Als junger Mann machte der Physiotherapeut und ehemalige Soldat Adam Smith-Connor einen schwerwiegenden Fehler, den er nie vergessen wird: Er bezahlte die Abtreibung seines ersten Kindes, mit dem seine Ex-Feundin schwanger war.
Bestraft wird er nun nicht etwa dafür, dass er damals geholfen hat, sein eigenes Kind umbringen zu lassen, sondern dafür, dass er diese Tat bereut: Vor fast genau zwei Jahren betete Smith-Connor, der sich mittlerweile zum Christentum bekehrt hat, stumm vor einer Abtreibungsklinik für seinen Sohn. Er habe sich bewusst von der Klinik abgewandt positioniert, um nicht den Eindruck zu erwecken, etwa mit Frauen, die die Klinik aufsuchten, in Kontakt treten zu wollen. Er protestierte nicht, er sprach niemanden an, er stand mit gesenktem Kopf stumm da – und soll nun für diese „Tat“ 9.000 Pfund Strafe zahlen.
Gebet als Gedankenverbrechen?
Wenn er „an irgendetwas anderes gedacht hätte – die Wirtschaft, Immigration oder Gesundheitsversorgung zum Beispiel – wäre er nicht bestraft worden. Es war die Art seiner Gedanken, sein stilles Gebet, das ihn in juristische Schwierigkeiten brachte.“, so lässt ADF International verlauten, eine juristische NGO, die den Familienvater vor Gericht vertritt, und ihn dabei unterstützt, Berufung einzulegen.
Das Christentum wird nach Jahrzehnten der Konzentration auf gesellschaftlich akzeptierte Themen wie caritatives Engagement und Umweltschutz wieder sichtbar als Gegenkraft, die sich gesellschaftlichen Entwicklungen entgegenstemmt: Wenn die Justiz etwa nicht nur den Schutz Ungeborener aushöhlt, sondern sogar die Konfrontation der Befürworter von Abtreibung mit ihren Gegnern verhindert, indem Letztere mundtot und ihre Positionen aus dem öffentlichen Raum verbannt werden, ist klar, dass vermehrt Christen „um ihres Glaubens willen“, das heißt um ihrer auf dem Glauben fußenden Positionen willen, diskriminiert werden.
Zwei aktuelle Berichte dokumentieren Diskriminierung und Verfolgung
Im anlässlich des „Tages der Toleranz“ Mitte November veröffentlichten Jahresbericht des Observatory on Intolerance and Discrimination against Christians in Europe (OIDAC) steht der Fall Adam Smith-Connors stellvertretend für viele andere: Menschen, die am Arbeitsplatz Nachteile erfahren, wie etwa Kristie Higgs, die an einer Schule arbeitete und gefeuert wurde, weil sie in einem privaten Facebook-Posting Kritik an der Propagierung der Transgender-Ideologie an der Schule ihres Kindes übte.
Fälle, die, wie OIDAC mit Berufung auf eine britische Studie nachzeichnet, eine Atmosphäre schaffen, in der der sogenannnte „chilling effect“ zu weitgehender Selbstzensur der Christen führt. „Bestrafe einen, erziehe Hundert“, lautet diese Mao zugeschriebene Maxime im Deutschen: Harsche Konsequenzen für einzelne, die ihren Glauben im öffentlichen Raum proklamieren, sorgen dafür, dass im privaten, beruflichen, und im öffentlichen Kontext die eigenen Überzeugungen zurückgehalten werden.
Die Intensivierung dieser Art von Diskriminierung und Intoleranz ist laut OIDAC begleitet von einem Anstieg an Gewalttaten und Sachbeschädigungen mit antichristlicher Motivation. Im Vergleich zur oft subtilen, nicht immer bewussten Selbstzensur im (halb)privaten Raum sind solche Straftaten leichter zu erfassen, allerdings wird die Dokumentation durch unterschiedliche Definitionen und Vorgehensweisen der europäischen Länder erschwert.
Schwierige Datenlage, hohe Dunkelziffer
So erfasst etwa der zeitgleich veröffentlichte Hate Crime Data Report des Menschenrechtsbüros der OSZE Fälle aus 26 europäischen Ländern – während nur zehn europäische Regierungen entsprechende Daten vorlegten. „Da Frankreich und einige andere Länder mit hohen Zahlen keine Statistiken an die OSZE übermitteln, sind die tatsächlichen Zahlen wesentlich höher als die OSZE-Daten vermuten lassen. Bei antichristlichen Hassverbrechen haben wir für das Jahr 2023 2.444 Fälle registriert, gehen aber von einer hohen Dunkelziffer aus“, so Anja Hoffmann, Direktorin des Observatory.
