Tichys Einblick
Prävention gegen Rechtsextremismus

NRW-Regierung plant Gesinnungsunterricht und Politisierung von Polizisten

Nach Rechtsextremismus-Fällen in der Polizei von NRW legt der Innenminister ein Konzept vor: Der Polizei-Unterricht soll politisch werden. Müssen Polizisten jetzt die richtige Gesinnung haben?

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) zu Gast bei der Polizeiwache Köln-Kalk

IMAGO / Future Image

Chats von Polizisten beschäftigen die Politik in Hessen und NRW – mit weitreichenden Konsequenzen. 2020 kamen Chats mit Rechtsextremismusverdacht unter Polizisten in Nordrhein-Westfalen ans Licht, die bis ins Jahr 2012 zurückreichen. Danach wurde eine ausgiebige Untersuchung von Innenminister Herbert Reul (CDU) eingeleitet, eine Stabsstelle eingerichtet und ein Lagebild über „Rechtsextremismus in der Polizei“ gefordert. Vor Kurzem wurde der Abschlussbericht mit einem neuem Konzept zur Rechtsextremismus-Prävention vorgelegt. Es hat einen seltsamen Tenor: „Rechte” Polizisten sollen künftig belehrt werden von politischen Aktivisten mit Antisemitismus-Bezügen.

Nun wurde als „Experte“ für das Konzept zur „Rechtsextremismus-Prävention“ in der Polizei der Landesintegrationsratsvorsitzende Tayfun Keltek ausgesucht, der von Politikern gegenüber TE als türkischer Nationalist und „Marionette“ der AKP-Lobbyisten bezeichnet wurde. Der Landesintegrationsrat schlug der NRW-Regierung unter Kelteks Führung vor, Mitglieder der Integrationsräte – die mehrheitlich unterwandert sind – in Polizeiräte zu entsenden. Und es gibt weitere fragwürdige „Experten“ – darunter Amnesty International, eine Organisation, die extrem weit links politisch aktiv ist. Aus dem Abschlussbericht geht hervor, dass die Polizisten künftig politischen Unterricht bekommen sollen: Vertreter von Amnesty International dürfen also in Zukunft Polizisten belehren.

Folgt nun nach Rechtsextremismus-Fällen der Gesinnungs-Unterricht?

Bisher notiert sind insgesamt 186 Verdachtsfälle gegen 170 Polizeibeamte, einen Verwaltungsbeamten, 11 Regierungsbeschäftigte und vier unbekannte Akteure –kategorisiert in: Gewaltverherrlichung, Reichsbürgerschaft, Verherrlichung des Nationalsozialismus, Antisemitismus, Rassismus und sonstige gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Gefunden wurden Musikdateien von rechtsradikalen Bands, die NSDAP-Parteihymne, Hitler- und Nazi-Glorifizierungen sowie Bildmontagen von Flüchtlingen in Gaskammern. Ein Polizist hatte sich in Uniform beim Hitler-Gruß fotografieren lassen. Zum Christchurch-Anschlag, bei dem ein Rechtsterrorist in Neuseeland 51 Menschen tötete, hieß es: „Zu viele Fehlschüsse.“ Im Vergleich zu dieser immensen Dimension wirken die wenigen Vorwürfe gegen die Frankfurter SEK-Beamten geradezu harmlos.

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Vor diesem Hintergrund ist es in der Tat erforderlich, dass Polizisten – die einen Amtseid darauf abgelegt haben, die Verfassung zu schützen – in ihrer Aus- und Weiterbildung in ihren demokratischen Werten gefestigt werden, um zu verhindern, dass sie den Weg in extremistische Denkmuster oder Bewegungen einschlagen. Doch Polizisten müssen auch immer Neutralität wahren; das neue Konzept mit Präventionsmaßnahmen zielt allerdings eher auf eine Politisierung der Polizei ab.
Die sozialen Netzwerke der Bewerber im Visier

Schon „Punkt 1″ der neuen „Handlungsempfehlungen“ wirft Fragen auf. So soll beim Auswahlverfahren die „Werteorientierung“ von Bewerbern „methodisch valide“ überprüft werden. Dagegen spricht erstmal nichts. Denn für Polizeibeamten ist eine feste Verankerung im Wertefundament des demokratischen Rechtsstaats wichtig. Allerdings fragt man sich, welche „Werte“ die „richtigen“ sind. Geht es hier wirklich noch um Grundwerte der Demokratie, oder geht es vielmehr um die richtige Gesinnung? Auch sollen die „Kompetenzkataloge“ und die „Eignungsdiagnostik“ angepasst werden – wie das konkret aussehen soll, wird nicht erläutert.

