an eine Illusion: denn Pippi ist gerade nicht die Protagonistin. Wer lieber Pippi statt Annika sein will, der könnte auch dazu auffordern, lieber im Schlaraffenland statt in Marxloh zu leben. Wer sich kein Pferd leisten kann, soll sich eben ein Pony kaufen.

Nun gab es gleich mehrere Anwärterinnen der Nachfolgerin der Johanna von Orléans. Da wäre etwa Carola Rackete: die todesmutige Skipperin, die sich gegen italienisches Recht und Gesetz stellte, um Migranten nach Europa zu bringen. Sie war ein deutsches Medienphänomen; einem Testlauf nicht unähnlich, inwiefern man linksradikale Ideologie salonfähig machen kann, indem man sie personalisiert. Auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung verklärte sie die italienische Philosophin Donatella Di Cesare gar zu einer Antigone-Gestalt. Dass die Salvini-Antagonistin klare politische Absichten hat, zeigte sich spätestens an ihrer Kandidatur für das EU-Parlament.

Von Rackete ist es zu Luisa Neubauer und Greta Thunberg nicht weit. Allen dreien ist gemein, dass ihr ursprüngliches Thema – bei Rackete die Migration, bei Neubauer und Thunberg der Klimaschutz – auf dem Zenit der jeweilige Karriere nicht nur mit den drei jungen Frauen assoziiert wurden; sie waren „Gesichter“ der jeweiligen Bewegung. Ein Trick der Illusion bestand darin, die jeweilige Person mit dem Thema zu verschmelzen – es ging allen „um die Sache“.

Dabei hätte man schon vorher Zweifel hegen können, ob etwa Rackete und Thunberg nicht vielmehr ein leeres Gefäß waren, in das man jede politische Botschaft hätte einschütten können – schließlich ging es nie in der Diskussion um Argumente, sondern um die jeweilige Tat und das Gefühl dabei. Keine der beiden debattierte; sie forderten, beschuldigten, provozierten, emotionalisierten und brachen teilweise sogar Recht und Gesetz. Die Aushängeschilder der beiden Paradefelder der Neuen Linken – nämlich unbegrenzte Einwanderung und Klimaschutz um jeden Preis – testeten aus, wie weit man gehen konnte. Die Klimaschutzbewegung leistete damit Vorfeldarbeit für den später praktizierten Klimaextremismus der „Letzten Generation“.

Die Radikalität, die keine Themen, sondern lediglich Emotion kannte und Instinkte statt Ratio ansprach – im Übrigen eine Taktik, die man in den Medien stets dem rechten Rand vorwirft, aber in Reinform von eben diesen Aushängeschildern wie ihren politischen Verbündeten über Jahre gepflegt wurden – hätte Medien und Politik von Anfang an verblüffen, ja, alarmieren müssen. Sektenartige Gruppierungen mit Führern, die unantastbare moralische Wahrheiten verkünden, sollten üblicherweise für Irritationen sorgen.

Doch im rauschhaften Reigen der vermeintlich moralisch höherstehenden Ideologie versammelten sich stattdessen Politik und Presse um die Migrations- und Klimagötzen. Insbesondere in Deutschland, wo der Klimakult besonders stark ausgeprägt ist, erkannte man nicht die Zusammenhänge zu Kinderkreuzzug oder Savonarolas Kinderarmee, sondern wollte vielmehr das Kind erkennen, das auf den nackten Kaiser zeigte. Dass der Vergleich schon deswegen fehlging, weil das Kind vom Kaiser – besser gesagt: der Kaiserkanzlerin Angela Merkel – eingeladen wurde, fiel nur den Miesmachern, Querulanten und verkappten Rechtspopulisten auf.

Kurzerhand war Greta-Kritik gleich Greta-Hass und Klimaleugnung. Wie Rackete war Thunberg eine „Rebellin“, der man den Teppich ausrollte. Der Bundestag lobte mehrheitlich die „Fridays For Futures“-Bewegung, Bischöfe erkannten in Greta ein Beispiel und Politiker gingen auf Tuchfühlung. Selbst beim Papst gab es eine Audienz. Dabei stellte kaum jemand eine kritische Frage dazu, wer in Wirklichkeit Greta kontrollierte. Dass Thunberg etwa eine kernkraftfreundliche Aussage nach kurzer Zeit revidieren musste, weckte bei manchem den Verdacht, dass mancherlei doch zu sehr nach Inszenierung wirkte. Einige unterstellten ihr gar intellektuellen Tiefgang und Weitsicht auf der Ebene eine Harvard-Professorin (was, zugegebenermaßen, heute einen ganz anderen Klang hat).

