Tichys Einblick
Fußball-Europameisterschaft

Hinter der Kritik an türkischen Fans steckt auch deutsche Eifersucht

Deutsche Autoren arbeiten sich jetzt an den in Deutschland lebenden Türken ab. Dahinter steckt mitunter auch eine gute Portion Eifersucht. Denn die hier heimischen Türken lassen sich nicht so auf der Nase herumtanzen wie ihre Nachbarn.

picture alliance/dpa | Fabian Sommer

Der Gruß der Grauen Wölfe ist eine schlechte Sache. Er steht für eine Organisation, die Verbrechen, Terror und Mord zu verantworten hat. Doch, ob einem das gefällt oder nicht: Der Gruß der Grauen Wölfe ist in Deutschland nicht verboten. Es gibt gute Gründe, das Fehlen eines Verbots für ein schweres Versäumnis der großen Koalition und der Ampel zu halten – aber es ist die Rechtssituation, die nun mal in Deutschland herrscht. Den Gruß zu zeigen, ist daher nicht legitim – aber legal.

Die Berliner Polizei hat einen türkischen Fanmarsch aufgehalten, weil auf diesem massenweise der Gruß der Grauen Wölfe gezeigt wurde. Damit hat die Berliner Polizei – wieder einmal – wider geltendes Recht gehandelt. Doch der Vorwurf richtet sich weniger an politisch okkupierte Sicherheitskräfte. Der Vorwurf geht an die Politiker dahinter, die Polizei und Justiz immer öfters dazu zwingen, eine Rechtslage durchzusetzen, wie sie sich CDU/CSU und Ampelparteien wünschen, die aber im Widerspruch zu der geltenden Rechtslage steht. Der deutsche Rechtsstaat wird immer offensichtlicher ausgehöhlt. Von oben.

Das ist nur eines der Probleme, unter denen dieses Land leidet. Die anderen sind bekannt: Verlust des Wohlstands, Alterung der Gesellschaft, Verlust der inneren wie äußeren Sicherheit, Verfall von Straßen und Schienen, eine dysfunktionale Verwaltung und so weiter. Am schlimmsten von allem ist eine Führungsschicht, die so abgehoben ist, dass sie für sich mittlerweile nicht mehr nur einen Sonderstatus beansprucht – sondern gleich eigene Gesetze schafft. Diese Probleme zeigen ihre Spuren. Die Leute im Lande mögen sich untereinander nicht mehr.

Drei Siege und eine Niederlage der deutschen Nationalmannschaft – ja, sie heißt wieder so – haben ein wenig geholfen, diese sichtbaren Risse zuzukitten. Aber nur oberflächlich. Denn die deutschen Fans trauen sich kaum noch, sich mit ihrem Team zu freuen, geschweigen denn seine Farben zu zeigen. Sie wissen warum. Kaum bejubeln sie einen Sieg wie den gegen Dänemark, kommt einer von den tausenden Demokratierettern um die Ecke, um ihnen Nationalismus vorzuwerfen. Die haben hunderte Namen. Diese tausenden Existenzen, die sich von einem Volk ernähren, um diesem Volk dann als Dank hauptberuflich Rassismus vorzuwerfen. Vor dem Viertelfinale gegen Spanien war es die „Bundeszentrale für politische Bildung“, die den Fans einen Rassismusvorwurf als Arbeitsnachweis vorlegte.

Keine Farben zeigen, nur verhalten jubeln und die Freude am Sieg in den Dienst der Staatsideologie stellen: Deutschland zu feiern, sei ja nicht so schlimm, wenn der Torschütze keine direkte deutsche Herkunft hat. Man will ja um Habecks Willen kein Rassist sein, weshalb man sich nie über ein Tor eines zu weißen Schützen freuen würde. Zu einem solchen Maso-Rassismus hat die grün-woke Staatsideologie seine Untertanen dressiert. Mit Logik lässt sich das kaum noch begleiten. Nur noch mit Kopfschütteln.

Die türkischen Fans, die hierzulande ihr Team anfeuern, lassen sich von dieser grün-woken Staatsideologie nicht zum Untertan machen. Wobei – um dem gleich den Wind aus den Segeln zu nehmen – mit türkisch gemeint ist: Wer einen türkischen Pass besitzt oder einen deutschen Pass, aber in erster, zweiter, dritter oder vierter Generation hier lebt, denkt, fühlt, Steuern zahlt, Mehrwert schafft, Kinder zeugt und großzieht. Diese Türken stehen zu ihrem Team, ohne sich das von abgehobenen Eliten und hauptberuflichen Demokratierettern madig machen zu lassen. Ja, aber sie bekennen sich nicht zum deutschen Team, kann man den deutschen Kritiker im Hintergrund nörgeln hören.

