Friedrich Merz (CDU) sitzt vor den Journalisten der Bundespressekonferenz. Ungefragt betont er mehrfach, dass sein Angebot an Olaf Scholz überhaupt nicht parteipolitisch motiviert sei – nicht einmal etwas mit Parteipolitik zu tun habe. Ihm gehe es darum, dass die etablierten Parteien das Vertrauen der Bürger verlören, weil sich in der Einwanderungspolitik nichts konkret ändere. Über den Kanzler sagt Merz sogar, dass Scholz das Land zu entgleiten drohe.
Deswegen hat Merz Scholz einen Verfahrensvorschlag gemacht, der es in sich hat: In einem ersten Schritt sollen SPD und Union jeweils einen Zuständigen benennen, die das Feld inhaltlich klären. Dann soll es noch im September ein Gesetzespaket geben, das in den Bundestag eingebracht wird. Der Kanzler solle den Fraktionszwang aufheben lassen. Dann hätten SPD und Union zusammen eine auskömmliche Mehrheit für das besagte Gesetzespaket.
Um Dublin wieder in Kraft zu setzen, wäre Merz bereit, weit zu gehen. Der CDU-Chef räumt ein, dass es Zweifel gebe, ob sich die Regelung so ohne weiteres gegen EU-Recht durchsetzen lässt. Falls sich zeige, dass das nicht möglich ist, will Merz sogar die Notlage ausrufen. Denn dann hätte Deutschland das Recht, geltendes EU-Recht außer Kraft zu setzen und zur Not gegen dessen Regelungen Einreisende an der Grenze abzuweisen. Zudem will Merz die Rechte der Ermittlungsbehörden stärken. Etwa durch anlasslose Kontrollen oder durch die Nutzung von Online-Adressen für die Fahndung.
Das Angebot Merz ist eines im Sinne des Films „Der Pate“. Eines, das Scholz nicht ablehnen kann. Zumindest nicht ohne Schmerzen. Denn Merz hat zum ersten Mal offen die Mitschuld der CDU und CSU an der jetzigen Situation in der Einwanderungspolitik offen eingeräumt. Lehnt Scholz jetzt Merz’ Angebot ab, ist die ungezügelte Einwanderung seine Verantwortung – und nicht mehr die von seiner Vorgängerin Angela Merkel (CDU). So wie die Ampel den Atomausstieg mit dem Beharren im Frühjahr 2023 zu ihrer Energiepolitik gemacht hat.
Für die Ampel wäre es das Ende, wenn Scholz auf Merz eingeht. Eine Koalition aus SPD und Union würde dann faktisch eine Einwanderungspolitik durchsetzen, gegen die sich die Grünen ausdrücklich aussprechen. Obendrein noch eine Innenpolitik, gegen die sich die FDP wehrt. Das können sich Scholz’ Partner nicht gefallen lassen und danach am Kabinettstisch sitzen bleiben.
Merz ist mit dem Angebot ein Geniestreich gelungen: Er streift das ungeliebte Erbe Merkels ab. Er setzt die Ampel unter Druck und er vertritt inhaltlich sinnvolle Positionen, mit denen sich 2025 gut Wahlkampf machen lässt. Parteipolitisch ist das alles sinnvoll. Kein Wunder, dass Merz meint, betonen zu müssen, dass dies alles nichts mit Parteipolitik zu tun habe.