Die Einschläge kommen immer näher und immer regelmäßiger. Gemeint ist hier nicht die sorgenvolle Redensart ob des Ablebens von Bekannten, Freunden oder Familienmitgliedern, sondern das Ableben jeder Rationalität und jedes gesunden Menschen- und Sprachverstandes. Mit anderen Worten. Die Einschläge sogenannter wissenschaftlicher Verrücktheiten kommen immer näher, immer regelmäßiger und schier täglich.
Nun haben sich mal wieder sechs „Sprachwissenschaftler*innen“ um den/die/das Berliner „Forscher*in“/Professor*in Anatol Stefanowitsch (FU Berlin) in Szene gesetzt. Für 2018 haben sie das * oder „Gendersternchen“ (statt gender star) zum Anglizismus des Jahres erkoren; sie wollen damit die Bemühungen um eine gendergerechte Sprache würdigen.
Der/die/das Vorsitzend*e (?) Stefanowitsch ist vor allem ganz stolz darauf, dass das Wort „Gendersternchen“ zeige, wie schnell das Deutsche aus dem Englischen entlehntes Wortgut produktiv zur Bildung neuer Wörter nutze. Aus dem „gender star“ sei innerhalb weniger Jahre „Gendersternchen“ geworden. Wahnsinn, diese produktive Leistung! Die Londoner Times übrigens hat die Anglomanie der Deutschen schon einmal als „linguistic submissiveness“ bezeichnet. Wollte Stefanowitsch dagegen etwas tun? Vor allem ist er stolz darauf, dass die Verwendung des Sternchens um mehr als das Zehnfache zugenommen habe, von unter 0,25 auf 2,5 Vorkommen pro zehn Millionen Wörter, meinte Stefanowitsch. Ob er/sie/es das wirklich ausgezählt hat? Denn allein, um im Sekundentakt bis zu einer Million zu zählen, braucht man ja etwa 11,5 Tage und Nächte. Aber es gibt ja Sternchenzählcomputer, in Deutschland vermutlich die Inkarnation von Künstlicher Intelligenz.
Der Stern soll es nun also richten und möglich machen, alle (60?) Geschlechter zugleich anzusprechen: Bürger*innen, Fußgänger*innen, Schüler*innen usw. Aber HALT: Verbrecher*innen, Klimasünder*innen, Raser*innen usw. werden eher nicht in den Genuss eines Sternchens kommen, denn solche Sachen sind bösen, weißen, alten, europäischen Männern vorbehalten. Und Terrorist*innen, Islamist*innen usw. geht aus Gründen der gebotenen Kultursensibilität schon gleich gar nicht. Und ob das „diverse“ Geschlecht mit den Sternchen einverstanden ist?
Also schreiben wir munter drauf los: Student*innen, Professor*innen, Forscher*innen, Lehrer*innen, Verkäufer*innen, Autofahrer*innen, Sportler*innen, Masseur*innen (oder Masseus*innen? Aber das ist etwas anderes!), Bademeister*innen, Jurymitglieder*innen (?). Lustig wird es bei Arzt*innen/Ärzt*innen (mit oder ohne Umlaut?), Gäst*innen oder Gast*innen (mit oder ohne Umlaut?). Mitglieder*innen scheinen auch schon üblich geworden, selbst wenn es – seit Jahrhunderten vorauseilend „divers“ – „das“ Mitglied heißt. Aber die genderistischen Konstruktivisten vermögen auch aus einem Wort im Neutrum ein Femininum zu machen.
Man könnte diesen erneuten Einschlag von hochideologisierter Sprachbarbarei als Spinnerei abtun, wenn diese Spinnerei unter dem Deckmantel von Wissenschaftlichkeit mittlerweile nicht epidemisch um sich griffe. Siehe das gegenderte Hannover, den gendergerechten Duden oder die Kommission für Rechtschreibung, die ernsthaft darüber nachdenkt, das „Sternchen“ quasi-amtlich einzuführen. Aber die Kommission brütet noch; im November 2018 hat sie beschlossen, die Verwendung des Sternchens noch etwas länger zu beobachten.
Nachtrag: Auf den Plätzen zwei und drei landeten für 2018 die Begriffe „Framing“ und „nice“. Zuvor hatte die Jury als Anglizismen des jeweiligen Jahres gewählt: „Influencer“ (2017), „Fake News“ (2016) und „Refugees Welcome“ (2015). Nachträglich ein WOW!
Noch ein Lektüretipp: Wie der Bamberger Germanist Helmut Glück den/die/das Forscher*in Stefanowitsch zerlegt, kann man hier nachlesen.