Tichys Einblick
Fünf vor oder nach Zwölf

Führt eine neue Welle von Gewalt zur schleichenden Staatskrise?

Die Verwerfungen im öffentlichen Raum haben eine Dimension erreicht, die sich nicht mehr leugnen oder verharmlosen lässt. Die Regierung muss handeln.

Symbolfoto

© Getty Images

Die Bundesrepublik Deutschland wird immer stärker von einer Krise erfasst, die sich zu einer Staatskrise ausweiten wird, wenn die Politik nicht entschlossen handelt. Eine Staatskrise ist dann gegeben, wenn die Organe des Staates ihren Aufgaben nicht mehr nachkommen können und Ausnahmeregelungen geschaffen werden müssen, um die Krise zu beenden, die im Endstadium ansonsten den Zerfall der Staatsorgane nach sich zöge. Souverän ist, schrieb Carl Schmitt, wer über den Ausnahmezustand entscheidet, nicht wer in ihn hineintaumelt. Die Lage ist für die Regierung deshalb anspruchsvoll, weil sie im wahrsten Sinne des Wortes über ihren eigenen Schatten zu springen hätte, trägt sie doch die unmittelbare Verantwortung für die aktuelle Situation. Ihr Regierungsversagen labelten CDU und SPD geschickt mit dem klingenden Wort Willkommenskultur, das bereitwillig von den Medien ohne kritisches Nachfragen popularisiert wurde. Doch ein Staat ist nur so lange Staat, wie er in der Lage ist, seine Hoheitsrechte durchzusetzen, das bedeutet, die Kontrolle und auch die Entscheidung darüber zu besitzen, wer einreist, also seine Grenzen zu sichern, und im Innern für Recht und Ordnung zu sorgen.

Der deutsche Staat gibt seine Hoheitsrechte auf

Auf das erste Hoheitsrecht hat die Regierung der großen Koalition aus CDU und SPD bereits im Herbst 2015 verzichtet. Man hat so sinn- wie wahrheitswidrig behauptet, dass der deutsche Staat nicht in der Lage wäre, seine Grenzen zu sichern. Österreich und Ungarn vermochten, was die deutsche Regierung geradezu als vollkommen undenkbar hinstellte. Robin Alexander schildert hingegen in seinem Buch „Die Getriebenen“, dass die Einsatzkräfte der Bundespolizei bereits an die bayerische Grenze verlegt worden waren. In letzter Minute jedoch wurden die Einsatzbefehle widerrufen und durch eine ministerielle Weisung ins Gegenteil verkehrt, denn Maßnahmen zur Zurückweisung an der Grenze von „Drittstaatsangehörige“ sollten nicht angewandt werden. Deutsche Politiker hatten und haben diese fragwürdige Praxis, die einige Juristen für nicht rechtens halten, immer wieder verteidigt, zum Teil mit absurden Argumenten. Peter Altmaier versuchte die Geschichte zu bemühen und griff ins Nichts, denn das Römische Reich verdankte dem Limes, dass es schließlich so lange Bestand hatte. Es ging unter, als die Römer das Imperium nicht mehr verteidigen wollten und immer mehr germanische Völker hinter den Limes holten, um Konflikte zu vermeiden. Gerade das von Altmaier bemühte historische Argument dementierte seine Behauptung. Cem Özdemir glaubte, einen normalen Grenzschutz, wie ihn auch die Bundesrepublik früher gewährleistet hatte, mit dem DDR-Grenzregime und mit Selbstschussanlagen gleichsetzen zu müssen. Dabei war ihm ganz und gar entgangen, dass die DDR-Grenze mit Mauer und Stacheldraht und nach innen gerichteten Selbstschussanlagen bewehrt war, nicht um Einreisen, sondern um Ausreisen zu verhindern. Folglich hätte sein verfehlter Vergleich allenfalls für den Deutschland-Türkei-Deal gelten können, denn die Türkei sollte Flüchtlinge daran hindern, aus der Türkei auszureisen. So weit reichte allerdings das Verständnis des Grünen-Politikers nicht.