Doch ganz ehrlich: Wer will es den Türken denn verdenken? Sie haben die Wahl zwischen einem Team, zu dem sie sich einfach bekennen können und einem, bei dem sie sich für jeden Torjubel vor staatlichen Stellen rechtfertigen müssen. Ist es da so irrational, das Team zu nehmen, zu dem man sich unbekümmert bekennen kann? Die Großeltern dieses Autors stammen zu 50 Prozent aus Hessen, zu 25 Prozent aus dem Saarland und zu 25 Prozent aus Polen. Gelebt hat er seine kompletten 50 Lebensjahre fast vollständig in Deutschland. Und doch hatte er bei dieser Europameisterschaft mehr Spaß am türkischen Team. Er konnte sich mit seinen Nachbarn und ihrem Team einfach freuen, ohne fragen zu müssen, ob der Torschütze nach den Gesetzen des verquasten Maso-Rassismus unweiß genug ist.

Ja. Der deutsche Kritiker mag jetzt mit Verfehlungen türkischer Fans um die Ecke kommen. Er wäre schließlich kein Kritiker, wenn er nichts zu nörgeln hätte – darin ist er dem hauptberuflichen Demokratieretter näher verwandt, als ihm bewusst und lieb ist. Unter diesen Fans sei es zu Ausschreitungen gekommen, woraus der Kritiker eine Soziokultur dieser Fans ableitet. Ja. Stimmt. Wenn hunderte zusammenkommen, die jünger als 30 Jahre alt sind, kommt es zu Dingen, die man mit 60 Jahren nicht mehr gutheißen kann, nicht mehr machen will und, bleiben wir ehrlich, auch gar nicht mehr machen kann. Wer aus dem unvernünftigen Verhalten von unter 30 Jährigen aber eine Soziologie der Herkunft machen will, der fühlt sich vielleicht wie ein Marco Polo der Soziologie – aber er ist nicht mehr als noch ein Tourist, der Fotos von einer Wand schießt.

Die türkischen Fans stehen zu ihrer Mannschaft. Sie zittern mit ihr, jubeln und trauern mit ihr – und das ist auch völlig ok so. Die Türken sind nie so stark auf öffentlich-rechtliche Medien eingegangen wie ihre deutschen Nachbarn. Sie haben Taz, Süddeutsche und Faz meist links liegen lassen. Das mag der deutsche Kritiker gescheiterte Integration nennen. Aber es hat die Deutschtürken davor bewahrt, sich grün-woke Flöhe andrehen zu lassen. Als Dreiviertel-Deutscher mag man da resigniert sagen: Herzlichen Glückwunsch, alles richtig gemacht.

Ja, deutscher Kritiker, ist ja gut. Ein Absatz zu den Ausschreitungen, die dir so wichtig sind, kommt noch: Für diese Ausschreitungen gibt es Polizei und Justiz. Wer sich prügelt oder wer randaliert, muss halt entsprechende Strafen bekommen. Sache erledigt. Und was den Gruß der Grauen Wölfe betrifft: Der ist maximal unsympathisch, den sollte ein Demokrat mit jeder Faser seines Herzens ablehnen – aber er ist erlaubt. In ihrem „Kampf gegen Rechts“ umgibt sich Innenministerin Nancy Faeser (SPD) mit einer Aura des Gratismuts – in ihrem Zaudern gegenüber dem Wolfsgruß zeigt sie jedoch ihre ganze Feigheit.

Die türkischen Fans feiern. Sie feiern mit einer Konsequenz und Unbedarftheit, die alle neidisch macht, die selbst unter dem grün-woken Hirndurchfall leiden. Aber das ist nicht das Problem der türkischen Fans – das ist das Problem der Deutschen, die sich der grün-woken Ideologie beugen. Sie täten besser daran, die grün-woke Bevormundung abzustreifen. Statt neidisch auf die zu schauen, die sich dieser Bevormundung nicht unterworfen haben.

Wer ihnen als deutscher Kritiker vorwerfen will, dass die türkischen Fans oft keine deutschen Fans sind, obwohl sie in Deutschland leben, dem sei zu sagen: Wer will, dass sich jemand zu einem bekennt, der sollte sich so aufstellen, dass man sich gerne zu ihm bekennen mag. Deutschland ist derzeit so zerrissen, irrational und wenig schlagkräftig, dass es nicht attraktiv ist, sich zu Deutschland zu bekennen. Mit Eifersucht auf die zu regieren, die unbeschwert feiern, macht einen selbst auch nicht attraktiver. Viel besser als die Eifersucht auf Glücklichere wäre es, selbst dafür zu sorgen, dass man wieder attraktiver wird. Die ganzen hauptberuflichen Demokratieretter in die Produktion zu schicken, wäre ein guter Anfang. Dann kann jeder wieder unbeschwert seine Fahne aufhängen, sich darunter stellen und zeigen, wie schön es dort ist – dann versammeln sich die Leute von ganz alleine unter dieser Fahne.

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