Auch beim internen Auswahlverfahren soll die „Werteorientierung“ berücksichtigt werden. Brisant: Notfalls sollen die sozialen Netzwerke der Bewerber durchforstet werden. Grundsätzlich kann diese Maßnahme sinnvoll sein. Aber inwieweit besteht die Gefahr, dass künftig Bewerber durch ihre in den sozialen Netzwerken preisgegebenen politischen Einstellungen diskreditiert werden? Was sind die maßgeblichen Kriterien? Reicht für eine Disqualifikation bald schon ein bei Facebook geteilter Beitrag eines „falschen“ Mediums oder eines „falschen“ Journalisten?

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Ebenso soll es eine „Stärkung der Medienkompetenz geben“. Doch wer entscheidet, was „Fake News“, „Verschwörungstheorien“ und Plattformen von „Neuen Rechten“ sind? Schließlich leben wir in Zeiten, in denen sich der Diskurs verschoben hat und sogar liberale und konservative Medien als „rechte“ oder „rechtspopulistische“ Plattformen bezeichnet werden. Laut Bericht ginge es angeblich hauptsächlich um eine „medienwissenschaftliche Aufklärung“ über die Wirkungsweise von sozialen Medien, darunter Meinungsbeeinflussungen oder strafrechtliche Abbildungen. Dennoch: Welcher Polizist und welcher Bewerber für die Polizeiakademie traut sich dann noch, irgendetwas Politisches in den sozialen Medien zu veröffentlichen? Das Profil löschen und nie wieder ein neues anlegen, das ist heutzutage wohl der beste Schutz vor Denunziation.
Politologie, Soziologie, politische Bildung … – Geht die Neutralität verloren?

Da nun die sozialen Netzwerke der Polizisten überprüft werden sollen, könnte man meinen, dass Polizisten besser nicht mehr politisch sein sollten. Doch der Abschlussbericht lässt andere Schlüsse zu: Denn die Fächer „Ethik, Soziologie, Politikwissenschaft, Psychologie, Medienwissenschaft und interkulturelle Kompetenzen“ sollen jetzt „im Studium gestärkt und prüfungsrelevant“ werden. Es werden zwei neue Veranstaltungen angeboten: „In der politologischen Veranstaltung werden Entwicklungen des politischen Extremismus betrachtet, in der soziologischen Veranstaltung der gesellschaftliche Wandel sowie neue soziale Bewegungen.“ Soziologie und Politik sollen für Polizisten also eine immer größere Rolle spielen – was gleichzeitig folgende Frage bezüglich der Qualifikation aufwirft: Wie viel soziologisches Fachwissen soll ein Polizist demnächst beherrschen?

Im Bericht steht, dass Polizisten die Möglichkeit erlangen sollen, ihre „Abschlussarbeiten“ zu folgenden Themen zu schreiben: „‚Wird die Gefahr des Rechtsextremismus unterschätzt?‘, ‚Wie kann es trotz des gelisteten Diensteids zu Fremdenfeindlichkeit innerhalb der Polizei kommen?‘ oder ‚Forderungsfaktoren des Ethnic Profiling‘“. Der Abschlussbericht erweckt den Eindruck, als ob sich Polizisten hauptsächlich mit Rechtsextremismus, besonders in den eigenen Reihen beschäftigen sollen. Sollen Polizisten jetzt etwa Rassismus-Forscher in der eigenen Dienststelle werden? Gibt es bald Soziologen als Polizeibeamte, die über Rechtsextremismus in den eigenen Reihen forschen? Sind demnächst Bewerber auf der Polizeiakademie, um Soziologie zu studieren?

Dies könnte man jedenfalls meinen, da in der Hochschulausbildung neben fachlichen Qualifikationen und ethnischen Grundlagen nun „politische Bildung“ sowie die Fähigkeit zur kritischen Selbstreflexion beruflichen Handelns vermittelt werden sollen. Selbstreflexion ist in der Tat ein wichtiges Mittel im Rahmen von Prävention – aber „politische Bildung“? Die Polizeibeamten haben ihren Eid auf die Verfassung geschworen und müssen in ihrem Beruf volle Neutralität wahren. Vor diesem Hintergrund erscheint dies allerdings fragwürdig. Gleichzeitig kann es auch Vorteile mit sich bringen: Jeder auszubildende Polizist, egal ob mit oder ohne Migrationshintergrund, könnte durch eine gute politische Bildung noch besser sozialisiert oder integriert werden. Die Frage ist bloß, ob es am Ende Bildung über Politik sein wird oder eben eine Politisierung der Polizisten.