Augen zu ist keine Strategie
Von der Staatsverwahrlosung in die Verfassungskrise
Durch den hohen Ton der Moral, der angeschlagen wurde, durch Selfies, die die Regierungschefin mit Asylbewerbern machte, die durch die ganze Welt gingen und wie eine Einladung wirken mussten, kam es zu einem massenhaften Zuzug in kürzester Zeit. Die tausendfachen illegalen Einreisen teils an einem Tag von vorwiegend Männern zeitigten und zeitigen Folgen für die innere Sicherheit Deutschlands und überfordern die Sozialsysteme. Diejenigen, die bereits 2015 vor dieser Entwicklung warnten wie der Historiker und Gewaltforscher Jörg Baberowski, wurden beschimpft und verleumdet. Der Flüchtling galt als der Edle und Gute, der vor Gewalt und Terror floh und deshalb zu Gewalt und Terror nicht fähig war. So hatte es besonders eifrig Heiko Maas propagiert und alle, die es anders sahen, in die rechte Ecke geschoben und diffamiert. Wie infantil die Vorstellung vom Flüchtling war, illustriert nichts besser als die Teddybären, mit denen Flüchtlingsbegeisterte junge Männer empfingen. Die Willkommenskultur war auch deshalb ein sehr deutsches Phänomen, weil sie eigentlich der Kult des besseren Selbsts der Deutschen war. Hannah Arendt hatte es im Eichmann-Buch treffend in das Diktum gefasst, dass die Deutschen es lieben, sich erhabene Gefühle zu verschaffen. Diese Neigung führte in der Geschichte regelmäßig in Katastrophen. Die stärkste Droge, die die Deutschen kennen, ist der Rausch erhabener Gefühle. Es wäre viel gewonnen, würden sie davon abstinent.

Einzigartig war jedoch, dass in dieser Zeit ranghohe Vertreter der Sicherheitskräfte, der Bundespolizei bspw. in die Öffentlichkeit gingen, vor dem Kontrollverlust warnten und im Grunde damals schon aus einer kühlen Lageanalyse heraus, die Zustände prognostizierten, die wir heute haben.

Wirklichkeit kann immer weniger verschwiegen werden

Einem Situationsbericht im Tagesspiegel vom 6.3. 2018, einer Einlassung der Kanzlerin vor ein paar Tagen und einem Interview mit dem Innensenator von Berlin am 7.3.2018 war zu entnehmen, dass erstens No-go-Area-Zonen in Deutschland existieren, weil der Staat sein Gewaltmonopol nicht mehr flächendeckend durchzusetzen vermag. Ganze Straßenzüge werden bspw. in Berlin von libanesischen Clans beherrscht, der Alexanderplatz von Gruppen junger Migranten. Zweitens gibt es Bereiche, in denen ein aggressiver Deutschenhass grassiert, der oftmals vom deutschen Steuerzahler nolens volens auch noch finanziert wird. Drittens werden die Bewegungsräume- und freiheiten von Mädchen und Frauen stark eingeschränkt. Belästigungen, Nötigungen, Missbrauch und Vergewaltigungen nehmen massiv zu. Hinzu kommt der Anstieg sogenannter Ehrenmorde, die sogar noch gefilmt und zur Nachahmung empfohlen ins Netz gestellt werden. Rettungskräfte und Polizisten werden immer häufiger zu Opfern brutaler Gewalt.

Ein Bericht, der erschüttert

So berichtet der Kreisvorsitzende der GdP Dortmund, Frank Schniedermeier, folgenden exemplarischen Fall. Bei einer Gewerbekontrolle überprüften Polizisten einen Libanesen, der sichtlich nervös wurde. Der Festnahme versuchte er sich durch Schläge und Tritte gegen die Polizeibeamten zu entziehen. Ein Polizist, der stürzte, wurde so schwer verletzt, dass er ins Krankenhaus gebracht werden musste. Der Libanese täuschte offenbar einen medizinischen Notfall vor. So dass man ihn ebenfalls in die Klinik fuhr. Dort unternahm er erneut einen Fluchtversuch. Um den Libanesen in Gewahrsam zu nehmen, wurden insgesamt vier Polizisten zum Teil schwer verletzt. Bereits dreimal war der Mann wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte auffällig geworden. Doch nach Prüfung der Haftgründe durch die Staatsanwaltschaft mussten die Polizisten den Libanesen sofort aus dem Polizeigewahrsam entlassen. Auch die Ausländerbehörde lehnte es ab, Maßnahmen gegen den Libanesen einzuleiten. Schniedermeier stellt fest, dass der Verlauf polizeilicher Einsätze sich verändert habe, es zunehmend zu Gewalt gegen Polizisten in Ausübung ihres Dienstes kommt und fordert eine robustere Polizei.

Die Migrantionskrise beginnt jetzt

In dem bereits erwähnten Tagesspiegel-Artikel beschreibt der Integrationsbeauftragte Arnold Mengelkoch, dass sich am Hermannplatz in Berlin seit einem halben Jahr “ ‚alles verdichtet‘. Gelangweilte Migranten sammeln sich dort, eine ‚kritische‘ Klientel, wie er meint … ’Die fühlen sich sicherer. Die wissen, dass man nach einer Festnahme schnell wieder freikommt.‘ Und das hat erhebliche Konsequenzen, jedenfalls aus Sicht von Mengelkoch: ‚Wir müssen uns darauf vorbereiten, dass eine neue Welle von Gewalt auf uns zukommt.'“

Der Hermannplatz in Berlin ist kein Einzelfall, sondern es lassen sich bis hin zum Hamburger Jungfernstieg quer durch die Republik Beispiel an Beispiel reihen. Ich habe 2016 schon analysiert, dass die Migrantenkrise nicht vorbei ist, wie von der Regierung behauptet wurde, sondern sie erst anfängt – und zwar dann, wenn die Flüchtlinge im Alltag der deutschen Bürger ankommen – dieser Zeitpunkt ist jetzt. Jetzt beginnt die Flüchtlingskrise genannte Migrantenkrise.

