Tichys Einblick
Verlassen vom Staat:

Wie Gemeinden lernen, „Nein“ zur Migrationspolitik zu sagen

Deutsche Kleinstädte wie Illerkirchberg wurden vom Staat in Sachen Integration allein gelassen und zahlen die Zeche mit dem Leben ihrer Kinder. Doch endlich regt sich Widerstand und erste Gemeinden beginnen da, wo der Staat versagt, Grenzen zu setzen.

Symbolbild

IMAGO / Lobeca

Illerkirchberg ist eine kleine Gemeinde von nicht einmal 5000 Einwohnern. Unter normalen Umständen geraten solche Kleinstädte nur in die nationalen Medien, wenn ein berühmter Sportler oder Schauspieler dort geboren wurde. Oder wenn etwas Schlimmes passiert, eine Flut, ein Feuer, etwas in der Art. Das passiert, wenn es hochkommt, einmal pro Generation.

Illerkirchberg ist aber zum Stammgast in den nationalen Schlagzeilen geworden. Verdanken tut es diesen unerwünschten Ruhm der Migrationspolitik des Bundes. Dessen Politik als missglückt zu bezeichnen, würde voraussetzen, es gäbe einen Plan, der über das Fluten Deutschlands mit Flüchtlingen und (illegalen) Migranten hinausgeht. Stattdessen bewahrheitet sich fast täglich die Sinnbildlichkeit des achselzuckenden Merkel-Credos: „Jetzt sind sie halt da.“

„Ist halt so“, oder „kann man nichts machen“, scheinen immer häufiger die angedeuteten Variationen dieses Spruches zu sein, mit denen man auf die händeringende Verzweiflung von Gemeinden wie Illerkirchberg reagiert, wenn diese versuchen, aus dem Albtraum missglückter Flüchtlingshilfe wieder zu erwachen.

Statt Abschiebung Unterbringung am Tatort

Im Dezember wurde Illerkirchberg durch den Mord an der 14-jährigen Schülerin Ece deutschlandweit bekannt. Zwar hatte noch nicht jeder Kandel und den Mord an Mia vergessen, aber immerhin lag der schon 5 Jahre zurück. Viel eher dürfte im Gedächtnis der Illerkirchberger noch der Fall der Gruppenvergewaltigung einer 14-Jährigen im Illerkirchberger Flüchtlingsheim 2019 verankert sein.

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Von den vier verurteilten Tätern der damaligen Tat wurde kürzlich ein Iraker, nachdem er seine Haftstrafe abgesessen hatte, in sein Heimatland abgeschoben. Doch ein weiterer Täter, ein 30-jähriger Afghane, wurde nach seinem knapp zweijährigen Gefängnisaufenthalt kürzlich aus der Haft entlassen und aufgrund des Abschiebestopps nicht nach Afghanistan abgeschoben. Wie TE im Dezember berichtete, wandte sich bereits im Februar 2022 die baden-württembergische Justizministerin Marion Gentges (CDU) an Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und warnte, dass man im Falle einer Nicht-Abschiebung „Unmutsbekundungen und Unverständnis in der betroffenen Region“ erwarten müsse.

Doch Faeser kam der Bitte um Wiederaufnahme der Rückführungen nicht nach. „Jetzt ist er halt wieder frei.“ Doch selbst wenn man von einer Läuterung des Straftäters ausgeht, stellt sich sehr die Frage, ob man diesen unbedingt wieder am Ort seines Verbrechens einquartieren muss.

Genau das geschah aber. Die Bild berichtete, dass offensichtlich alle anderen angefragten Gemeinden in Baden-Württemberg mittlerweile ihre Lektion gelernt hatten und eine Aufnahme des entlassenen Sexualstraftäters ablehnten. Das sollte zumindest positiv stimmen, dass selbst in traditionell grünen Bundesländern irgendwann der Groschen fallen kann.

