Tichys Einblick
Unzufriedene sind immer unzufrieden

Gedanken nach der Islamkonferenz – Anspruch, Wirklichkeit und Dankbarkeit

Wie soll ein Staat mit dauerhaft unzufriedenen Empörungs-Profis umgehen? Vielleicht wäre es ein kluger Anfang, wieder einmal so selbstbewusst wie konsequent zu sagen: Jetzt ist auch mal gut!

© Getty Images

Der Staat in Person des Innenministeriums rief jüngst zur Islamkonferenz. Was für eine edle, über alles zu Erwartende hinausgehende Geste! Eigentlich sollte im demokratischen Westen eine klare Trennung zwischen dem Staat und allen Religionen verlaufen! Ob die einzelnen Bürger an uralte Schriften und vordemokratische Lehren glauben, ob sie zu unsichtbaren Instanzen reden oder sich selbst irgendwelche Speisen versagen, all das sollte einem aufgeklärten Staat egal sein, solange sich alle an die säkular-demokratischen Gesetze halten.

Man könnte ja fragen: Warum gibt es überhaupt eine Islam-Konferenz? Und: Warum gibt es etwa keine staatliche Buddhismus-Konferenz? Wir kennen die Antwort: Weil Loslassen und Meditieren und alles Leben als heilig zu betrachten die Gesellschaft nicht in ihrer Existenz bedroht.

(Randnotiz: Wenn schon eine spirituell angehauchte Konferenz auf Kosten der Steuerzahler, warum nicht eine zur Achtsamkeit? Das wäre gut investiertes Steuergeld!)

Islamkonferenz
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Ich plädiere für einen Staat, der sich mit keiner einzigen Religion gemeinmacht, sondern zu allen die gleiche, im Zweifelsfall kritische (von mir aus: neutrale) Distanz hält (siehe auch: Wenn Politiker sich aufmachen, Religionen zu reformieren). Aber gut, es ist nicht zu leugnen, dass es immer wieder Probleme mit Vertretern der einen Religion gibt – der Verfassungsschutz beschäftigt sich eher seltener mit radikalisierten Meditierern oder fanatischen Räucherstäbchen-Anzündern. Der Staat tritt aus seiner Rolle als über den Dingen stehender Garant von Recht und Ordnung heraus, und er begibt sich in die unscharfen Sphären von Fragen wie, wer der richtige Nachfolger eines Propheten sei, welche Kopftracht man als Abgrenzung von den Frauen der Kuffar tragen soll und andere Dinge, für welche die Organe eines westlichen Staates nun wirklich nicht zuständig sein sollten.

Wie aber reagieren die Eingeladenen? Hören wir ein peinliches Berührtsein darüber, dass der Staat sich in die Angelegenheiten einer Religion einmischen muss? Hören wir den Willen, seine Probleme dann doch selbst in den Griff zu bekommen? Hören wir ernste Versuche, sein eigenes Denken an die Neuzeit anzupassen? Hören wir, zum Kuckuck nochmal, Dankbarkeit, dass mit dem Geld mehrheitlich »Ungläubiger« eine Veranstaltung für die Religion einer Minderheit bezahlt und organisiert wird, dass Ressourcen dafür verbrannt werden, statt diese Zeit und Aufmerksamkeit für Zukunftsfragen wie Digitalisierung, Mobilität und Forschung zu investieren?

Türkische Familien
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Auf dem Buffet, hören wir, wagte der Staat frecherweise, neben dem Fleisch nach religiösen Regeln auch Essen für die »Ungläubigen« anzubieten, die ja ebenfalls anwesend waren (siehe z.B. bild.de, 1.12.2018) – und darüber empörten sich die Empörungs-Profis! – Aiman Mazyek vom Zentralrat der Muslime fordert (»ich fordere«) eine »Nachschulung« der Behördenvertreter (@aimanMazyek, 1.12.2018). Tuncay Özdamar vom WDR sieht mangelnden »Respekt« vor Muslimen (@TuncayOezdamar, 29.11.2018). (Mancher Deutscher wird aus seiner Erfahrung heraus nervös, wenn Menschen mit Hintergrund in robusteren Kulturen für sich »Respekt« fordern – in jenen Kulturen gilt womöglich nicht, dass Respekt sich verdient wird, sondern eher dass er via Machtbeweis oder gar Gewalt erzwungen wird.) Und, kein Empörungszug wäre vollständig, wenn nicht der Grüne Volker Beck aufspränge, um im blanken Vorhandensein nicht-muslimischen Essens einen Mangel an erkannter »Vielfalt« zu sehen (@volkerbeck, 29.11.2018) – immerhin eine sehr ehrliche Definition davon, was die Bullshit-Vokabel »Vielfalt« tatsächlich bedeutet.

