Robert Habeck (Grüne) hat in dieser Woche sein Bild zerstört. Das Image, das ihm ARD, ZDF, Süddeutsche und Co verpassten – vom Philosophen in der Politik, der anders ist als andere Politiker: ehrlicher, selbstloser, differenzierter und nicht am Machterhalt allein wegen des Machterhalts interessiert.
Diese Woche hat einen Robert Habeck gezeigt, der gereizt und aggressiv ist, wenn er kritisiert wird. Der einen Untersuchungsausschuss lieber hinter verschlossenen Türen abhält, wenn dessen Inhalt unangenehm für ihn ist. Der sein Wirtschaftsministerium zum Familienbetrieb macht – mit einem Staatssekretär, der so weit geht, seinen Trauzeugen in Topjobs zu hieven. Und der an diesem Staatssekretär trotzdem festhält, weil sonst die eigene Machtstatik hin ist und er früher oder später selbst gehen müsste – aber an der Macht bleiben will. Der Macht wegen.
Die Bundesländer sehen Habecks Politik ebenfalls kritisch. Ihre Kammer, der Bundesrat, hat einen Verbesserungsantrag beschlossen. Demnach sollen nicht nur Menschen über 80 Jahre vom Gas- und Ölheizungsverbot ausgenommen werden. Zudem soll das Gesetz erst später in Kraft treten und kommunal besser vorbereitet werden. Eingebracht hatten den Antrag fünf Länder, von denen vier von Grünen mitregiert werden.
Trotzdem wird Robert Habeck nun erst recht den Machtpolitiker alter Schule geben: Sein Festhalten an seinem umstrittenen Staatssekretär Graichen war nur der erste Schritt. Der Vizekanzler wird sich auch inhaltlich durchsetzen wollen. Aus dem Philosophen Habeck, der für den offenen Diskurs ist, wird der Machtpolitiker Habeck, dem zu widersprechen es sich nicht ziemt. Umso lauter und stärker die Argumente gegen ihn werden, desto stärker wird die grüne Partei hinter ihm stehen. Die Grünen werden sich als Opfer-Gemeinschaft sehen, denn sich selbst als Opfer zu definieren, ist die Urerfahrung von Grünen.
Und die anderen Parteien? Mit der Gasumlage hat Kanzler Olaf Scholz (SPD) Habeck lange irrlichtern lassen: Die Preise stiegen, die Mitnahmeeffekte auch – und erst als dem Regierungschef klar wurde, dass diese von Habeck und Graichen ausgelöste Spirale sich immer weiter in gefährliche Bereiche hindrehen würde, stoppte er in letzter Sekunde seinen Vizekanzler. Bei der Atomkraft ließ er ihn laufen. Einen Topf voll „Sondervermögen“ genannter Klimaschutzschulden hat Scholz ebenfalls Habeck und Graichen bereitgestellt – zum Verteilen in der Familie der Erdrettungsindustrie.
Das große grüne Dilemma erleben Scholz und die SPD. Denn Habeck hat einen Joker auf der Hand – und der heißt Friedrich Merz. Die persönliche Macht-Strategie des CDU-Vorsitzenden ist darauf ausgerichtet, dass die Ampel implodiert – und er an Stelle von Scholz dessen Koalitionspartner übernehmen kann. Deswegen ist der Merzsche Kurs so stark von Rücksichtnahme auf die Grünen geprägt, deswegen polt er die Partei Konrad Adenauers und Helmut Kohls auf Frauenquote, grüne Symbolpolitik und Zusammenarbeit auch mit der Linken um – zumindest im Osten.
Im Machtpoker mit Scholz sitzt Habeck dabei in einer bequemen Situation: Was immer er an ideologisch motivierten Vorstößen wagen will, Scholz muss es weglächeln und seine eigenen Prinzipien vergessen. Denn für die Show erlaubt sich die Merz-CDU zwar Kritik an den schlimmsten Auswüchsen der grün-ideologischen Politik – aber so wie es die erste Chance dazu gäbe, würde die gleiche CDU diese grün-ideologische Politik als Koalitionspartner umsetzen. So wie in Nordrhein-Westfalen auch.