Politisierung der Polizei: Aktivisten soll Polizisten (be)lehren

Der Bericht erweckt nicht den Eindruck, dass diese „politische Bildung“ für Polizisten neutral erfolgen wird. So sollen beispielsweise für das Thema Menschenrechte jährlich Pflichtveranstaltungen zur Extremismusprävention in Zusammenarbeit mit „Amnesty International“ und der „Initiative Schwarze Menschen in Deutschland“ stattfinden. Bei der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD) handelt es sich um Aktivisten, die sich unter anderem für die Bewegung „Black Lives Matter“ einsetzen und in der es antisemitische Vorfälle gab. Weshalb sollen diese Aktivisten bei der Ausbildung von Polizisten helfen? Das klingt völlig absurd. Aktivismus ist immer politisch. Gleiches gilt für Amnesty International, eine Menschenrechtsorganisation, die bekannt dafür ist, eben nicht neutral zu sein.

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Amnesty International fiel immer wieder mit antiisraelischen bis antisemitischen Positionen auf. So berichtete Amnesty fälschlicherweise, dass ein krankes Baby im Gaza gestorben sei, nachdem israelische Behörden der Familie nicht erlaubt hätten, für die Operation einzureisen. Auf diese Falschdarstellung wies Israelnetz hin. Die USA wollten letztes Jahr Amnesty International offiziell als antisemitisch einstufen, da der Organisation die Unterstützung der Israelboykott-Bewegung BDS und doppelte Standards gegenüber dem jüdischen Staat vorgeworfen werden. Amnesty behauptet, es sei falsch, BDS als antisemitisch einzustufen. Der Deutsche Bundestag wiederum hat 2019 die umstrittene BDS-Bewegung als antisemitisch eingestuft. In einer 200-seitigen Studie des Politikwissenschaftlers David Collier werden über 40 Mitarbeiter genannt, die antisemitisches Material geteilt und Terroristen gelobt hätten.

Insgesamt wirkt Amnesty International eher einseitig linkspolitisch positioniert, etwa wenn es um Themen wie den Israel-Palästina-Konflikt oder die Klimakrise geht. Vor Kurzem rief „Amnesty Düsseldorf“ dazu auf, an einer Fridays-for-Future-Demonstration teilzunehmen; in dem von FFF geteilten Tweet stand „#LaschetDarfNichtKanzlerWerden“. Auch hat sich die Düsseldorfer Filiale zum umstrittenen Bündnis „Unteilbar“ bekannt, bei dem mal eine Demonstration von einem Angehörigen der linksextremen „Roten Hilfe“ angemeldet worden war. Das Land NRW hielt laut vorliegendem Bericht „Experteninterviews“ mit Vertretern von Amnesty International über das Fehlverhalten von Polizeibeamten. Die linkspolitisierte Hilfsorganisation gab gegenüber dem Innenministerium „Einschätzungen und Bewertungen“ ab. Über die Experteninterviews hinaus fand sogar „zusätzlich ein Austausch“ mit Vertretern von Amnesty – neben weiteren Vertretern wie der Polizeihochschule und dem Antisemitismusbeauftragten – statt.

Eine Sprecherin des NRW-Innenministeriums ließ auf TE-Anfrage mitteilen: „Die Stabsstelle Rechtsextremistische Tendenzen in der Polizei NRW hat ihre Arbeit gemacht; der Abschlussbericht liegt vor und die Stabsstelle ist nun aufgelöst. Zur Erstellung des Berichts war es erforderlich, ein weites, umfangreiches Stimmungsbild zu erheben. Dazu wurde mit verschiedenen Gruppen und Personen aus ganz unterschiedlichen Bereichen und in unterschiedlicher Position gesprochen. Die dadurch gewonnenen Hinweise sind in unterschiedlicher Gewichtung in die Handlungsempfehlungen eingeflossen.“

Fragwürdige Studien und Wissenschaftler

Zudem fallen einige wissenschaftliche Experten, die im Bericht explizit erwähnt werden, ins Auge. Beispielsweise wurde eine Studie von Professor Tobias Singelnstein herangezogen, deren wissenschaftlicher Anspruch bereits infrage gestellt wurde. Die besagte Studie „Körperverletzung im Amt durch Polizeibeamt*innen“ handelt von der Wahrnehmung und Einschätzung von Personen, die angaben, rechtswidrige Polizeigewalt erlebt zu haben. Die Teilnehmer der Studie wurden gefragt, ob sie glauben, dass sie aufgrund optischer Kriterien von der Polizei ungleich behandelt werden würden. 77 Prozent der People of Color bejahten diese Frage, und 56 Prozent von ihnen gaben an, diese Erfahrung oft bis ständig gemacht zu haben.

