Die Kölner Silvesternacht 2015/16 jährt sich heute zum fünften Mal. Ich kann kaum glauben, dass das schon so lange her ist. Ende 2015 war ich 17 Jahre alt und ging in die zwölfte Klasse. Das Abitur schon in Aussicht, verbrachte ich tagsüber viel Zeit mit lernen – abends ging ich mit meinen Freundinnen aus. Wir versuchten in die Berliner Bars und Clubs zu kommen, schminkten uns dafür die Augen dunkel und warfen uns in Outfits mit tiefem Ausschnitt – doch meistens kamen wir trotzdem nicht rein. Sobald wir an der Kasse standen, wurden wir nach unseren Ausweisen gefragt und dann war’s vorbei. Also liefen wir durch die Straßen Berlins, fuhren U-Bahn und Nachtbus bis zur nächsten Bar – etwas ziellos, angetrunken, leicht bekleidet und gut gelaunt. So verbrachten wir auch die Silvesternacht 2015. Zum Glück war ich damals nicht am Kölner Hauptbahnhof.
Die Zahlen der Strafdelikte, die damals in Köln vor allem von jungen Männern aus dem nordafrikanischen und arabischen Raum begangen wurden, sprechen für sich: 1.200 Strafanzeigen wurden in der folgenden Zeit erstattet, davon ca. die Hälfte Sexualverbrechen. Außerdem kam es zu zahlreichen Eigentums- und Körperverletzungsdelikten. In der Silvesternacht sollen sich zeitweise über 1.000 Personen auf dem Bahnhofsvorplatz versammelt haben, die von Polizisten als „stark alkoholisiert“ und „völlig enthemmt und aggressiv“ beschrieben wurden. Die jungen Männer haben gezielt überwiegend Frauen in Gruppen umzingelt, beklaut, beleidigt und begrapscht oder anderweitig sexuell belästigt. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Köln soll es in Folge auch fünf Anzeigen wegen vollendeter Vergewaltigung und 16 wegen versuchter Vergewaltigung gegeben haben.
Die Polizei konnte später 290 Tatverdächtige ermitteln, von denen aber bis heute nur 36 verurteilt wurden – davon lediglich drei wegen sexueller Nötigung. Von den mutmaßlichen Tätern waren 122 Asylsuchende, 52 hielten sich zur Tatzeit illegal in Deutschland auf. Laut dem Bundeskriminalamt waren die meisten Beschuldigten im Jahr 2015 nach Deutschland gekommen.
Erst kam die Wut, dann die Scham
Es gibt einige Berichte von Frauen, die Opfer der sexuellen Übergriffe geworden sind. Alle sind sie jung, in meinem Alter – Studentinnen, die damals auf der Suche nach der nächsten Party waren.
Sabrina, eine vielleicht 20-jährige blonde Frau, erzählt in einem Video-Interview mit „dbate“, dass sie damals auf dem Bahnhofsplatz „nur Männer“ gesehen hat. Es sei sehr voll und unübersichtlich gewesen, wie „in der Disco“. Als sie und ihre Freundin sich durch die Menge drängten, begannen die umstehenden Männer sie „anzupacken“. Erst haben sie das noch hingenommen und sich weiter durch die Männermasse bewegt, zwei männliche Freunde sind vor und hinter ihnen gelaufen – doch nach kurzer Zeit waren sie getrennt und Sabrina hörte ihre Freundin aus der Nähe schreien. Sie selbst wurde nun heftiger und brutal angefasst. „Im Prinzip hatte man überall Hände, außer im Gesicht“, erzählt Sabrina. Die Männer kniffen so stark in die Innenseite ihres Oberschenkels, dass sie dort einen handgroßen Bluterguss bekam. Als Sabrina sich endlich gemeinsam mit ihrer Freundin aus der Menge befreien konnte, bemerkte sie, dass ihre Hose heruntergezogen und zerrissen war. „Ich war nur noch sauer“, sagt Sabrina und man sieht in ihren Augen, dass sie das immer noch ist, „auf die Polizei, dass sie uns nicht helfen wollte, auf die Leute drumherum, die uns nicht helfen wollten, auf die Leute, die das gemacht haben, dass mein Handy weg ist, meine Leggings kaputt – und dann wollten die noch meine Tasche klauen.“ Als die Wut verflogen war, habe sie sich schmutzig gefühlt, weil sie „überall Hände kleben“ hatte.
