Tichys Einblick
Hohe Nachfrage

„German Angst“ rechnet sich

Die Zeiten werden unsicherer. Die Nachfrage sowohl von „Tycoons“ als auch von Normalverbrauchern nach Schutzräumen und Bunkern für den privaten Gebrauch nehmen darunter zu. Eine besonders hohe Nachfrage erfährt dabei ein Unternehmen aus Deutschland: Das Geschäft mit dem Bunker boomt.

Screenprint: via BSSD Defence

Gibt es eigentlich eine Angst, die nicht typisch deutsch oder gar privilegiert deutsch ist? Wohl kaum: Man denke an die Angst vor dem Atomtod ob der Kernkraft, die Angst vor einem Atomkrieg (1979/1982 und jetzt wieder), vor dem Waldsterben, vor dem Klimawandel, vor einem wiederkehrenden Hitler, die Angst vor „Rächten“, die Angst vor Viren, BSE, Vogelgrippe, Schweinepest, Cholesterin, Pestiziden usw.

In einem neurotisch-hasenfüßigen Volk wie dem deutschen haben Apokalyptiker regelmäßig Konjunktur. Die Summe der Ängste, die sie verbreiten, bleibt allerdings gleich, nur das Angstobjekt wechselt oder kehrt von Zeit zu Zeit wieder. Gelegentlich werden den Deutschen und dem ganzen Westen der Welt solche Ängste von einer autistischen Sechzehnjährigen eingeredet: Siehe Greta Thunbergs „I want you to panic!“ (Das Ganze auf dem WEF in Davos im Januar 2019). Seit Jahren tun zig Ministerien und NGOs mit milliardenschweren „Demokratieförderprogrammen“ alles, um Angst vor Hitlers Wiedergängern zu verbreiten. Regelmäßig verbreiten Gesundheits- und Ernährungsminister Angst vor „falschen“ Lebensweisen.

Ganze Industrien leben davon. Von der Versicherungsindustrie, die vom Geschäft mit der Angst lebt, über die Industrie der Nahrungsergänzungsmittel bis hin zu schlauen „Beratern“ in den Medien und Volkshochschulen. Angst indes, ja Phobien als generalisierte Ängste haben immer nur andere: die Xenophoben, Islamophoben, Homophoben, Transphoben. Gegen solche – projizierten? – Ängste und Phobien gehe es anzugehen. Auch seitens staatlich alimentierter Volksgouvernanten.

Nun hat eine wiederkehrende Angst Konjunktur: die Angst vor einem ABC-Krieg. Man war zwar seit 1990 und dem Zusammenbruch der Sowjetunion „nur noch von Freunden“ umgeben, aber dann kam es anders. Mitten in Europa: erst auf dem Balkan und nun eine Flugstunde entfernt in der Ukraine. Zwischen der deutschen Ostgrenze und der ukrainischen Westgrenze liegen nur 600 Kilometer. Das weiß der geographisch halbwegs bewanderte Bildungsdeutsche. Und wenn Deutschlands derzeit beliebtester Minister, Boris Pistorius (SPD), als Verteidigungsminister dann noch die Losung ausgibt, Deutschland müsse „kriegstüchtig“ werden, dann ist es höchste Eisenbahn, etwas zu tun. Apropos „beliebtester Minister“: Vielleicht ist Pistorius deshalb so beliebt, weil er es noch um ein Vielfaches realistischer als all die Habecks, Baerbocks, Faesers versteht, die schier libidinös-masochistische deutsche Angstlust zu bedienen.

Putins Feldzug gegen den Westen, seit 21. Februar 2022 konzentriert auf die Ukraine als Puffer zwischen West und Ost, sei nicht heruntergespielt. Putin ist traumatisiert vom Zusammenbrechen der UdSSR, und er will die „russische Erde“ wieder einsammeln. Mag es Hunderttausende an Toten geben. Insofern hat Pistorius Recht, auch wenn seine Wortwahl etwas drastisch ausgefallen ist.