OIDAC dokumentiert daher transparent jene Zahlen, die offizielle Polizeistatistiken bereitstellen – so sie antichristlich motivierte Verbrechen erfassen – und von Akteuren der Zivilgesellschaft berichtete Fälle. In insgesamt 35 europäischen Ländern registriert der Jahresbericht 2.444 Fällen von gegen das Christentum gerichteten Verbrechen.
Zwar sind die Fallzahlen körperlicher Angriffe relativ gering, sie schockieren aber durch ihre Brutalität: In Großbritannien etwa machte der Fall Ahmed Alids Schlagzeilen: Der Asylsuchende hatte versucht, seinen zum Christentum konvertierten Mitbewohner Javed Nouri zu erstechen, da ihm dieser als Apostat galt. Anschließend erstach er einen Passanten. Nouri überlebte schwerverletzt. Spanien verzeichnet mehrere Angriffe während eines Gottesdienst – so wurde unter anderem ein Küster von einem Islamisten mit einer Machete ermordet.
Während selbst derartige Fälle eher geringes mediales Echo auslösen, finden Sachbeschädigungen, Brandstiftungen und ähnliche Vorfällen kaum Beachtung. Am stärksten betroffen waren 2023 Frankreich, Großbritannien und auch Deutschland, wo sich die Anzahl der dokumentierten Fälle gut verdoppelt hat. Anja Hoffmann weist darauf hin, dass in Deutschland nur politisch motivierte Hassverbrechen erfasst werden, „was bedeutet, dass viele antichristliche Vorfälle nicht in die offizielle Statistik einfließen. (…) In Sachsen wurde beispielsweise in einer Kirche eine Bibel verbrannt, eine andere Kirche mit rohen Eiern beworfen und mehrere christliche Gotteshäuser mit satanistischen Graffiti beschmiert – keiner dieser Fälle scheint in der bundesweiten Statistik auf”.
Das bestätigt eine Sprecherin des deutschen Bundeskriminalamtes: „Straftaten, wie Sachbeschädigungen oder Brandstiftungen in bzw. an Kirchen, die ohne politische Motivation begangen werden, werden im KPMD-PMK nicht abgebildet.“ Inwieweit sich etwa eine radikalislamische oder auch linksradikale Gesinnung in allen Fällen zweifelsfrei feststellen lässt, ist fraglich. Recherchen von OIDAC zufolge kommt man auf „mehr als 2000 Sachbeschädigungen in und an deutschen Kirchen“, wenn man die Zahlen der Landeskriminalämter untersucht. Hoffmann räumt ein, dass es sich dabei nicht in allen Fällen um Hasskriminalität im eigentlichen Sinne handeln dürfte. Interessant sind sie aber allemal, da sie einen Vergleichspunkt zur bundesweiten Statistik darstellen. Diese fällt mit 277 registrierten Fällen, unter die rechts-, linksradikale, aber auch religiös motivierte Straftaten gegen Christen bzw. christliche Stätten gezählt werden, deutlich geringer aus.
Anstieg antireligiöser Hassverbrechen betrifft nicht nur Christen
Während sich der Bericht von OIDAC Europe auf gegen Christen gerichtete Verbrechen und Maßnahmen beschränkt, zeichnet der Hate Crime Data Report der OSZE ein breiteres Bild: Der Anstieg von Gewalttaten gegen religiöse Gruppen trifft in Europa auch Juden und Muslime. Für beide Religionsgruppen liegen die Zahlen für Europa mit fast 9000 antisemitischen und fast 6000 antimuslimischen von der OSZE registrierten Fällen auf einem hohen Niveau. Um die Toleranz in Europa ist es also insgesamt nicht gut bestellt – ein Umstand, der den Regierenden größere Sorgen bereiten sollte als die Umsetzung gesellschaftlicher Umbauprojekte, die „Antidiskriminierung“ beheben wollen, wo gar keine Diskriminierung stattfindet.
Wenn am letzten Mittwoch im November, dem „Red Wednesday“, der verfolgten Christen weltweit gedacht wird, indem etwa öffentliche Gebäude in rotes Licht getaucht werden, dann bezieht sich dies zunehmend nicht mehr „nur“ auf ein Phänomen im fernen Pakistan, in China, Nordkorea oder der arabischen Welt: Auch in Europa muss das Bewusstsein für Diskriminierung und Intoleranz gegenüber Christen gestärkt werden, um eine weitere Marginalisierung von Christen zu verhindern, und den freien Austausch innerhalb einer freiheitlichen Grundordnung zu gewährleisten.