Lohnt sich Arbeit noch? Das ist die zentrale Frage, wenn es um das Bürgergeld geht. Egal, wie die Zahlen aussehen: Würde sich die Gesellschaft auf die Antwort „Nein“ einigen, würde sie zusammenbrechen. Wenn (zu) schlecht bezahlte Menschen wie Verkäuferinnen, Müllmänner, Putzfrauen oder Handwerks-Gehilfen hinwerfen, weil sie denken, dass es sich nicht lohnt, 40 Stunden die Woche zu buckeln – dann würde diese Gesellschaft implodieren.
Das Kieler „Institut für Weltwirtschaft“ ist dieser Frage trotzdem nachgegangen und kam zu dem für die Gesellschaft gefährlichen Ergebnis: Nein, in schlecht bezahlten Jobs lohnt es sich nicht mehr, sich 40 Stunden die Woche einzubringen. Auf Druck aus Reihen der Ampelregierung hat das Institut seine Zahlen zurückgezogen. Letztere vertraut lieber auf die Zahlen, mit denen der Gewerkschaftsbund DGB rechnet. Eine politische Vorfeldorganisation, die der SPD sogar zu Zeiten der Hartz-Gesetze die Stange gehalten hat.
Das alleine waren noch keine großen Nachrichten. Denn das Mittel, das Klingbeil da anwendet, ist nicht neu. Seit Jahren arbeiten rot-grüne Aktivisten in Politik und Medien damit, andere Meinungen als außerhalb des demokratischen Spektrums stehend zu brandmarken und damit zu tabuisieren. Eine bunte Palette an politischer Kampfbegriffe hat diese Strategie hervorgebracht: „Rechtsextremer“, „Nazi“, „Sexist“, „Klimaleugner“, „Covidiot“, „Transfeindlicher“, „Impfleugner“, „Verschwörungstheoretiker“ oder „Putin-Troll“ waren all die, die sich der rot-grünen Mehrheitsmeinung widersetzt haben. Die ARD geht sogar so weit, die Vertreter dieser Meinungen als „Ratten“ zu entmenschlichen, die es „in ihre Löcher zurück“ zu prügeln gelte.
Rot-Grün hat aber in Deutschland keine Mehrheit. Dafür reicht es nicht einmal, wenn sie noch die Stimmen der Linken erhalten. Die Wähler haben diesem Modell im September 2021 eine Abfuhr erteilt. Rot-Grün kann nur mit den Stimmen der FDP regieren. Diese hat dem Wähler wiederum niedrigere Steuern, weniger Bürokratie oder Selbstbestimmung in Sachen Corona-Prävention versprochen. Wie wenig die FDP in solchen bürgerlichen Anliegen bisher geliefert hat, demonstrierte der Wähler mit den Ergebnissen im Saarland, in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen.
Eigentlich ist diese Situation eine gemähte Wiese für die CDU: Sie muss nur die Wähler der FDP abholen und frustrierte Wähler zurückgewinnen, die zur AfD oder ins Lager der Nichtwähler abgewandert sind. Dabei könnte sie sich der gesellschaftlichen Mehrheit bedienen, die es in wesentlichen Fragen jenseits der rot-grünen Positionen gibt. Das Problem ist nur: Genau das traut sich CDU-Chef Friedrich Merz nicht. Obwohl er von seiner Partei gewählt wurde in der Hoffnung, liberalen, konservativen oder schlicht nicht-rot-grünen Positionen wieder eine Stimme zu verleihen.
Merz hat sich in seiner Position gegen das Bürgergeld auf die Zahlen des Kieler IfW bezogen. Real vorhandene wirtschaftliche Positionen. Dass das Institut diese Zahlen zurückgezogen hat, ist nicht ihm anzulasten. Der Vorwurf der „Fake News“ und des „Trumpismus“ ist unter fast allen Gesichtspunkten eine ungeheure Frechheit. Lediglich Anhänger des rot-grünen Lagers, die ihre Minderheits-Meinungen durchsetzen, indem sie die Mehrheits-Meinung tabuisieren, können die Wortwahl des SPD-Chefs gutheißen. Und was tut Merz? Tritt er gegen die Frechheit des politischen Konkurrenten an? Verleiht er der Mehrheit hinter sich eine Stimme?
