Tichys Einblick
Absurder Vorschlag

Gewerkschaften warnen vor hoher Rezessionsgefahr

Die Gewerkschaften schlagen Alarm: Deutschland droht eine Rezession. Sie sprechen sich für eine andere Zinspolitik aus. Das ist aber fachlich fragwürdig und zeigt, wie sich Gewerkschaften von ihren Mitgliedern entfernt haben.

IMAGO / MiS

Deutschland drohe in den nächsten drei Monaten eine Rezession. Der Risikoindikator sei von rund 50 auf 80 Prozent gestiegen. Das hat das „Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung“ (IMK) mitgeteilt. Als Faktoren für eine solche Wirtschaftskrise nennt das Institut einen nennenswerten Rückgang der Industrieproduktion. Um zu dem Ergebnis zu kommen, dass eine Rezession droht, hat das Institut Daten des Finanzmarktes und der Realwirtschaft ausgewertet.

Das IMK fordert die Europäische Zentralbank auf, auf weitere Erhöhungen des Leitzinses zu verzichten: „In dieser Gemengelage sind die Risiken einer zu restriktiven Geldpolitik, wie sie die EZB für ihre kommende Leitzinsentscheidung Ende Juli schon in Aussicht gestellt hat, für die deutsche Wirtschaft erheblich“, sagt IMK-Experte Thomas Theobald. Denn hohe Zinsen bremsten die Nachfrage. Die sei derzeit so schlecht, dass von der Nachfrage keine Inflationsimpulse ausgingen.

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Das ist eine bemerkenswerte Position. Denn das IMK gehört zur Hans Böckler Stiftung, die wiederum dem Gewerkschaftsbund DGB nahesteht. Gewerkschaften sind – das wird den Jüngeren vielleicht nicht klar sein – dafür da, die Interessen von Arbeitnehmern zu vertreten. Zumindest war das mal der ursprüngliche Gedanke. Heute arbeiten für den DGB und seine Gewerkschaften vor allem Menschen, die für sich selbst noch auf eine Parteikarriere hoffen – oder ausgemustert wurden und nun auf einem Versorgungsposten sitzen.

Die Idee des IMK, die Leitzinsen niedrig zu halten, ist aus der Sicht des Staates gedacht. Denn den Vorteil an niedrigen Leitzinsen genießen Staaten mit hoher Verschuldung. Leiden tun Menschen, die sich etwas fürs Alter zur Seite gelegt haben. Von dem Geld, was nach Steuern, Miete oder Rate und Beiträgen für die IG Metall oder Verdi noch übriggeblieben ist. Niedrige Leitzinsen machen ihr Erspartes wertlos.

Die wirtschaftlichen Daten, die das IMK nennt, sind richtig: Das Bruttoinlandsprodukt ist im vierten Quartal 2022 um 0,5 Prozent geschrumpft, im folgenden ersten Quartal 2023 noch einmal um 0,3 Prozent. Deutschlands Volkswirtschaft steckt damit bereits in einer „technischen Rezession“. Doch die Schlüsse, die das IMK daraus zieht, zeigen sehr viel Verständnis für die rot-grün-gelbe Regierung – aber nur sehr wenig Interesse an der Sicht der Gewerkschaftsmitglieder. Denn als Gründe macht das Institut aus: „die schwache Weltwirtschaft, die maue Baukonjunktur und die Kaufzurückhaltung der Verbraucher infolge der hohen Inflation“.

Nur ist die Weltwirtschaft gar nicht so schwach, wie das IMK darstellt. In den anderen Ländern wächst sie wieder. Nur halt in Deutschland nicht. Eine Sonderkrise hat für gewöhnlich Sondergründe. So auch in Deutschland. Mit „die maue Baukonjunktur“ deutet das gewerkschaftsnahe Institut diese Gründe an, von deren Herkunft sie offensichtlich weiß: Sie liegen in der Bundesregierung. Unter Führung der SPD. Für die so viele Gewerkschaftssekretäre schon gearbeitet haben – oder noch arbeiten wollen.

