Tichys Einblick
Graichens Skandalwirtschaft

Wozu Graichen seinen Trauzeugen als Chef der Deutschen Energieagentur gebraucht hätte

Staatssekretär Graichen wollte 60 Mitarbeiter am Bundestag vorbei ins Wirtschaftsministerium schleusen – durch die Hintertür. Dafür bat er die Deutsche Energieagentur (dena), diese Mitarbeiter dem Ministerium zur Verfügung zu stellen. Der Coup scheiterte wohl an Bedenken der dena.

IMAGO / Jürgen Heinrich

Man ist vom Graichen-Ministerium schon einiges gewohnt, doch jetzt wird ein Vorgang öffentlich, bei dem sich die Frage stellt, ob die Berufung von Graichens Trauzeugen aufgrund einer Niederlage erfolgte, um künftig solchen Widerstand auszuschließen. Ob die Berufung sehr konkret dem Zweck dient, ein Netz der eigenen Macht über Behörden und bundeseigene Unternehmen zu weben. Eines muss man Patrick Graichen jedoch lassen: Es ist ihm bereits gelungen, das Ansehen des ehrwürdigen Bundeswirtschaftsministeriums – das trotz Altmaiers Versagen und Altmaiers haltlosen Träumereien von einem grünen Wirtschaftsbonapartismus immer noch eine gewisse Restaura von Ludwig Erhard umwehte – in anderthalb Jahren komplett herunterzuwirtschaften.

Grüne bekommen eben alles kaputt, die natürliche Autorität der Staatsorgane, die Kultur, die Demokratie, den Wohlstand, die Energiesicherheit, die Bezahlbarkeit von Energie und Lebensmitteln, das Wohneigentum der sogenannten „kleinen Leute“ und der Mittelschicht, den Wirtschaftsstandort sowie schließlich auch das Ansehen des Wirtschaftsministeriums. Niemand sollte ihre Destruktivkraft unterschätzen. Die Worte „Bundeswirtschaftsministerium“ und „Clan-Strukturen“ trennt kein Atemzug mehr voneinander.

Kein „Missgeschick“ oder „Fehler“ – sondern eiskaltes Kalkül

Jeder Blick hinter die Kulissen des Habeck- und Graichen-Ministeriums, abgekürzt: Habeck and friends, bringt einen neuen Skandal ans Licht. Was das betrifft, gebührt Patrick Graichen ein Fleißpreis. Hatte sich alle Welt gewundert, weshalb Habecks wichtigster Staatssekretär ausgerechnet seinen Trauzeugen zum Chef des bundeseigenen Unternehmens Deutsche Energieagentur (dena) machen wollte, findet sich des Rätsels Lösung in einem vermutlich weiteren Skandal. Dass Patrick Graichen mindestens beteiligt war an der Nominierung seines Freundes und Trauzeugen Michael Schäfer zum Chef der dena in der dreiköpfigen Findungskommission, waren eben nicht nur ein „Missgeschick“ und ein „Fehler“, wie Habeck, Trittin und all die guten Deindustrialisierungsgrünen es uns weismachen wollen, sondern es war eiskaltes Kalkül.

Es muss demokratisch aussehen:
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Als Annalena Baerbock so großsprecherisch, wie kenntnis- und ahnungslos zum Milliarden-Schaden für die deutsche Wirtschaft und die deutschen Bürger im Frühjahr 2022 in Riga verkündet hatte, dass man kein Erdgas und kein Erdöl mehr aus Russland beziehen wollte, hatte sie in ihrer Parteitagsredenseligkeit nicht auch nur im Mindesten zuvor darüber nachgedacht, woher dann das Erdgas und das Erdöl kommen würde, das Deutschland so dringend benötigt. Während auch der Bundeswirtschaftsminister, der es besser als die Außenministerin hätte wissen müssen, jeden Embargo-Schritt bejubelte, ohne an die Folgen zu denken, stürzte Deutschland in eine Energiekrise, die zudem die Inflation, also die Enteignung der Bürger zugunsten des Staates, zugunsten Habecks, der wie weiland Ludwig XIV. von Frankreich von sich zu glauben scheint: „L’État, c’est moi!“ (Der Staat, das bin ich“), vorantrieb.