Merz lässt seine Mitarbeiter folgenden Tweet absetzen: „In dem Augenblick, wo wir Kritik an der #Ampel üben, werden wir in die Nähe der AfD gerückt und mit Donald Trump verglichen. Das ist eine Vergiftung des politischen Klimas. Ich werde aus diesem Grund noch in dieser Woche das Gespräch mit SPD-Chef @larsklingbeil suchen.“
Das muss man sacken lassen. Ein CDU-Chef, der auf Angriffe der SPD nichts anderes zu erwidern hat, als dass er den SPD-Chef bitten werde, diese Angriffe zu unterlassen.
Es offenbart das Merzsche Grundproblem: Der CDU-Chef ist zu feige. Er mobilisiert eben nicht die gesellschaftliche Mehrheit. Denn er hat Angst vor den rot-grünen Kräften in der Regierung, den Medien und in der eigenen Partei, die sich in 16 Jahren Kanzlerschaft von Angela Merkel der medialen Mehrheit immer stärker angebiedert haben. Diesen Kräften zu gefallen ist Merz wichtiger, als zu stehen und eine eigene Mehrheit zu mobilisieren. Stattdessen will er im Gespräch mit dem SPD-Chef klären, wie viel Opposition ihm gestattet sei, bevor der zum Arsenal der Tabu-Wörter greift wie „Fake News“ und so weiter.
Die Antwort darf nicht nein lauten. Das weiß die Ampelkoalition. Sonst würde ihr Bürgergeld zum Zusammenbruch von wesentlichen Teilen der Wirtschaft, wenn nicht gar der Gesellschaft führen. Die sie unterstützenden Medien werden das Nein als Antwort auf diese Frage bereitwillig transportieren. Doch die rot-grüne Schweigespirale hat einen hartnäckigen Gegner: die Wirklichkeit. Immer mehr Geringverdiener werden merken, dass sie kein oder nicht viel Geld mehr haben durch ihre Arbeit. Und werden sich das dann entsprechend überlegen.
Es ist die Aufgabe der Opposition, solchen Fehlentwicklungen entgegenzuwirken. Gerade dann, wenn Medien als Korrektiv der Regierungspolitik ausfallen, weil sie mit deren Tendenz sympathisieren. Die Jahre unter Merkel haben das bewiesen: Ein Land, dem es an Fachkräften mangelt, obwohl es eine millionenfache Zuwanderung erlebt hat. Das sich abhängig von russischem Gas gemacht hat, obwohl dessen Präsident seit 2008 Angriffskriege führt. Das mit einem Schlag aus Atom- und Kohlekraft aussteigen wollte, ohne nachzurechnen, ob dann die Energieversorgung noch gesichert ist. Das einen staatlichen Feldzug gegen Ungeimpfte geführt hat, in dem seine Repräsentanten sogar öffentlich gefeiert haben, dass diese Menschen nun aus der Gesellschaft ausgeschlossen seien.
All diese Fehlentwicklungen waren nur möglich, weil andere Positionen tabuisiert und ihre Vertreter ausgegrenzt wurden: „Klima-Leugner, Rechtsextreme, Covidioten“ und so weiter. Wer eine Politik der Mehrheit machen will, muss zuerst gegen die Mehrheit in der Medienlandschaft antreten. Das ist ein unangenehmer Kampf. Wie wild rot-grüne Polit- und Medienaktivisten austreten, zeigt sich derzeit am Beispiel Elon Musk. Wer dem als deutscher Oppositionsführer standhalten will, muss ein breites Kreuz, moralische Integrität und einen starken Willen zeigen. Friedrich Merz hat das bisher alles nicht bewiesen.