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Nur in Illerkirchberg hatte man davon wenig. „Wir waren gezwungen, ihn erneut unterzubringen“, berichtete der parteilose Bürgermeister Markus Häußler. Als sich dann kurze Zeit später der Mord an Ece zutrug, erhielt der Afghane aufgrund der aufgeheizten Stimmung sogar Polizeischutz. Kurze Zeit später tauchte er ab. Zwar kannte das Polizeipräsidium Ulm seine Anschrift und hatte sogar eine Fürsorgepflicht für ihn, doch selbst diese Fürsorge wurde hinfällig, als die Polizei seine Wohnung verlassen vorfand.

Der verurteilte Sexualstraftäter, der nach Eigenaussage „viele Probleme mit der Polizei habe“, hatte sowohl während seiner Zeit im Flüchtlingsheim in Illerkirchberg als auch in seiner Privatunterkunft mehrmals gegen die wöchentliche Meldepflicht verstoßen. Nun ist er vollkommen untergetaucht. Vertrauen in die Läuterung des Afghanen wird damit nicht unbedingt aufgebaut. Die Illerkirchberger werden dadurch vorerst nicht beruhigter schlafen.

Versagen auch im Umgang mit psychischen Erkrankungen

Illerkirchberg ist aber nicht der einzige Ort, der sich hier im Stich gelassen fühlen muss. Am Stuttgarter Landgericht begann nun der Prozess gegen den „in Deutschland geborenen Mann mit niederländischem Pass“, der am 10. Juni 2022 in eine Grundschule in Esslingen eindrang und auf ein 7-jähriges Mädchen, sowie eine Betreuerin, mit einem Messer mehrmals einstach und das Mädchen dabei schwer verletzte. Allerdings steht die Schuldfähigkeit des Mannes zur Debatte, da er offensichtliche Anzeichen einer psychischen Störung vorweist.

Die Formulierung, ein Täter sei „psychisch verwirrt“, wurde in den letzten Jahren derart inflationär gebraucht, dass die Glaubwürdigkeit dieser Erstdiagnose in Zweifel gezogen wurde. Viele Menschen vermuteten hinter dieser Floskel ein Mittel zur Vertuschung von Straftaten von Flüchtlingen oder Migranten. Doch noch einen Tag vor der Bluttat in Esslingen, in Reaktion auf die Amokfahrt von Gor H. tags zuvor in Berlin, schrieb die Psychologie-Studentin und TE-Autorin Pauline Schwarz über die tatsächlich existenten Probleme in der psychiatrischen Behandlung von Patienten.

Politik ignoriert das Problem
Psychisch gestörte Täter häufen sich - der Staat tut nichts
Die Thesen von Schwarz, die sich auf ihre Erfahrung in einem Betreuungsbüro stützen, suggerieren, dass der Kuschelkurs, den man seit Jahren im Umgang mit straffälligen Migranten beobachten kann, auch in der Behandlung nachweislich psychisch schwer kranker Menschen zu sehen ist. Im Kampf um die Rechte des Patienten sehen sich viele Ärzte nicht mehr bereit dazu, den Kampf gegen die Mühlen der Bürokratie fortzusetzen und für die Sicherheit sowohl der Umwelt, als letztlich auch der Patienten ein Machtwort zu sprechen. So kann es passieren, dass wenn es psychisch kranken Menschen oft genug gelingt, aus einer Pflegeeinrichtung „auszubrechen“, ihre Verwahrung nicht mehr gewährleistet werden kann und sie infolgedessen mit einer Entlassung belohnt werden.

Sollte sich also der Esslinger Täter als unzurechnungsfähig erweisen, dann gilt es nicht, den Fall mit einer Einweisung in ein Klinikum als abgeschlossen zu betrachten, sondern strukturell der Frage nachzugehen, wie es möglich ist, dass das Gesundheitswesen und die Politik offensichtlich strukturellen Unwillen beweisen, die Bevölkerung adäquat vor solch kranken Menschen zu schützen.