Es gibt noch viel mehr solcher Berichte. Marlene, auch Studentin, erzählt im Gespräch mit Spiegel-TV, dass ihr die Männer auf den Po gehauen, die Wange gestreichelt, ins Gesicht und in den Schritt gefasst haben. „Ich habe Angst gekriegt“, sagt Marlene in die Kamera, „ich habe das Gefühl gehabt, dass ich in einem anderen Land war“. Und auch Michelle sagt im ARD-Morgenmagazin, dass es diese sexuelle Nötigung, die sie erlebt hat, in Deutschland eigentlich nicht geben sollte.
Mir fällt es schwer, die Berichte der jungen Mädchen anzuhören. Ich denke, fast jede junge Frau hat schon mal erlebt, dass ihr ein fremder Mann, meist Zugewanderter, an den Hintern gegrabscht hat. Jede meiner Freundinnen kann so eine Geschichte erzählen. Eine Freundin von mir war gerade erst 16 geworden, als zwei Schwarzafrikaner ihr in der Nähe des Görlitzer Parks hintereinander fest in die Pobacken griffen. Einer anderen wurde im Urlaub auf der Ausgehstraße von einem Betrunkenen das Kleid hochgerissen und von hinten in den Schritt gefasst. Die Reaktionen der Frauen waren meist ähnlich wie bei Sabrina und den anderen: Erst kommt die Wut, dann fühlen sie sich beschmutzt – die Hände spüren sie noch stundenlang auf der Haut.
Seitdem hat sich nichts geändert
Das geht dann auch wieder vorbei – aber was bleibt, ist die Angst, nachts alleine nach Hause zu gehen. Jeder Mann, erst recht jede Männergruppe auf der dunklen Straße löst einen Alarmzustand im Bauch aus. So ging es auch Sabrina, die in ihrem „dbate“-Interview noch erzählte, dass sie jetzt immer die Straßenseite wechsele, wenn ihr eine Männergruppe entgegen kommt. „Ich weiß jetzt, dass ich ein Leben lang ein Problem damit haben werde, in großen Menschenmassen zu laufen“, sagt sie. Vermutlich wird sie auch lange brauchen, bis sie wieder in volle Clubs gehen kann. Ich selbst ziehe, wenn ich nachts durch die Straßen laufe, inzwischen lange Jacken an, damit mein kurzes Kleid keine ungewollte Aufmerksamkeit erregt. Meine Freundinnen und ich fahren nachts in Berlin inzwischen grundsätzlich nur noch Taxi – alles andere ist uns zu gefährlich geworden.
Aber heute, fünf Jahre später, ist nichts mehr davon übrig. Nach wie vor werden selbst straffällige Flüchtlinge nicht konsequent abgeschoben und auch der Strom junger Männer aus nordafrikanischen und arabischen Ländern nach Deutschland reißt nicht ab. Der Großteil von ihnen bringt ein Frauenbild mit, das sämtliche Gewalt- und Sexualtaten legitimiert, sobald die Frau in ihren Augen zu wenige Klamotten anhat. Zusätzlich wurde unsere Polizei in Folge der Black Lives Matter-Bewegung, zum Beispiel durch das Berliner „Antidiskriminierungsgesetz“, noch handlungsunfähiger gemacht, als sie ohnehin schon war. Ich weiß nicht, ob ein Polizist überhaupt eingreifen würde, wenn mir einer der Schwarzafrikaner hier in Kreuzberg auf der Straße an den Hintern packen würde. Vielleicht wäre seine Angst, im Nachhinein als Rassist gebrandmarkt und vom Vorgesetzten gerügt zu werden, größer, als sein Wunsch, mir zu helfen.
Und seine Angst wäre berechtigt. Erst an diesem Dienstag (29.12.2020) hat sich Armin Laschet, Ministerpräsident von NRW, in einem Beitrag im Kölner Stadt-Anzeiger bei den damals betroffenen Frauen dafür entschuldigt, dass der Staat sie damals nicht beschützt hat. Replik der Süddeutschen Zeitung darauf: Bei der Nennung der Herkunft der Täter habe ein Satz gefehlt, der vor dem Generalverdacht auf junge Männer mit nordafrikanischem Aussehen warnt. Silvester 2020 ist es den Deutschen offensichtlich immer noch wichtiger, ihren Antirassismus zu demonstrieren, als Frauen vor sexueller Gewalt zu beschützen. Es kann vermutlich jederzeit wieder zu einer Kölner Silvesternacht kommen.