Bereits seit einigen Monaten zeichnet sich ab, dass die Klimaschutzbewegung in der Krise ist. Firmen wollen nicht mehr in den grünen Markt investieren, die USA verschieben ihre Verkehrswende, E-Autos liegen wie Blei beim Händler und selbst der Green Deal oder das Verbrenner-Aus könnten in dieser Form nicht mehr kommen. Die „Letzte Generation“ verbrennt als Strohfeuer und der Zenit der FFF-Demos ist längst überschritten. Doch leere Gefäße haben den Vorteil, dass man sie neu füllen kann. Rackete wirbt heute für die Linken im Europa-Wahlkampf für die ökosozialistische Landwirtschaft. Und Thunberg?

Ein Oktopus war der Stein des Anstoßes. Der Stoffkrake im Zusammenhang mit antiisraelischen Äußerungen weckten den bösen Verdacht, dass das neue Themenfeld der Klima-Anführerin in der Grauzone zwischen Antizionismus und Antisemitismus zu verorten war: galt doch der Krake in Szenekreisen als Symbol des „jüdischen Kraken“, der die Welt im Griff hält. Es geschah das, was schon bei der Kernkraftposition geschah: ein Missverständnis, Beitrag gelöscht. Doch die Palästina-Affinität blieb. Tendenz: steigend.

Nun rieben sich zwar die ersten Beteiligten die Augen: war das immer noch die heißverehrte Klima-Greta? Und was bedeutete das eigentlich für Journalisten und Politiker, die sie hochgeschrieben und hochgelobt hatten? Bekanntlich ist die Förderung von Antisemiten in der Darstellung der Presse eine genuine Veranstaltung der Rechten. Doch nun vermischte sich der fruchtbare Humus aus linkradikalem und islamischem Antisemitismus. Die Frage, wer eigentlich für den Aufstieg Thunbergs verantwortlich ist, rückt seitdem spürbar in den Hintergrund. Im Nachhinein möchte keiner etwas gewusst haben, keiner es gewesen sein. Auch das kennt man im psychologischen Prozess des dunklen Erwachens.

Nun also Malmö. Die südschwedische Hafenstadt wird zu einem Kulminationspunkt. Ein im Grunde harmloser wie langweiliger Pop- und Schlagerwettbewerb, der seit Stefan Raabs Rente noch belangloser und öder geworden ist, als er es sowieso schon war, wird plötzlich zum medialen Großereignis aufgebauscht. Israel, Palästina, der Gaza-Krieg stehen im Vordergrund. Weil es „doppelmoralisch“ sei, wenn Russland sanktioniert würde, Israel aber nicht. Die Schutzbehauptungen werden immer kreativer: um Hass und Zerstörungswut zu legitimieren, reicht nunmehr die Teilnahme beim Eurovision Song Contest. Mit derselben Logik könnte man einen deutschen Mob in den Malmöer Straßen rechtfertigen, schließlich geht Deutschland seit Jahren demonstrativ leer aus.

Mittendrin in der Melange aus Sicherheitskräften, Israelhassern, „from the river to the sea“-Brüllern und Extremisten: die einst holde Jungfrau Greta Thunberg. Bereits im Januar hatte ihre Mutter und ehemalige ESC-Teilnehmerin Malena Ermann gefordert, dass der ESC Israel boykottieren solle. Thunberg war da bereits längst auf Anti-Israel-Demos gesichtet worden, wo sie – ganz im Einklang mit ihrer Organisation – den „Genozid“ in Gaza anprangerte. Über die Opfer des Hamas-Massakers hat Greta bis heute so gut wie kein Wort verloren. Stattdessen durfte im November eine Palästinenserin an ihrer Seite sprechen, die lediglich vom „palästinensischen Widerstand“ sprach und dass die Palästinenser nun „ausbrechen“ würden.

Am Ende ihrer bisherigen Karriere steht sie mit Palästinensertuch im Sprechchor der sog. „Aktivisten“, die den Hamas-Führer anfeuerten („Israel ist ein Mörder! Sinwar, wir werden dich nicht sterben lassen!“) oder die Juden dazu aufforderten nach Polen „zurückzukehren“.

Angesichts des historischen jüdischen Leidens im Zweiten Weltkrieg gerade in diesem Land eine mehr als geschmacklose Forderung, bei der man sich die Frage stellen könnte: Wie konnte das passieren? Vielleicht kann man es aber auch auf eine linke Formel runterbrechen: Sowas kommt von sowas.

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