Tichys Einblick
Bar oder unbar?

GEZ: Kann man jetzt die Rundfunkgebühr bar bezahlen?

Das Bundesverwaltungsgericht sagt in einem Beschluss, dass Barzahlung rechtens sei - aber letztlich nur der Europäische Gerichtshof darüber entscheiden kann. Was bedeutet das für den Gebührenzahler? Wie wird der EUGH entscheiden?

imago/Schöning

Frage: Herr Professor Murswiek, das Bundesverwaltungsgericht hat einen Vorlagebeschluss getroffen, ob die Rundfunkgebühr bar bezahlt werden kann. Wie interpretieren Sie den Beschluss?

Professor Murswiek: Das Bundesverwaltungsgericht hat festgestellt, aus § 14 Satz 2 des Bundesbankgesetzes – danach sind Euro-Scheine das gesetzliche Zahlungsmittel – ergebe sich für öffentliche Stellen der Mitgliedstaaten eine Verpflichtung zur Annahme von Euro-Banknoten bei der Erfüllung hoheitlich auferlegter Geldleistungspflichten. „Öffentliche Stellen“ in diesem Sinne sind auch die öffentlichrechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten, und die Rundfunkabgabe ist eine hoheitlich auferlegte Geldleistungspflicht. Legt man das deutsche Recht zugrunde, hat daher jeder das Recht, seinen Rundfunkbeitrag, wenn er will, in bar zu bezahlen.

Urteil zugunsten des Bargelds?
Sensationsbeschluß: Rundfunkgebühr kann bar bezahlt werden
Allerdings fällt die Währungspolitik in die ausschließliche Zuständigkeit der Europäischen Union. Dass der Euro in den EU-Staaten das gesetzliche Zahlungsmittel ist, ist auch im EU-Recht festgelegt (Artikel 128 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union). Da das EU-Recht Vorrang vor dem nationalen Recht hat, kommt es darauf an, welche rechtlichen Konsequenzen sich aus der Festlegung des gesetzlichen Zahlungsmittels im EU-Recht ergeben. Deshalb hat das Bundesverwaltungsgericht den Rechtsstreit über die Barzahlung der Rundfunkbeitrags noch nicht endgültig entschieden, sondern die Sache zunächst dem Gerichtshof  EU(EuGH) vorgelegt. Wie der EuGH entscheidet, wissen wir nicht. Es gibt also eine Art Schwebezustand.

Was bedeutet das für Gebührenzahler – können sie auf Barzahlung bestehen?

Professor Murswiek: Im Augenblick besteht Rechtsunsicherheit. Nach § 14 Bundesbankgesetz in der Auslegung des Bundesverwaltungsgerichts hat man einen Anspruch auf Barzahlung. Wer auf Barzahlung besteht, muss aber damit rechnen, dass die Gebühreneinzugszentrale, die jetzt Gebührenservice heißt, Gebührenbescheide erlässt und bis zur letzten Konsequenz eintreibt und vollstreckt. Denn ARD und ZDF werden auf ihrer Auffassung beharren, wonach Barzahlung zu umständlich ist und daher gemäß der Beitragssatzung ausgeschlossen werden darf; das sei mit Europarecht vereinbar. Gegen den Beitragsbescheid ist eine Anfechtungsklage möglich. Ob diese Erfolg haben wird, hängt davon ab, wie der EuGH über die Fragen entscheidet, die das Bundesverwaltungsgericht ihm gestellt hat. Damit trägt im Augenblick der Barzahler das Prozessrisiko.

Wie wird der EUGH entscheiden? Es ist ja schwer vorstellbar, dass er der EU diese Kompetenz wegnimmt dadurch, dass er es zum Beispiel Deutschland überlässt, ob eine bestimmte Zahlungsart zugelassen wird. Umgekehrt würde ein EU-weites Recht auf Barzahlung gegenüber staatlichen Institutionen die Rolle des politisch unbeliebten Bargelds stärken und die jeweiligen Behörden unter Druck setzen, Barzahlungswege zu eröffnen.

Professor Murswiek: Der Ausgang ist schwer vorauszusagen. Welche Konsequenzen sich daraus ergeben, dass die Euro-Banknoten gesetzliches Zahlungsmittel sind, ist nämlich in den EU-Verträgen nicht geregelt. Dennoch gibt es aber eine gute Wahrscheinlichkeit dafür, dass der EuGH zugunsten einer Verpflichtung öffentlicher Stellen, Bargeld zur Erfüllung von Zahlungspflichten entgegenzunehmen, entscheiden wird. Die EU-Kommission hat 2010 auf der Basis des Berichts einer aus Vertretern der Finanzministerien und nationalen Zentralbanken der Eurozone bestehenden Arbeitsgruppe eine Empfehlung „über den Geltungsbereich und die Auswirkungen des Status der Euro-Banknoten und -Münzen als gesetzliches Zahlungsmittel“ verabschiedet. In dieser Empfehlung heißt es: „Sofern sich die Parteien nicht auf andere Zahlungsmittel geeinigt haben, ist der Empfänger einer Zahlungsverpflichtung nicht befugt, eine Zahlung mit Euro-Banknoten und -Münzen abzulehnen.“ Und weiter: „Ein Schuldner kann sich selbst von einer Zahlungsverpflichtung entlasten, indem er dem Zahlungsempfänger eine Zahlung mit Euro-Banknoten und -Münzen anbietet.“ Ich sehe nicht, warum der EuGH anders entscheiden sollte.

Dass der EuGH den Nationalstaaten irgendwelche Spielräume in der Währungspolitik einräumt, halte ich für sehr unwahrscheinlich. Das widerspräche der ausschließlichen Zuständigkeit der EU auf diesem Gebiet. Möglich wäre es aber, dass der EuGH – anders als die Kommission – meint, mit dem Begriff des gesetzlichen Zahlungsmittels sei eine Annahmepflicht nicht verbunden. Dann könnten die Mitgliedstaaten eigene Gestaltungsspielräume erhalten. Es fragt sich nur, was noch der Inhalt des Begriffs „gesetzliches Zahlungsmittel“ wäre, wenn die Annahmepflicht entfiele.

Dietrich Murswiek ist prominenter Staats- und Verwaltungswissenschaftler und emeritierter Professor für Öffentliches Recht an der Universität Freiburg.

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