Tichys Einblick
Westen ohne Deutschland

Team Biden, Johnson und Macron gegen die isolierte Merkel auf dem G7-Gipfel

Deutsche Absage an härteren Kurs und Wertekonflikt mit China und Russland / Westen gespalten / Deutschland isoliert / Gegen-Strategie zu Chinas „Neue Seidenstraße“-Projekt angekündigt

IMAGO / UPI Photo

Noch bevor der noch-mächtigste Mann der Welt die Airforce One im englischen Cornwall verlassen hatte, war das Ziel des Treffens der sieben größten demokratisch verfassten Staaten von US-Präsident Joe Biden und seinem britischen Kollegen Boris Johnson in London vorab fixiert worden. In Anlehnung an die am 14. Dezember 1941, unmittelbar nach dem Eintritt der USA in den 2. Weltkrieg, von US-Präsident Franklin Delano Roosevelt und Englands legendärem Premierminister Winston Churchill beschlossene Atlantik-Charta, die Freiheit und Demokratie als Basiswerte für die Staatenordnung nach dem gewonnenen Krieg gegen Deutschland und Japan festlegte, sollte das aktuelle Gipfeltreffen eine Partnerschafts-Charta des Westens gegenüber China und Russland beschließen – verbunden mit einer Bindung jeglicher Zusammenarbeit an die Einhaltung der Menschenrechte. Doch schon im Vorfeld des Elefanten-Meetings traten die Gegensätze unter den G 7 hervor.

G7 und Nato:
Joe Bidens europäischer Gipfel-Marathon kann Europa verändern
Im Auftrag der Bundesregierung versuchten deutsche Diplomaten im Zusammenwirken mit Italien die geplante Deklaration, wenn nicht zu verhindern, so doch durch Allgemeinplätze zu verwässern und jegliches Pathos zu vermeiden. Der Schwerpunkt sollte eher auf multilateralen Bemühungen auf den Feldern Klimaschutz, Corona-Bekämpfung und wirtschaftlichen Aktivitäten beruhen. So war unter den Beobachtern auch niemand erstaunt, als Deutschland eine erste und gesonderte Pressekonferenz bereits für 12 Uhr heute mittag mit Kanzlerin Merkel ankündigte. Routiniert wie gewohnt, und ohne auch nur einen Hauch von Gefühl, schätzte die Kanzlerin die Konferenz als „wichtig und nützlich“ ein. So sei es gelungen, die weltweite Versorgung mit Anti-Corona-Impfstoffen durch Spenden, bei denen die Bundesrepublik nach den USA der zweitgrößte Geber sei, zu garantieren.

Auch beim Weltthema Nr. 1, der Klimakatastrophe, sei man vorangekommen – auch wenn es nicht gelungen sei, sich auf ein genaues Datum für den Kohle-Ausstieg festzulegen. Ein auf dem Gipfel beschlossenes Milliarden-Infrastruktur-Paket rund um den Globus begründete Merkel mit den starken Aktivitäten Chinas, ohne den Begriff „Neue Seidenstraße“ auch nur in den Mund zu nehmen. Dann hätte sie nämlich auch die damit verbundene Strategie der bewussten Verschuldung von Partnerländern mit anschließender kompletter politischer Abhängigkeit benennen müssen. Schon das aber kann sich Deutschland im Verhältnis zu Peking nicht mehr leisten. Noch leiser war Merkel beim Stichwort Menschenrechte. Man werde darauf dringen, daß auch China entsprechende Konventionen bald unterzeichnen würde.

Nun hätte es ja sein können, daß eine der wenigen Fragen – nämlich drei – auch etwas über eventuelle Meinungsunterschiede unter den Partnern hätte wissen wollen. Wer so denkt, hat die Arbeit von Regierungssprecher Seibert noch nicht verstanden. Alle drei Frager beschränkten sich auf die Stichworte Corona und Klima, um schließlich zu ergänzen, wie Merkel denn das Rahmenprogramm gefallen und ob sie schon Abschiedsgeschenke von den anderen Staatschefs erhalten hätte. Diesmal schlich sich ein Schmunzeln in die Züge der sonst so unterkühlten Frau. Besonders beeindruckt habe sie das Zusammentreffen mit Königin Elisabeth II., und „Nein, nein, Geschenke zum Abschied habe ich noch nicht bekommen.“ Mit einem lockeren „Grüßen Sie zu Hause alle schön von mir“ entschwand sie.

Allein mit Maske
Merkel in sprechenden Bildern beim G7-Gipfel
Wenn es einer gelungen ist, die Absicht Bidens und Johnsons, gegenüber China und Russland eine neue transatlantische Geschlossenheit zu demonstrieren, zu durchkreuzen, dann war es die Frau aus Berlin.

Nur drei Stunden später traten Joe Biden, Boris Johnson und der französische Präsident Emmanuel Macron vor die internationale Presse. Den diplomatischen Usancen folgend, lobten die drei gemeinsam die guten Gespräche und die Harmonie des Zusammenseins. So wie man es eben immer sagt. Dennoch ließ sich der Riss zwischen zwei Denkansätzen und Strategien nicht verbergen. Auch die Abschlusserklärung mit ihrer harten Kritik am Verhalten Chinas und Russlands innerhalb der Staatengemeinschaft wäre härter und konzeptioneller ausgefallen, wenn Merkel dies nicht verhindert hätte.

Die Bundesrepublik stand auf diesem Gipfel isoliert da. Merkel bestand auf pragmatischem Umgang mit Moskau und Peking und vermied jeden Bezug zu Werten oder gar ideologischen Gegensätzen. Joe Biden wird Präsident Putin nicht als Vertreter eines geschlossenen Westens entgegentreten können. Fest an der Seite Washingtons stehen London, Paris und natürlich auch Kanada. Deutschland und Italien stehen abseits und, wie schon gesagt, Merkel hat Bidens Absicht durchkreuzt. Dies wird nicht ohne Folgen bleiben. Es könnte sein, daß die USA auf die nahende Zeit nach Merkel hoffen und abwarten. Mit Erstaunen wurde von allen vermerkt, dass die deutsche Kanzlerin nicht nur als erste abreiste, sondern auch im Gegensatz zu allen anderen, von ihrem Treffen mit Joe Biden keine TV-Aufnahmen zuließ und nur drei Fotos zur Veröffentlichung freigab. Das Verhalten Merkels ruft im Bündnis Nachdenklichkeit hervor. Man darf gespannt sein, wie sich diese Haltung Berlins während des morgen beginnenden Nato-Gipfels fortsetzt.

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