Der Druck lässt indes nicht nach, denn nach wie vor gilt de Maizieres ministerliche Weisung, dass niemand an der Grenze, der das Wort Asyl sagt, abgewiesen wird, nach wie vor bleiben Deutschlands Grenzen und Deutschlands Sozialsysteme für illegale Einwanderer sperrangelweit offen.

Ein repräsentativer Ausschnitt
Leser-Kommentare zur Staatsverwahrlosung
Es stellt keinen Zufall dar, dass die Meldungen über Gewalt von Flüchtlingen und Migranten, über die Zurückhaltung der deutschen Strafverfolgungsbehörden, über die Vergrößerung von No-go-Area-Zonen und die Verfestigungen von Parallelgesellschaften zunehmen und auch immer weniger von offizieller Seite kaschiert werden können. Unterstellt man, dass nur eingestanden wird, was nicht mehr zu verheimlichen ist, dann stehen wir am Rand einer Staatskrise, einer Situation, in der der Staat immer weniger Recht und Gesetz durchzusetzen und das Leben seiner Bürger zu schützen vermag. Das führt zum Zerfall des Gewaltmonopols des Staates. Wenn der Staat nicht mehr seiner Aufgabe nachkommt, Leben und Besitz seiner Bürger zu sichern und sie sich immer stärker der Willkür ausgesetzt fühlen, werden sich die Bürger selbst um ihren Schutz kümmern, weil sie es zunehmend vom Staat allein gelassen müssen.
Was zu tun ist

Das kann niemand wollen. Deshalb muss Politik jetzt handeln. Dafür wären als erste Schritte erforderlich:

1. Die Schließung der Grenzen, verbunden mit einem Einreisestopp. Da in dieser Beziehung das europäische Parlament beschlossen hat, dass nicht mehr das Land für einen Asylbewerber zuständig ist, das er zuerst betritt, sondern der Staat, in dem der Asylbewerber „Ankerpersonen“ besitzt, wird sich die Bundesregierung gegen dieses Gesetz wenden und es ablehnen müssen. Berlin kann sich nicht hinter Straßburg verstecken. Das wäre nur eine Flucht aus der Verantwortung.

2. Abschiebungen müssen im großen Maßstab ermöglicht und effizienter gestaltet werden.

3. Um die Gerichte in die Lage zu versetzen, ihren Aufgaben nachzukommen, werden Regelungen geschaffen werden müssen, um in bestimmten Bereichen beschleunigte Verfahren ohne Appellationsmöglichkeit durchführen zu können.

4. Die Konzepte über eine robuste Polizei müssen weiterentwickelt und vor allem in die Tat umgesetzt werden.

5. Polizisten müssen besser besoldet, ihr Dienst höher geschätzt und ihre Rechte gestärkt werden. Die Polizei ist aufzustocken. Die weitverbreitete Missachtung von Polizisten gerade durch Politiker muss geächtet werden.

6. Es bedarf einer Sondergesetzgebung im Kampf gegen die Organisierte Kriminalität, zu der die Umkehrung der Beweislast gehört, wie es in Italien im Kampf gegen die Mafia bereits Gang und Gäbe ist. Außerdem müssen die Möglichkeiten, die jetzt schon bestehen, bspw. durch die Kooperation verschiedener Behörden, ausgeweitet werden. Oft wird nicht gesehen, dass gerade die Organisierte Kriminalität, bspw. im Rauschgifthandel, die Rekrutierungsbasis für den islamistischen Terror bildet. Das reicht bis zu der Tatsache, dass die OK auch die Möglichkeit der Finanzierung des Terrors bietet. Der Zusammenhang zwischen Organisierter Kriminalität und islamistischen Terror wird noch viel zu wenig beachtet.

Je länger der Staat die Augen vor dieser Entwicklung verschließt, verantwortliche Politiker von der Umwandlung einer monoethnischen in eine multiethnische Gesellschaft träumen und tatsächlich glauben, sie verwirklichen sie durch eine Masseneinwanderung aus dem islamischen Kulturkreis, desto größer werden die gesellschaftlichen Verwerfungen. Wer Multikulti versucht zu verwirklichen, wird ein Bündel sich gegenseitig bekämpfender Parallelgesellschaften erhalten. Noch ist es Zeit zu handeln, aber sie läuft immer mehr davon.

Die mobile Version verlassen