Noch deutlicher wird dies im Fall des Täters in Hamm, der ebenfalls am 10. Juni 2022 in der dortigen Hochschule eine 30-jährige Frau erstach. Der Täter aus Hamm befand sich seit Jahren in psychiatrischer Behandlung und hatte sich selbst erst kurz vor der Tat in ein psychiatrisches Krankenhaus wegen Suizidgefahr einweisen lassen. Dann allerdings hatte er sich selbst aus dem psychiatrischen Krankenhaus entlassen. Wenige Stunden später lief er Amok. Der Unwille, einem psychisch schwer kranken Menschen das Verlassen einer Klinik zu verbieten, kostete an diesem Tag einer jungen Frau das Leben.

Der Mut zum „Nein“ in Peutenhausen

Der neueste „Einzelfall“ (der Begriff wurde nebenbei von den Journalisten der Floskelwolke zur „Floskel des Jahres 2020“ gekürt) in Ibbenbüren, bei dem ein 17-jähriger Schüler nach einem Schulverweis seine 55-jährige Lehrerin erstach, birgt das Potenzial, beide Probleme in sich zu vereinen. Sinan Y., so der in der Presse kolportierte Name des Schülers, fiel bereits in der Vergangenheit durch aggressives Verhalten gegenüber Lehrern und Mitschülern auf. Er galt als Einzelgänger. Von einer Integration in die Gesellschaft kann, unabhängig von seiner Herkunft, also insgesamt keine Rede sein. Eine genauere Analyse des Geisteszustands des Täters steht noch aus. Was bleibt, ist die Frage, wie viele solch tickender Zeitbomben in Klassenzimmern und Vorlesungssälen noch sitzen und wie man gedenkt, dieser Situation Herr zu werden.

Ein Dorf macht zu
Nach kriminellen Taten: Bürgermeister kündigt Mietverträge für Flüchtlingsheime
Einen Versuch dazu wollte, mit den beschränkten zur Verfügung stehenden Mitteln, der Bürgermeister des 500-Einwohner-Dorfes Peutenhausen, starten. Mit der seit 2015 so bekannten Hilfsbereitschaft hatten auch die Peutenhausener sich der Aufnahme von Flüchtlingen geöffnet, nur um – wie ebenfalls seit 2015 so oft – nach bittersten Erfahrungen vollkommen desillusioniert zurück zu bleiben. Eine Reihe von Einbrüchen und Fälle von sexueller Belästigung führten bei der Peutenhausener Bevölkerung zu der Einsicht, dass man von Gästen, die sich nicht benehmen zu wissen, genug habe. Auch die anfängliche Bereitschaft, sich in der Flüchtlingshilfe zu engagieren, schwand im Zuge der negativen Erfahrungen. Die Hoffnung auf Unterstützung durch die zahlreichen Integrationshelfer des Landes wurde herb enttäuscht. Man sei „vollkommen überlastet“, das Problem müssen die Peutenhausener dann wohl selbst lösen.

Das taten sie nun auch: Der Bürgermeister kündigte dem Landratsamt die Mietverträge für zwei Migrantenunterkünfte. Ursprünglich wollte er diese sogar fristlos kündigen, doch das wurde vom Landratsamt nicht akzeptiert, sodass die Verträge nun jeweils zum Jahresende 2023 und zum 31. März 2024 auslaufen. Ob das die Stimmung und Integrationswilligkeit in den Peutenhausener Migrantenunterkünften steigert, darf bezweifelt werden. Man kann für die Peutenhausener nur hoffen, dass die Zeit bis 31. März 2024 halbwegs ereignislos bleibt.

Peutenhausen ist nicht alleine in seinem Frust. Immer mehr Dörfer und Kleinstädte wagen mittlerweile den offenen Protest gegen eine Migrationspolitik, die den guten Willen der Bürger ausnutzte, um sie letztlich mit ihren Problem vollkommen im Stich zu lassen. Während Bund und Länder vor allem Interesse an der Darstellung ihrer moralingestützten Haltung haben, erwacht in den Gemeinschaften, die die Suppe auszulöffeln haben, ein Widerstand, der bereit ist, sich zum Selbstschutz auch gegen den alles bestimmenden moralischen Imperativ zu stellen. Möge es Schule machen, möge es Leben retten.

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