Man könnte es fast für ein klassisches Sommerloch-Thema halten, den Versuch einiger Bundestagsabgeordneter, einen Antrag für ein Verbot der AfD als Partei zu stellen, genauer „über die Einleitung eines Verfahrens zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit der ‚Alternative für Deutschland‘ gemäß Artikel 21 Absatz 2, Absatz 3, Absatz 4 des Grundgesetzes i. V. m. § 13 Nummer 2, §§ 43 ff. des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes“.
Auf der Webseite zum Antrag verkündet indessen eine Überschrift: „Wer wir sind & was uns zu diesem Schritt bewegt“. Im Impressum zeichnen für diese Seite verantwortlich: Martina Renner, Stefan Seidler, Till Steffen, Marco Wanderwitz, Carmen Wegge. Doch offensichtlich kennt der Abgeordnete Marco Wanderwitz, der den Antrag initiierte, nicht die Semantik des Interrogativpronomens „wer“, denn wenn man eines nicht erfährt, dann, wer die 38 Abgeordneten des Deutschen Bundestages sind, die Wanderwitzens Antrag unterstützen. Schaut man dann auf den Antrag selbst, kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus, denn dort steht: „Antrag der Abgeordneten […]“. Üblich ist es bei Anträgen für den Deutschen Bundestag, dass dort, wo die eingeklammerten Pünktchen stehen, die Namen der antragstellenden Abgeordneten aufgeführt werden.
Wie immer, wenn statt Transparenz Geheimhaltung bevorzugt wird – und das in den öffentlichen Angelegenheiten –, entstehen Gerüchte: So tauchte in den sozialen Medien eine Liste von Bundestagsabgeordneten auf, die angeblich Wanderwitzens Antrag unterstützen. Deshalb – aus Gründen der Transparenz – schrieben wir wieder an Marco Wanderwitz: „informieren und kommentieren werden wir, wie es unsere Aufgabe ist. Unsere Frage lautet deshalb, welche Bundestagsabgeordneten unterstützen die Initiative zum AfD-Verbot. Im Internet kursiert diese Liste: Marco Wanderwitz (CDU), Roderich Kiesewetter (CDU), Irene Mihalic (G), Mishba Khan (G), Taher Saleh (G), Jamila Schäfer (G), Aydan Özoguz (SPD), Ralph Stegner (SPD), Reem Alabali-Radovan (SPD), Adis Ahmetovic (SPD), Martina Renner (L), Carmen Wegge (SPD), Holger Becker (SPD), Ina Latendorf (L), Anke Domscheid (L), Kathrin Henneberger (G), Tim Klüssendorf (SPD), Nezahat Baradari (SPD), Jan Korte (L), Helge Lindh (SPD), Canan Bayram (G), Paula Piechotta (G), Cornelia Möhring (L), Hakan Demir (SPD), Volker Ullrich (CSU), Gökay Akbulut (L), Clara Bünger (L), Sanae Abdi (SPD), Gesine Lötzsch (L), Maja Wallstein (SPD), Metin Hakverdi (SPD), Anika Klose (SPD), Bruno Hönel (G), Karamba Diaby (SPD), Anikó Glogowski (FDP), Erik v Malottki (SPD), Petra Sitte (L), Karoline Otte (G), Sebastian Roloff (SPD), Ana-Maria Trăsnea (SPD).“ Ana-Maria Trăsnea fällt aus der Liste heraus, weil sie im Zuge der Wahlwiederholung ihr Bundestagsmandat verlor.
Auf unsere erneute Anfrage erhielten wir von dem Abgeordneten Wanderwitz, der als Volksvertreter zur Offenheit und zur Information verpflichtet ist, keine Antwort mehr.
Ganz gleich, wie man zu dem Antrag steht, hat der Politiker der Grünen, Bruno Hönel sich dazu bekannt, den Antrag von Marco Wanderwitz zu unterstützen. Und auch Gökay Akbulut von den Linken antwortete klar und deutlich, dass sie diesen Antrag unterstützt. Tim Klüssendorf von der SPD teilte mit, dass er „den Antrag von Marco Wanderwitz daher derzeit nicht“ unterstützt, weil vorher klar sein müsste, dass dieser Antrag vor Gericht auch besteht und Erfolg hat.