An dieser Studie gab es große Zweifel. Der Vorsitzende der deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, hielt diese für vollkommen unseriös. Deutlich kritisierte er die Macher in einem Interview mit PNP: „Ob die Anwendung von polizeilichen Zwangsmitteln rechtswidrige Polizeigewalt ist oder nicht, wird nicht an der Universität Bochum entschieden, sondern von einer unabhängigen Justiz.“ Denn so, wie die Studie durchgeführt wurde, hätte jeder einfach behaupten können, dass er Opfer von rechtswidriger Gewalt geworden ist.

Der Grund: Bei der Studie handelt es sich um eine offene Befragung im Internet, an der jeder teilnehmen und behaupten konnte, Opfer von rechtswidriger Polizeigewalt zu sein. Wendt kritisierte auch die Interpretation der Zahlen: „Aus dieser Online-Befragung und ihrer Interpretation hat man dann den Schluss gezogen, dass sich die Fälle deutlich erhöht hätten und ist von einer fünfmal höheren Dunkelziffer ausgegangen.“ Wendt zeigte sich besorgt, dass mit einer solchen Studie ein „ganzer Berufsstand diskreditiert“ werde. Das Gegenteil sei sogar der Fall: Die Zahl der Gewalttaten gegen Polizei und Feuerwehr steige jedes Jahr erheblich. „Und trotz drastisch zunehmender Angriffe auf die Polizei machen die Einsatzkräfte nach wie vor von ihren Schusswaffen sehr selten Gebrauch. Die Polizei versucht, mit anderen Mitteln der Gewalt Herr zu werden.“

Vom Ministerium wurde nicht nur diese umstrittene Studie in die Analysen einbezogen, sondern auch der Ersteller der Studie, Prof. Singelnstein, mit dem „Experteninterviews“ geführt wurden. Darin finden sich ähnliche Wortäußerungen wie in der Studie, welche deutsche Polizisten diskreditieren. So behauptete Singelnstein in einem Interview gegenüber ze.tt, dass Rassismus in der Polizei ein „strukturelles Problem“ sei: „Wenn wir über rechte Einstellungen oder Rassismus in der Polizei sprechen, dann ist das etwas anderes. Das sind keine Einzelfälle, das ist ein strukturelles Problem.“ Und auch sei es über Deutschland hinaus ein „generelles Phänomen in Sicherheits- und Ordnungsbehörden, dass rechte Positionen stärker verankert sind als im Rest der Gesellschaft“.

Die Beugung vor linken Aktivisten und Wissenschaftlern

Ingesamt zeichnet der Abschlussbericht samt den neuen Handlungsempfehlungen ein Bild davon, dass die Polizisten per se zu Rechtsextremismus veranlagt seien und die Bekämpfung des Rechtsextremismus in den eigenen Reihen für einen Polizisten eine der höchsten Prioritäten sein muss. Das NRW-Ministerium hat sich den linken Aktivisten und Wissenschaftlern gebeugt, die immer wieder die gesamte deutsche Polizei mit „strukturellem Rassismus“ brandmarken. Nun sollen Polizisten sogar von linken Aktivisten belehrt werden. Den Führungskräften werden als „Orientierung“ gewisse „Indikatoren“ empfohlen, um „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ frühzeitig zu erkennen. So sollen Führungskräfte darauf achten, welche „Kleidung“ die Polizisten tragen, sowie auf ihren „Sprachgebrauch und verbale Äußerungen“ und, ob sie „erkennbare Frustrationen“ zeigen würden.

Polizeibeamte müssen also demnächst bei der kleinsten äußerlichen oder sprachlichen Veränderung Angst haben, dem Verdacht des Rechtsextremismus ausgesetzt zu werden – und dies könnte sie ihren Job kosten. Wer eine Glatze und schwarze Stiefel trägt, dessen Chat-Verläufe könnten womöglich schnell mal überprüft werden. Die Absurdität wird grenzenlos. Wo soll das hinführen? Sollen Polizisten sich bestenfalls wie Hippies kleiden? Werden Uniformen bald ersetzt, weil sie auf Rechtsextremismus hinweisen? Werden bald nur noch Gummigeschosse benutzt? Und haben wir demnächst Polizeieinheiten, die nur für auf Rechtsextremismus verdächtige Polizisten zuständig sind?

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