„Bunkermentalität“

Putin treibt damit die zuletzt brachliegende westliche Industriebranchen auf neue Höhen: vor allem die Rüstungsindustrie. Aber zunehmend auch Branchen der Bauindustrie und der Sicherheitstechnik. Soeben (am 4. Juli) hat „The Economist“ dazu eine kleine Reportage aus Berlin veröffentlicht. Überschrieben mit: „A bunker mentality“ und „Panic rooms and private bunkers are all the rage in Germany”. Die Reportage beginnt mit den Schwestern Kardashian und mit Mark Zuckerberg. Beide, beziehungsweise alle drei haben sich „Survival Shelters” mit rund 45 m² (Kardashian) beziehungsweise 450m² (Zuckerberg auf einer Hawaii-Insel) zugelegt bzw. geschaffen. Nun, so der „Economist“, würden auch viele Europäer entsprechend in Deckung gehen. Und nicht nur Megareiche.

So registriere etwa das Berliner Unternehmen „Bunkers Shelters Systems Germany (bssd)“ bis zu 1.000 Anrufe pro Tag von potenziellen Kunden. Das 2014 gegründete Unternehmen mit 100 Mitarbeitern war zu Beginn des Ukraine-Krieges das einzige deutsche Unternehmen, das Bunker für Privatpersonen herstellte. „Gebäudeschutz auf militärischem Niveau“, heißt es auf der bssd-Website. Die Gründer Mario und Katrin Piejde richteten mittlerweile eine Hotline ein, um der Flut an Anfragen gerecht zu werden.

Seitdem hat sich der Auftragsbestand verdreifacht, da sich immer mehr Deutsche Sorgen machen, dass Konflikte außer Kontrolle geraten. Neben bssd tauchen weitere Spezialisten wie das „German Shelter Centre“ oder „Deltamodul“ auf. Diese Unternehmen sind noch nicht so groß wie ihre Pendants in Amerika, wie zum Beispiel „Atlas Survival Shelters“, die seit Jahren auf die Angstparanoia ihrer Kunden eingehen. Die bssd-Kunden reichen von Superreichen bis hin zu typischen Mittelschichtsfamilien. bssd verkauft seine Bunker in drei Standardgrößen, beginnend bei 79.000 Euro (85.000 US-Dollar). Weniger aufwendige Panikräume beginnen bei etwa 15.000 Euro.

Laut „Economist“ haben Deutsche jetzt das Gefühl, dass sie einen privaten Ort zum Überleben brauchen, weil die Bundesregierung nach Ende des Kalten Krieges ihre Bemühungen eingestellt hat, Plätze in einer öffentlichen Unterkunft zu sichern. Das stimmt: Heute ist in Deutschland in solchen Anlagen gerade einmal Platz für 480.000 der hier lebenden 84 Millionen Menschen. Die Schweiz und Finnland sind hier um ein Vielfaches besser aufgestellt. Allein in Helsinki stehen für die 650.000 Menschen inkl. Besuchern 900.000 Schutzplätze zur Verfügung. In der Schweiz müssen Hauseigentümer beim Bau von Häusern Schutzräume einbauen, falls in einer Gemeinde zu wenig Schutzräume vorhanden sind. Der „Economist“ rechnet vor: Um die Bevölkerung wie in der Schweiz und in Finnland zu schützen, müssten in Deutschland mehr als 210.000 große Bunker gebaut werden. Das könnte 25 Jahre dauern und 140 Milliarden Euro kosten.

Davon ist Deutschland allerdings Lichtjahre entfernt. Das Bundesinnenministerium von Nancy Faeser (SPD) rühmt sich derweil, dass für Bevölkerungs- und Katastrophenschutz pro Jahr rund 570 Millionen Euro veranschlagt sind. Diese gelten insbesondere der Aufgabenerfüllung des THW sowie des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK). Allein: Nicht einmal das Sirenenwarnsystem funktioniert richtig.

Egal: Irgendwann und irgendwie wird der Krieg in der Ukraine enden. Dann wird schon bald die nächste Angst um die Ecke kommen. Wetten, dass aus dem oben genannten Angst-Sortiment schnell die nächste Angst angesagt ist. Wir tippen auf „Klima“. Denn der deutsche Hypochonder kann nicht anders. So wie der Hypochonder, der sich beim täglichen Arztbesuch selbst die Diagnose stellt: „Hypochondrie ist gottlob die einzige Krankheit, die ich noch nicht hatte.

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