Volker Ullrich, Rechtspolitischer Sprecher der CSU im Deutschen Bundestag, antwortete uns: „Die AfD ist insgesamt ein rechtsextremistischer Verdachtsfall, einige Landesverbände gelten auch als gesichert rechtsextrem. Allerdings ist der Weg eines Parteiverbots juristisch und politisch schwierig. Der Weg eines Parteiverbots ist auch verfahrensmäßig sehr langwierig. In der Abwägung und im Endergebnis bin ich daher gegen ein Verbotsverfahren. Vielmehr müssen wir die AfD noch deutlicher politisch und inhaltlich stellen.“
Sehr klar war auch das Statement von Anikó Glogowski-Merten (FDP), die uns wissen ließ: „Ich sehe einen Verbotsantrag weder rechtlich, noch politisch begründbar. Der Versuch, die AfD politisch klein zu halten, würde die Partei lediglich diffus stärken und die vermeintlich demokratische Idee dahinter konterkarieren. Als Liberale unterstütze ich diesen Antrag nicht und behalte mir rechtliche Schritte hinsichtlich meiner ‚Namensverwendung‘ vor.“ Ihr Statement leitete Frau Anikó Glogowski-Merten mit dem Satz ein: „Ihre Auffassung hinsichtlich der Transparenz teile ich uneingeschränkt und beantworte Ihnen Ihre Frage entsprechend gerne.“ Sie weiß offenbar, was die eigentliche Grundlage politischen Handelns sein sollte.
Ein Antrag, für dessen Formulierung und Bewerbung in den Medien der Abgeordnete Wanderwitz seit Monaten vom deutschen Volk königlich bezahlt wird, soll im Bundestag beraten werden, ein Antrag, der allerdings eher einer geheimen Verschlusssache ähnelt, von dem nicht nur die Unterstützer bis auf drei Ausnahmen nicht bekannt sind und zu dem sich ein Großteil dieser Unterstützer offensichtlich nicht bekennen. Warum? Ist das Demokratie? Ist das Transparenz? Es dürfte jedenfalls neu sein im deutschen Volksvertretungswesen. Hoffen die Unterstützer, dass der Bundestag in aller Heimlichkeit den Antrag annehmen wird und kaum ein Abgeordneter namentlich in Erscheinung treten muss?
Am 15. Oktober hatte die Unionsfraktion über den Gruppenantrag beraten und kam zu dem Schluss: „Mit überragender Mehrheit hat unsere Fraktion sich dazu entschieden, dem Gruppenantrag zur Einleitung eines Verbotsverfahrens gegen die AfD nicht beizutreten. Die Fraktion hält den Versuch eines Verbots der AfD zum jetzigen Zeitpunkt für juristisch nicht erfolgversprechend und politisch kontraproduktiv.“ Allerdings wird der Antrag „von einer einstelligen Zahl von Abgeordneten der CDU/CSU-Bundestagsfraktion“, wie es im Briefing der Fraktion heißt, unterstützt. Aus der Fraktion hört man, dass es wohl sieben Abgeordnete seien. Auch lässt sich aus Kreisen der Fraktion vernehmen, dass der Abgeordnete Roderich Kiesewetter zu den Unterstützern des Antrags gehören soll. Es liegt an ihm, für Klarheit zu sorgen. Sein Schweigen und Ausweichen zeugt nicht von der Achtung, die er dem Souverän schuldig ist. Demokratie ist kein geheimes Kommandounternehmen.
Von welcher Seite man es auch betrachtet, nichts ist gerade an dem Vorgang, bizarr ist er in jeder Wendung. In den höchsten moralischen Höhen zu argumentieren, macht einen Vorgang nicht besser, der in keiner seiner Wendungen lauter ist. Man versucht administrativ etwas zu regeln, das man argumentativ nicht in der Lage ist zu bewältigen.
Aber vielleicht gelingt es ja Robert Habeck und den grünaffinen Medien noch, dem staunenden Volk weiszumachen, dass selbst an der Krise bei VW die AfD schuld ist.