Mit lauten Trompeten- und Fanfarenstößen zog man in den Wirtschaftskrieg und entwaffnete sich zur gleichen Zeit selbst. Man wollte kein Erdgas, das man auch benötigte als Back-up für Habecks und Graichens Windenergie, hatte aber nichts anderes in petto. Annalena Baerbock erlitt geradezu einen Nervenzusammenbruch, denn sie sah schon – nicht ganz unberechtigt – „Revolten“ im Herbst und im Winter ausbrechen, wenn die Bürger im Winter in kalten Wohnungen und Häusern im Dunkeln sitzen würden und noch ein Blackout einträte. Für die Regierung Scholz ging es selbstverschuldet ums Überleben. Hektik zog ins Bundeswirtschaftsministerium ein.

Es ist ja nur das Geld der Bürger

Nur, von den meisten Medien drohte der Ampel, die permanent für die Schussfahrt in die Katastrophe auf grün stand, keine Gefahr, denn die erfüllten weiter ihre Propagandaaufgaben, was heute nur aufgehübscht planetarischer oder aktivistischer Journalismus heißt. Unter dem Tremolo von Erfolgsmeldungen im Stil des Neuen Deutschland zu DDR-Zeiten und dem bis in die größten Peinlichkeiten im Stile Stalins getriebenen Habeck-Kult musste im Bundeswirtschaftsministerium eine Notlösung geschaffen werden. Koste es, was es wolle, hatten die Gasspeicher gefüllt zu werden – und die EKD, wenn sie nicht gerade die Letzte Generation für heilig erklärte, betete zu den Klimagöttern für einen milden Winter, denn einen anderen Gott kennt sie inzwischen nicht mehr.

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Doch wenn man genügend Geld und Bonität besitzt, ist die Beschaffung von LNG kein größeres Problem – man kauft einfach den Markt leer. Dass man durch dieses Verhalten den Preis, den man auch selbst zu entrichten hat, in schwindelerregende Höhen treibt, spielte keine Rolle, denn es handelte sich ja weder um Robert Habecks noch um Patrick Graichens Geld, sondern um das der Bürger. Doch darüber hatte Habeck ja ohnehin mit Verachtung erklärt: Es ist ja nur Geld – was eigentlich heißt: Es ist ja nur deren Geld.

Um mit diesem Irrsinn nicht die Steuerkasse zu belasten, denn Steuergelder benötigt man für die Profite der Firmen des Klima-Komplexes wie Enertrag und natürlich für die Verwirklichung der All-Electric-Diktatur, mit Wärmepumpenbefehlen und Wasserstoff-Räuschen, verfiel man auf die perfide Idee, die eigene Unfähigkeit auf die Erdgaskunden mittels Gasumlage abzuwälzen. Das konnte schließlich verhindert werden, um den Preis, dass Baerbocks Tiraden und Habecks und Graichens Umbau-Utopien, die auf Gedeih und Verderb und in möglichst kurzer Zeit unumkehrbar durchgesetzt werden sollten, nun doch aus dem Steueraufkommen und letztlich wohl auch durch Schulden finanziert werden. Die Preisdifferenz zwischen russischem Erdgas und LNG sind die Kosten, die Baerbocks Großmannssucht und Habecks Revolutionsträume die deutschen Bürger, die deutschen Familien kosten.

Graichens tiefer Griff in die Trickkiste

Als ganz so einfach erwies es sich nicht, die große Transformation zur grünen Kommandowirtschaft unter Hochdruck vorzunehmen, so schnell wie möglich vollendete Tatsachen zu schaffen und gleichzeitig die selbst verschuldete Energiekrise irgendwie zu managen. In der geschliffenen Rhetorik des Börne-Preisträgers Robert Habeck, oder was zumindest sein Juror Jürgen Kaube von der planetarischen FAZ dafür hält, beklagte der Bundeswirtschaftsminister im September 2022 bei einer Veranstaltung: „Es ist jetzt kein Scheiß, den ich erzähle: Die Leute werden krank. Die haben Burnout, die kriegen Tinnitus. Die können nicht mehr.“