Wissen Sie, was mir in der Debatte fehlt? Dankbarkeit! Wo bleibt die Dankbarkeit? Ein christlich geprägter Staat verbiegt sich rückwärts, um Gläubigen zu begegnen, die in allen anderen »Ungläubige« sehen. Während man sich in klügeren Teilen der Welt mit Zukunftstechnologien, Bildung und gesellschaftlicher Stabilität beschäftigt, beschäftigt sich Deutschland allen Ernstes mit Religionen und Glaubenssätzen, als hätte es die Aufklärung nie gegeben – und statt Dankbarkeit kommt zurück: Beschwerden, Forderungen und sogar Diffamierungen.

Das Problem mangelnder Dankbarkeit ist größer als »nur« die Abwesenheit von Anstand und »Respekt« seitens derer, die Respekt selbst am lautesten einfordern. Das Problem ist leider größer: undankbare Menschen werden immer, immer unzufrieden bleiben.

Bassam Tibi: Gehört der Islam zu Deutschland?
Eliten wie denen in Berlin (oder auch Paris!) ist die Seelenmechanik »normaler« Menschen erschreckend fremd. Das simple Dilemma ist: ein prinzipiell undankbarer Mensch kennt keine Zufriedenheit. Einen prinzipiell undankbaren Menschen zufriedenstellen zu wollen, das ist wie ein Fass ohne Boden mit Wasser zu füllen zu versuchen – alles Wasser der Welt wird nicht genügen, denn das Fass wird stets auslaufen.

Es gilt: Wenn ein Mensch den anderen ausnutzt, dann gehören immer zwei dazu! Einer, der ausnutzt, und einer, der sich ausnutzen lässt. »Blutwurstgate« zeigt, dass man es mit einigen lautstarken Leuten zu tun hat, die immer unzufrieden sein werden, die immer mehr fordern werden, die möglicherweise Dankbarkeit (gegenüber »Ungläubigen«) als Konzept überhaupt nicht kennen.

Die Kandidaten und die Konferenz
Gesucht: Der Islam, der zu Deutschland gehört
Ich kann verstehen, wenn gewisse Funktionäre immer weiter undankbar fordern und fordern und fordern – es funktioniert ja, drum heißen sie »Funktionäre«! Was ich nicht verstehen kann, ist die deutsche Unterwerfungsmentalität. Ein kluger Staat würde auch mal die eine banale Frage stellen: Wenn hier alles so schrecklich ist, wenn ihr hier keinen Respekt bekommt, wenn es immer noch einen Anlass gibt, irgendein Detail rassistisch, unvielfältig, nicht vielfältig genug oder schlimm intolerant zu finden – wieso genau wollen dann Muslime aus der ganzen Welt genau hierhin?! Wieso leben so viele Muslime so viel lieber in diesem »intoleranten« Land als in ihrer muslimischen Heimat? – Das ist, was ein kluger Staat fragen würde, doch das ist nicht, was der links-grüne Staat fragt.

Herr Özdamar vom WDR ist sich sicher, dass das Innenministerium sich unterwerfen wird:

»Als Enthüller von #Blutwurstgate bin ich mir sicher, dass die nächste #Islamkonferenz definitiv schweinefleisch-frei sein wird.« (@TuncayOezdamar, 30.11.2018)

Der Staatsfunkler hat natürlich recht – doch werden die Gäste dann endlich zufrieden sein, werden sie dankbar sein? Ich würde ganz bestimmt nicht darauf wetten, zudem Glücksspiel als haram gilt (Sure 5, Vers 89).

Versuche nicht, den Undankbaren zufrieden zu stellen! Selbst wenn du deinen Kindern das Abendbrot entsagst, um dem Undankbaren den Pudding zum Nachtisch zu finanzieren, wird der nicht zufrieden sein, sondern schimpfen, dass es zu wenig Pudding sei!

Ich bin nicht abschließend sicher, wie ein Staat mit undankbaren, dauerhaft unzufriedenen Empörungs-Profis umgehen soll, doch es wäre ein kluger Anfang, wieder einmal so selbstbewusst wie konsequent zu sagen: Jetzt ist auch mal gut!


Dieser Beitrag erschien zuerst auf dushanwegner.com.

Dushan Wegner (geb. 1974 in Tschechien, Mag. Philosophie 2008 in Köln) pendelt als Publizist zwischen Berlin, Bayern und den Kanaren. In seinem Buch „Relevante Strukturen“ erklärt Wegner, wie er ethische Vorhersagen trifft und warum Glück immer Ordnung braucht.

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