Tichys Einblick
Frieren für die grüne Dystopie?

Gas-Notfallplan: Die Bundesregierung setzt Prioritäten – doch nicht für die Bürger

Die Hoffnung, dass die Wirklichkeit die Regierung zum Realismus zwingt, ist wohl vergeblich. Beim Berlin Energy Transition Dialogue wird klar, was Habeck und Baerbock wirklich wichtig ist – und wie eng das Machtgefüge zwischen Regierung, NGOs und der Erneuerbaren-Branche geknüpft ist.

Jennifer Morgan, Staatssekretärin im Auswärtigen Amt, Annalena Baerbock, Außenministerin, und Robert Habeck, Bundeswirtschaftsminister, beim Berlin Energy Transition Dialogue, 29.03.2022

IMAGO / photothek

Zwei Meldungen zeigen, dass die deutsche Regierung weiterhin im Reich der Utopien zu schwelgen scheint. Am Dienstag eröffnete Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck mit Annalena Baerbock zusammen den 8. Berlin Energy Transition Dialogue (BETD). Nach eigenen Angaben dient die Veranstaltung als „Dialogforum für Akteure sowie Entscheiderinnen und Entscheider der globalen Energiewende“ für „kluge Köpfe, die diskussionsfreudig sind und den Austausch zur globalen Energiewende gestalten“. Wirft man einen Blick auf Programm und Akteure, gibt man sich allerdings mit dem Begriff Energiewende allzu bescheiden. Es geht um den kompletten Gesellschaftsumbau, um die große Transformation, die die ergrünte Finanzwelt, die grünen NGOs und die EEG-Millionäre reicher machen wird auf Kosten des dahin schwindenden Wohlstandes der Bürger. 

Die Wirklichkeit spricht indes eine klare Sprache: Gestern eröffnete Habeck diese Konferenz, heute rief der Minister die Frühwarnstufe des Notfallplans Gas aus. Man könnte meinen, der Mann habe Wichtigeres zu tun, also vor den Lobbyisten der großen Transformation zu reden, zum Beispiel sich um die deutsche Energiesicherheit zu kümmern, also um die nationalen Interessen, die ganz konkret die Interessen der Bürger, der Steuerzahler, der Familien, der Kinder sind. Aber dem Bürger hatte ja Robert Habeck schon große Zumutungen versprochen. Sie werden größer als groß ausfallen. Doch mag das in seinen Augen keine Priorität besitzen, denn die Versorgungssicherheit sei weiter gewährleistet, versicherte der Minister. Weiter schon. Doch wie weit reicht Habecks „weiter“? Weiß er das? Will er das wissen? 

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Habecks Frühwarnstufe im »Notfallplan Gas« – und Putins leises Zurückrudern
Nach seinem Besuch in Katar hatte Robert Habeck die Deutschen mit der Botschaft beruhigt, dass mit Katar „eine langfristige Energiepartnerschaft vereinbart“ worden sei, wie die Tagesschau berichtete. „Das sei „großartigerweise“ fest vereinbart worden, sagte Habeck nach einem Treffen mit dem Emir von Katar, Tamim bin Hamad Al Thani, in Doha. Wenig später gab sich der Energieminister von Katar, al Kaabi, erstaunt, denn von einer festen Vereinbarung wisse er nichts, man habe lediglich besprochen, die Zusammenarbeit zu intensivieren. Doch werde es etwas länger dauern, ehe Erdgas aus Katar nach Deutschland kommt, denn nicht nur, dass erst die betreffende Infrastruktur, also Hafen-Terminals geschaffen werden müssen, auch ist fast das gesamte katarische Erdgas durch feste Lieferverträge bis 2026 verkauft. Dann erst ergäben sich freie Kapazitäten, weil Katar die Fördermenge erhöhen will. Im Klartext heißt das für Deutschland: im Winter 2022, im Winter 2023, im Winter 2024, im Winter 2025 und im Winter 2026 könnte frieren angesagt sein – fünf lange Winter lang. 

Selbst wenn man unterstellt, dass al Kaabi aus Verhandlungsgründen die Schwierigkeiten höher ansetzt, als sie sein müssten, wird wohl kaum vor 2024 mit Lieferungen aus Katar zu rechnen sein. Und sehr teuer wird es ohnehin. Letzteres kann Robert Habeck egal sein, wenn er es nicht sogar billigend in Kauf nimmt. Etwas wird von den reichlichen Steuereinnahmen – der Verelendungsdividende des Staates – dann eben nach unten umverteilt, und die Mitte der Gesellschaft darf Habecks Transformationsphantasien finanzieren mit dem, was sie jeden Tag durch fleißige Arbeit erwirtschaftet hat. Bis ihr selbst nichts mehr bleibt, nicht den Bürgern, nicht den Familien, nicht den Kindern. Reicher werden dagegen die Herrschaften auf der Berliner Konferenz. So geht grüne Umverteilung. Habecks Utopie ist die Dystopie der Verelendung, die große Transformation in den Niedergang.