Guter Rat war also teuer. Um die Panik-Käufe ins Werk zu setzen und rechtlich abzusichern, um die Gas-Umlage rechtlich zu konzipieren, die dann Pfusch blieb, wollte Patrick Graichen deshalb laut einem Bericht des Handelsblattes 60 zusätzliche Mitarbeiter am Haushaltsausschuss des Bundestages vorbei ins Ministerium schleusen. Da er aber die 60 Stellen nicht hatte und man anderseits nicht die Jubelmeldungen um Robert Habeck, der „uns unabhängig von russischem Erdgas“ macht, nicht stören und den an den Personenkult um Stalin erinnernden Hashtag #DankeRobert nicht mit Fragezeichen versehen lassen wollte, musste die Notaktion des Bundeswirtschaftsministeriums möglichst geräuschlos erfolgen. Patrick Graichen griff wieder ganz nach unten in die Trickkiste und „wandte sich nach Angaben aus Ministeriumskreisen mit der Bitte an die Agentur, dem Wirtschaftsministerium 60 Leute zur Verfügung zu stellen. Sie sollten in der Hochphase der Energiekrise helfen, das enorme Aufgabenpensum zu bewältigen“, wie das Handelsblatt schreibt.

Architekt von Deutschlands Selbstzerstörung:
Wer ist Patrick Graichen?
Damit hätten Mitarbeiter eines zwar bundeseigenen, die dena gehört hälftig dem Bund und der bundeseigenen KfW, dennoch aber eines Unternehmens, einer GmbH in die Situation kommen können, direkt Gesetze mitzuformulieren. Das würde Lobby-Organisationen überflüssig machen, denn dann würden bestimmte Unternehmen die Gesetze gleich selbst zu ihrem Nutzen verfassen. Graichens Coup scheiterte wohl daran, dass es bei der dena Bedenken dagegen gegeben habe, auch wenn das Bundeswirtschaftsministerium mitteilt, dass man nach langer Prüfung einer „projektbezogenen Unterstützung aus bundeseigenen Gesellschaften“ aus „haushaltsrechtlichen und finanziellen Bedenken“ die Idee nicht weiter verfolgt habe. Man vernimmt deutlich das Pfeifen im Walde.
Abgründe, die sich bis jetzt aufgetan haben

Doch diese Vorgänge formulieren wie von selbst die Fragen, ob erstens Patrick Graichen aus diesem Vorgang gelernt hatte und ob zweitens Graichens Trauzeuge Bedenken gegen die Entleihung von 60 Mitarbeitern gehabt hätte oder seinem Freund zu Hilfe geeilt wäre bei der Aktion Mitarbeiter-Entleihung. Hätte das funktioniert, steht zu befürchten, könnte der Vorgang durchaus Schule machen. Was spräche dann dagegen, auch mal Mitarbeiter der Agora Energiewende, der Stiftung Klimaneutralität und des Öko-Instituts durch die Hintertür ins Bundeswirtschaftsministerium zu holen, um dort eine Parallelstruktur zu bilden, die ihre Konzepte gleich selbst in Gesetzesform gießt?

Doch dieser vom Handelsblatt mit Berufung auf Ministeriumskreise publizierte Vorgang, dass ein Staatssekretär am Bundestag vorbei einfach 60 Mitarbeiter einer GmbH quasi durch die Hintertür als zeitweilige Mitarbeiter in höchst sensible Bereiche der Energiesicherheit und der Erarbeitung von Gesetzen schleusen will, ist nicht nur ein Skandal, sondern zeigt wie wenig inzwischen rechtsstaatliche Verfahren im Bundeswirtschaftsministerium gelten. Es zeigt den Zerfall der demokratischen Kultur des Landes, es zeigt die absolute Unantastbarkeit grüner Politiker und den Ausfall der parlamentarischen Kontrolle, dass der Bundestag noch immer keinen Untersuchungsausschuss zu den Vorgängen im Bundeswirtschaftsministerium gebildet hat.

Clan-Strukturen, verwandtschaftliche Verwobenheit der führenden Mitarbeiter des Hauses, Bedrohung loyaler Beamter durch Einschaltung des Verfassungsschutzes, Besetzung von Führungsposten in bundeseigenen Unternehmen mit persönlichen Freunden, Einsetzung von neuen Referatsleitern freihändig ohne Ausschreibung, ungeklärte Eigentumsverhältnisse eines Referatsleiters (bisher erhielt TE keine Antwort auf die dementsprechende Anfrage beim Bundeswirtschaftsministerium) zu einer vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Firma sind die Abgründe, die sich bis jetzt auftun.

Doch eines lässt sich jetzt schon sagen: Fortsetzung folgt.

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