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Die Baubranche hat in diesem Frühjahr tatsächlich Alarm geschlagen. Die Branche leide zwar auch unter der Inflation. Vor allem aber sei es die Bürokratie, die ihr den Hals zudrehe. Die verlängert und verzögert nicht nur das Bauen an sich – sie macht es durch immer mehr Auflagen auch immer teurer – bis hin zum Status der Unbezahlbarkeit. Bauherren von Auflagen zu befreien, wäre eine Forderung, die demnach die Baukonjunktur anfeuern würde.

Doch am Haarsträubendsten ist: Das IMK weiß um die „hohe Inflation“ als Grund für die Kaufzurückhaltung – fordert aber niedrigere Zinsen. Das ist abenteuerlich. Die Nullzinspolitik der EZB war der Grund, warum die Inflation schon vor dem Kriegsausbruch in der Ukraine hoch war. Dass die EZB nun die Zinsen wieder erhöht, soll die Inflation dämpfen – das ist eigentlich Basiswissen. Wenn ein gewerkschaftsnahes Institut das übersieht, lässt sich das vernünftig nur durch politischen Opportunismus erklären.

Die deutsche Kaufzurückhaltung ist international bekannt. Auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit, OECD, mahnt sie an. Bereits seit Jahren. Doch die OECD sieht die Steuern und Abgaben in Deutschland als das Problem an. Sie sind so hoch, wie in kaum einer anderen Industrienation. Durch die deutschen Sonderwege in der Energiepolitik kommen noch Rekordpreise für Strom obendrauf. Die OECD mahnt seit Jahren niedrigere Steuern für Deutschland an.

Aus SPD und DGB kommen andere Stimmen. Die jüngste lautet, das Ehegattensplitting abzuschaffen. Dann müssten Familien weitere 20 Milliarden Euro im Jahr an Steuern abdrücken. Ihnen würde das den Hals zuschnüren – aber die künftigen und ehemaligen DGB-Sekretäre in der Politik hätten mehr Spielgeld zum Verteilen.

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Das Szenario, das droht, ist leicht zu verstehen: Die Preise für Lebensmittel sind im letzten Jahr im zweistelligen Prozentbereich gestiegen. Der Anstieg von Löhnen und Renten kann nicht mithalten. Zumal dieser netto nochmal durch die hohen Steuern und Abgaben gebremst wird. Gleichzeitig droht die Regierung den Bürgern mit anstehenden, enormen Zwangsausgaben. Stichwort Heizungshammer. Dass sie vor diesem Hintergrund Kaufzurückhaltung ausüben, ist nur folgerichtig.

Bildlich ausgedrückt: Jemandem bleibt am Ende vom Monat kaum noch etwas übrig. Außerdem droht ihm ein Heizungsaustausch im fünf- bis sechsstelligen Bereich – genauso wie das Szenario, dass er deshalb das Haus nicht mehr halten kann. Wird diese Person vorher noch einmal in eine Couchgarnitur investieren? Oder wird sie doch eher Kaufzurückhaltung ausüben? Wer die Mitgliedsbeiträge von IG BCE und GdP erwirtschaftet, dem sind diese Zusammenhänge klar – diejenigen, die dieses Geld verfrühstücken, verstehen es offensichtlich nicht.

Einen Grund für den Rückgang der Industrieproduktion nennt das IMK überhaupt nicht: den Wirtschaftsminister, der sagt, eine Insolvenzwelle ließe sich abwenden, wenn die Unternehmen rechtzeitig aufhören zu produzieren. Der den Verlust von Arbeitsplätzen als Fortschritt preist. Und dessen Partei im Schrumpfen des Wohlstands ein Heilsversprechen für die Zukunft sieht. Das klammert das Institut völlig aus. Denn längst sitzen im DGB und seinen Anhängseln nicht mehr nur Karrieristen der SPD – die Grünen unter ihnen haben auch bereits eine erstaunlich hohe Zahl erreicht.

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