Insofern ist es verständlich, dass sich der Bundeswirtschaftsminister lieber von der tristen Wirklichkeit bei denen erholt, die seine Utopie teilen und an seiner Transformation verdienen: Veranstaltet wird der Berlin Energy Transition Dialogue von der Bundesregierung gemeinsam mit dem Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE), dem Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar), der Deutschen Energie-Agentur (dena) sowie eclareon. Über sich sagt eclareon, dass es „ein auf die Energie- und Umwelttechnikmärkte und auf Klimaschutzpolitiken spezialisiertes und international tätiges Beratungsunternehmen“ sei. Man betreibe Wirtschaftsberatung, Industrieberatung und Politikberatung weltweit. Zu den Finanziers der Projekte von eclareon gehört die EU-Administration, aber auch Stiftungen, die wiederum von Stiftungen finanziert werden. Interessant ist, dass eclareon als Veranstalter des Berlin Energy Transition Dialogues auftritt, Auftraggeber und Geldgeber für dieses Projekt aber das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und das Auswärtige Amt sind.

Wie die Transformationslobby auch den Krieg in der Ukraine für ihre Zwecke instrumentalisiert, zeigt ein Statement von eclareion zur Bewerbung eines ihrer Projekte:

„Am 14. März hat eclareon einen neuen, einzigartigen Bericht veröffentlicht, in dem die Hindernisse für Wind- und Solarenergieprojekte in allen 27 EU-Ländern und im Vereinigten Königreich identifiziert und bewertet werden. Der Bericht erscheint weniger als eine Woche, nachdem die Europäische Union als Reaktion auf den Krieg von Präsident Putin in der Ukraine Pläne angekündigt hat, ‚Europa weit vor 2030 von russischen fossilen Brennstoffen unabhängig zu machen‘. Die Beschleunigung des Baus von Wind- und Solarprojekten ist von entscheidender Bedeutung, wenn die EU und das Vereinigte Königreich Putins Einfluss auf den europäischen Energiemarkt brechen wollen. Die neue Studie von Eclareon zeigt, dass es in allen Ländern erhebliche Hindernisse für Projekte gibt, wobei administrative Prozesse wie Planung und Genehmigung die häufigsten und schwerwiegendsten Probleme sind, die die Entwicklung neuer erneuerbarer Energien in Europa behindern …“

Diese Stellungnahme erweckt den Eindruck, als ob für eclareon der Krieg nun die Gelegenheit sei, um die „Hindernisse“ für „die Einführung von Wind- und Solarprojekten“ aus dem Weg zu räumen. Diese Hindernisse übrigens beinhalten auch Freiheitsrechte der Bürger. 

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Und als hätte Habeck sich für seine Rede von eclareon inspirieren lassen, sagte der Minister zur Eröffnung: „Der völkerrechtswidrige russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat die Frage der Energiesicherheit auch in das Zentrum der internationalen Diskussion gerückt. Wir müssen mehr denn je für eine globale Energiewende werben und den globalen Ausbau Erneuerbarer Energien ebenso wie die Steigerung der Energieeffizienz entschlossen vorantreiben … Wichtigster Schlüssel für Energie-Souveränität ist aber der Ausbau der Erneuerbaren Energien. Er ist eine Frage der nationalen, europäischen und internationalen Sicherheit.“ Während also in Deutschland bald die Lichter auszugehen, die Autos und die Fließbänder stillzustehen drohen, denkt der Bundeswirtschaftsminister darüber nach, wie die schon jetzt hoch subventionierten Betreiber erneuerbarer Energien noch reicher gemacht, wie das ganze Land schnellstmöglich verspargelt – und das Recht der Bürger zum Widerstand geschliffen werden kann. 

Dass erneuerbare Energien nur die eine Seite der großen Transformation darstellen, belegt ein Blick auf Teilnehmer und Themen der Veranstaltungen. Da können Vertreter von Fridays for Future ihren gesamten Sachverstand zu energiepolitischen Fragen, der ihnen vom Heiligen Geist des Ichmalemirdieweltwiesiemirgefällt eingegeben wurde, applauspflichtig zu Protokoll geben. Und auch der Sender-Energy-Nexus als zentrales Thema darf nicht fehlen. Wenn die Quote stimmt, wird es sicher auch mit der Energieerzeugung klappen.

Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, deren Kenntnisse zu Fragen der Energie inzwischen populär sind, meint, dass angesichts „des brutalen russischen Angriffskriegs“ „die globale Energiewende und die Bekämpfung der Klimakrise … heute harte Geopolitik“ wären. Wer so über Geopolitik denkt, hat sich bereits aus der Geopolitik verabschiedet. 

Aber was soll sie schon sagen, wenn ihr Greenpeace auf die Finger schaut? Nachdem Baerbock und Habeck das Dialogforum eröffnet haben, wird es am heutigen Mittwoch von der neuen Staatsekretärin und ehemaligen Greenpeace-Aktivistin Jennifer Morgan und Habecks Vordenker Patrick Graichen beschlossen. Mehr muss man dazu nicht sagen.

Noch eine Anmerkung zum aktuellen Stand der Dinge ist wichtig. Schaut man sich die Organisatoren und Teilnehmer des Berliner Dialogs an, so gewinnt man einen Eindruck von dem so dichten wie überwältigenden Netzwerk von Lobbyorganisationen, Think Tanks und NGOs, die zum Teil vom deutschen Staat oder von der EU finanziert für die große Transformation arbeiten. Warum existiert kein gleichgewichtiges Netzwerk auf marktwirtschaftlicher, wirklich liberaler oder konservativer Seite? Könnte es daran liegen, dass die politischen Eliten inzwischen ins linksliberale Lager übergelaufen sind?

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