Das bekannteste FDJ- Lied in der DDR begann mit der Aufforderung: Bau auf, bau auf, bau auf, bau auf, Freie Deutsche Jugend, bau auf! Für eine bess´re Zukunft richten wir die Heimat auf!
Den deutschen Automobilgewerkschaften hätte man in den letzten fünf Jahren ähnliches zurufen können: Wacht auf, wacht auf, wacht auf, deutsche Metaller wacht auf, für eine sichere Arbeit rüsten wir den Verbrenner auf.“
„Die IG Metall hat tatsächlich geglaubt, sich zum Nutzen der Arbeitnehmer für die Elektromobilität engagieren zu müssen. Doch damit ist sie in eine Falle gegangen. Kurz: Die IG Metall wird zum Opfer ihrer Naivität …“ (Kai Ruhsert).
Offensichtlich sind die Alarmmeldungen aus den Medien inzwischen in den Gewerkschaftszentralen angekommen:
- VW-Chef warnt vor Abbau von 30.000 Arbeitsplätzen
- MAN vor Jobkahlschlag: Bis zu 7000 Stellen in Deutschland gefährdet
- Update: Daimler plant offenbar weiteren Stellenabbau
- Bosch schließt mehrere Standorte
- Bei Daimler sollen allein im Werk Untertürkheim 4000 Arbeitsplätze vernichtet werden
- Damit Deutschland Industrieland bleibt um in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben fordert die IG Metall „500 Mrd. Euro öffentliche Zukunftsinvestitionen bis 2030“ an Subventionen durch die Bundesregierung
- IG-Metall-Aktionstag am 29. Oktober in Stuttgart: „Wir haben die Schnauze voll von Masterplänen“: IG Metall fordert sozial-ökologischen Wandel
- IG Metaller-Chef Hofmann fordert von Arbeitsminister Hubertus Heil ein „Sicherheitsversprechen“, also keine transformationsbedingten Entlassungen bis 2030
Bei einer Kundgebung nahe dem Berliner Reichstagsgebäude sagte IG-Metall-Chef Jörg Hofmann, dass in den kommenden zehn Jahren 500 Milliarden Euro nötig seien, um den ökologischen und digitalen Wandel zu unterstützen. Die Gewerkschaft pocht auf verbindliche Zusagen für Beschäftigung und Qualifizierung.
Welch ein Kontrast zu der bisherigen Haltung der IG Metall. Die war bisher „Anschub für Elektromobilität … Die IG Metall ist dabei.“ Die IG Metall hatte tatsächlich geglaubt, sie müsse sich zum Vorteil der Metaller in der Branche für die Pläne der Bundesregierung zur Elektrifizierung der Automobilflotte engagieren.
Kurz: Die Gewerkschaften sind der Politik auf den „grünen Leim“ gegangen. Von den rund 800.000 Arbeitsplätzen in der Autoindustrie stehen etwa 200.000 auf der Elektrisierungs-Kippe.
Die pessimistischsten Szenarien über die künftige Entwicklung der Autoindustrie sehen wie folgt aus:
- Die Produktion von Verbrennungsmotoren wird bis 2030 in Europa flächendeckend eingestellt; diese Jobs sind verloren und kehren nicht mehr zurück.
- Die Produktion von E-Autos erfordert erheblich weniger Arbeitskräfte und kann den Verbrennerverlust nicht kompensieren.
- Die deutschen Autohersteller begeben sich mit der Verbrenneraufgabe ihrer in Jahrzehnten aufgebauten globalen Spitzenposition und Kernkompetenz im Automobilantrieb.
- Sie geben damit ihren einzigartigen Knowhow-Vorsprung auf und begeben sich in Wettbewerbs Niederungen der globalen Elektroauto-Hersteller, absehbar in Zukunft aus China. E-Autos bauen ist erheblich einfacher und kann irgendwie jeder, auch automobile Nachzügler.
- Die große Kunst beim Bau von Elektroautos liegt im Bau und im gefahrlosen Management der notwenigen Speicherbatterien und deren Einpassung in die Karossen. Tesla ist in dieser Kunst Marktführer.
- Bei E-Autos sind deutsche Hersteller in Zukunft starker Konkurrenz mit strategischen Vorteilen (etwa bei Rohstoffversorgung, Energiekosten und Skaleneffekten) ausgesetzt. Als Folge können heute noch unbekannte chinesische E-Auto-Marken stärker nach Europa drängen, was ihnen bei Verbrennerautos nicht gelungen ist.
- Der Fluch der Digitalisierung führt dazu, dass aus tradierten und begehrten Automarken mit Heritage und hohem Imagefaktor beliebige 08/15-Gebrauchsautos werden (z.B. Car-Sharing), austauschbar und ohne flair.
