Die Wirtschaft schwächelt, wir verlieren an Wohlstand. Zu lesen ist das oft. TE berichtet seit langem offen und ausführlich darüber. Andere Medien tun sich damit nicht so leicht, kommen an dem Thema aber auch immer schwerer vorbei. Nur: Was bedeutet das denn? Wenn die Wirtschaft schwächelt, wir Wohlstand verlieren – wie zeigt sich das? Nun: In kaum einem anderen Bereich so gut wie in der Gesundheitsversorgung.
Zum Beispiel Arzneimittel. Da haben wir diesen Winter bereits einen Engpass erlebt. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte räumt derzeit 483 Meldungen zu Lieferengpässen ein, wie die Berliner Morgenpost berichtete. Vor allem die Versorgung mit Antibiotika sei „derzeit katastrophal“. Das Bundesinstitut macht eine „übertriebene Kostendämpfungspolitik“ für die Engpässe verantwortlich.
Es müsse gespart werden, sagt Ralf Hermes. Er ist Vorstand der „IKK-Innovationskasse“ und sein innovativer Sparvorschlag lautet: Der Leistungskatalog der Krankenkassen müsse verkleinert werden. Sprich: Manche Behandlungen müssten die Versicherten selbst bezahlen. Die Mitgliedschaft in einer Krankenversicherung ist in Deutschland gesetzliche Pflicht. Arbeitnehmer sollen also mehr bezahlen und weniger dafür bekommen. So etwas ist damit gemeint, wenn es heißt, dass ein Land an Wohlstand verliert. Hermes selbst geht es dabei übrigens ganz gut. Der Chef der IKK-Innovationskasse verdient nach deren Angaben rund 230.000 Euro im Jahr – dass er auch diese Leistung kürzen will, ist bisher nicht bekannt.
Der Blick auf Hermes‘ Gehalt ist kein Sozialneid. Vielmehr zeigt der Blick, dass das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ mit seiner Kritik am Sparen nicht komplett falsch liegt. Nur die USA und die Schweiz wenden pro Kopf mehr Geld für die Gesundheit auf als die Deutschen. Wenn dann nicht mal mehr genug Geld dafür bleibt, um ausreichend Arznei zu bezahlen, ist die Sparpolitik zwar vielleicht nicht übertrieben – aber definitiv fehlgeleitet.
Zugegeben. Zwar wäre es angemessen, wenn Kassen-Chefs, die von Sparzwängen reden, ihr Gehalt gekürzt bekämen. Aber angesichts der Größenordnungen im Gesundheitswesen wäre das bestenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein. 474 Milliarden Euro betrugen laut Statistischem Bundesamt die Gesundheitsausgaben der Deutschen im Jahr 2021. Tendenz steigend.
Trotzdem reicht das Geld scheinbar nicht. 1700 Krankenhäuser gibt es in Deutschland. Davon droht einem Viertel die Schließung, sagt Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) in der Bild. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft spricht von einem Fünftel für die zweite Hälfte des Jahres. Gemeint ist 2023. Das Jahr, das noch als Pandemiejahr mit Einschränkungen der Freiheitsrechte begann. Das ist bemerkenswert.
Lauterbach will eine „Revolution“ der Krankenhäuser. Die föderale Ordnung der Krankenhaus-Landschaft will er abschaffen. Stattdessen möchte er sie von Berlin aus zentral regieren. Der CSU-Bundestagsabgeordnete Stephan Pilsinger nennt das „realitätsfremde Planwirtschaft“. Lauterbach will die Krankenhäuser in drei Klassen einteilen. Wobei die unterste Klasse kaum noch mehr böte als Pflegeheime mit Notaufnahmen. Davon betroffen wäre gut ein Drittel aller Krankenhäuser. Da bedient sich Lauterbach der Philosophie seines Kabinettskollegen Robert Habeck (Grüne): Die Krankenhäuser müssen nicht in die Insolvenz – sie müssen nur rechtzeitig aufhören, Krankenhäuser zu sein. Der Minister begründet diesen Schritt damit, dass dieser die Qualität der verbleibenden Krankenhäuser der obersten Klasse verbessern würde.
Dem Arbeitnehmer auf dem Land droht damit ein Gesamtpaket. Er darf mehr für seine Gesundheit bezahlen, bekommt aber weniger Leistungen, die Arznei bleibt knapp und das nächste richtige Krankenhaus ist weiter weg. Schuften darf er weiterhin, nur bleibt ihm davon weniger Geld. Aber wenn er dabei einen Herzinfarkt bekommt, soll die Behandlung besser sein – vorausgesetzt er überlebt den deutlich längeren Weg ins Krankenhaus.
Doch ist es mit dem Gesundheitswesen letztlich, wie mit allen anderen Bereichen des Sozialwesens: Den Arbeitnehmern bürdet der Staat in der Bezahlung immer mehr Lasten auf – doch genau diese Arbeitnehmer haben immer weniger davon. Zehn Milliarden Euro fehle der gesetzlichen Krankenkasse, klagte deren Dachverband, weil der Staat nicht genug für die Versorgung seiner Transferempfänger an die Kassen zahle. Auf der Rechnung sitzen bleiben die Arbeitnehmer mit ihren Kassenbeiträgen.
Die Zahl zehn Milliarden Euro stammt aus dem vergangenen Jahr. Zwischenzeitlich haben Olaf Scholz und Nancy Faeser (beide SPD) die Einwanderung forciert. Ob diese Einwanderer die Arbeitskräfte von morgen oder die Rentenzahler von übermorgen sind, bleibt abzuwarten. Erst einmal sind sie die Bürgergeld-Empfänger von heute. In einem reichen Land war das eine ethische Ungerechtigkeit, aber machbar. In einem Land, das seinen Wohlstand verliert, muss ein solches System kollabieren. Dass diejenigen, die es finanzieren, immer mehr zahlen müssen und dafür immer weniger bekommen, ist dafür nur ein Vorbote.