- Autonomes Fahren ist ein anderer Trend. Die Freude am Fahren wird im Dauerstau und bei Stop-and-Go Autobahnfahrten sehr rasch zur Last am Fahren. Autonomes Fahren und Roboterautos sollen Abhilfe schaffen, vernichten dabei das Marken-Alleinstellungsmerkmal. Deutsche Hersteller verlieren damit ihr in Jahrzehnten erworbenes Marken –und qualitätsmerkmal und damit das hochpreisige Verkaufsargument.
Makroökonische Zwänge mit einer drastischen Verschlechterung der Rahmenbedingungen für die erfolgsverwöhnte Autobranche kommen hinzu:
- Ein Vollausbau der Elektromobilität ist technisch unmöglich:
- es fehlt nicht nur an „grünem“ Strom sondern, schlimmer noch, es fehlt auch in Zukunft auch noch am bisherigen „schmutzigem“ Kohle- und Atomstrom, zumindest in Deutschland. Atomkraftwerke werden bis 2023 stillgelegt, Kohlekraftwerke folgen bis 2030 nach, so die Pläne der Politik. Eine große Stromlücke kündigt sich, die umso größer wird, je mehr Elektroautos auf den Straßen unterwegs sind.
- Aber selbst wenn Strom ausreichend zur Verfügung stünde fehlt es an Netzleistung, die dazu um ein Vielfaches erhöht werden müsste. Berechnungen für die Schweiz kommen zu dem Ergebnis: wenn bei einer Vollelektrisierung der Schweizer Autoflotte (4,7 Millionen) mit BEV, nur 3 Prozent der Autos gleichzeitig mit 50 kW betankt würde, müsste die Netzwerkkapazität der Schweiz auf 15 GW verdoppelt werden. Oder die berühmten Eisenbahnen stünden still. –Und in Deutschland wären rd.46 Millionen E-Autos zu betanken. Und das gleichzeitig – eine Horror Vorstellung für Netzwerkbetreiber.
- Noch schlimmer für die Metaller in den Autoindustrien ist aber das Ergebnis von politischen Auftragsstudien über eine anzustrebende mögliche Verkehrswende. Eine Vollelektrifizierung der gesamten Autoflotte ist nach den Vorgaben der Auftraggeber ohnehin nie beabsichtigt gewesen! Denn diese aktuellen Auftragsstudien über die Verkehrswende propagieren durchweg eine massive Verringerung des Autobestands. (Kai Ruhsert).
Sollte dies öffentlich zum Thema werden, hätte die neue Regierung nicht nur einen schweren Stand, sondern auch nur einen kurzen Bestand!
Für die Autohersteller bedeutet das im Klartext: Ihr Absatzmarkt schrumpft – so oder so. Und für die Belegschaften und die IG Metaller bedeutet das: Die Anzahl der Mitarbeiter und Mitglieder wird drastisch zurückgehen.
Sollte die sich abzeichnende Strommangelwirtschaft unerwartete Einsichten hervorbringen und die Politik zur anhaltenden Duldung der Verbrenner zwingen, so könnten diese Einsichten zu spät kommen. Wie schon in Schillers Glocke beschrieben: „Der Wahn war kurz, die Reu ist lang…“ könnte die Verbrennerproduktion bis dahin aus Deutschland abgewandert sein und woanders produziert werden. Angesichts hoher Lohnkosten und der von Politik, Medien und städtischen Randgruppen mit hoher ÖPV- Sättigung, ohne Autobedarfe wie die Landbevölkerung, propagierten Autofeindlichkeit wird kein Hersteller in Deutschland Produktionskapazitäten für Verbrenner aufrechterhalten, geschweige denn wieder aufbauen. Eine Fertigung im kostengünstigeren Ausland wäre zwar denkbar; wahrscheinlicher ist jedoch die Verdrängung der europäischen Hersteller vom Verbrennermarkt durch asiatische Hersteller, die in der Zwischenzeit das deutsche Know-how und auch auch die Produktionsanlagen übernommen haben werden, siehe Putzmeister und Kuka. Folge: Moderne Verbrennermotoren werden zukünftig aus Asien kommen, da die technische Weiterentwicklung bis dahin ebenfalls dorthin abgewandert ist.
Eine besonders bittere Ironie der Geschichte ist es, dass am Ende die hochqualifizierten Jobs in der Autoindustrie vollkommen sinnlos geopfert wurden. Denn die Elektromobilität ist zur Verringerung der Treibhausgasemissionen nutzlos: Solange der Ladestrom im Netz mit Fossilstrom ausgeglichen werden muss, sind die Emissionen keineswegs niedriger als die von Autos mit Verbrennungsmotoren.