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Parteitag in Hannover

Friedrich Merz: CDU zurück auf Platz eins

Friedrich Merz hält eine gute Auftaktrede auf dem Parteitag der CDU in Hannover. Doch so gut er vortragen kann - in der Rede ist auch zu erkennen, warum er als Oppositionsführer nicht wirklich überzeugen kann.

IMAGO / Emmanuele Contini

Doch. Reden kann er. Das gehörte schon immer zu den Stärken des Friedrich Merz. Dass seine Partei sich nach der Pandemie das erste mal wieder real trifft, nicht nur digital, kommt ihm ebenfalls entgegen. Und so hat er dann eine frohe Botschaft für die gut 1.000 Delegierten: „Vor knapp einem Jahr haben wir die Bundestagswahl verloren. Heute sind wir zurück auf Platz eins unter den deutschen Parteien.“

Also alles gut bei der CDU? Nun ja. Nein. Die CDU trifft sich in Hannover. Dort steigt bald die nächste Landtagswahl. Doch in Niedersachsen hat Rot-Grün laut den jüngsten Umfragen eine Mehrheit. Ganz ohne den liberalen Mehrheitsbeschaffer aus dem Bundestag. Wie treu die FDP zu ihrer Rolle als rot-grüner Mehrheitsbeschaffer steht, hat sie erst diese Woche gezeigt, als sie entgegen all ihrer Wahlversprechen die Pandemie-Maßnahmen in Deutschland verschärfte – als europäischer Sonderweg.

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Zwar ist die CDU zusammen mit der CSU die Nummer eins in Deutschland. Doch in den Umfragen steht sie immer noch unter 30 Prozent. Und das obwohl die Ampel als Bundesregierung „eine der wohl schwächsten aller Zeiten“ ist, wie Merz selbst vorträgt: Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) als verbaler Amokläufer bei Maischberger, Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) mit ungelösten Finanzproblemen in der Pflege und bei den Krankenkassen oder Justizminister Marco Buschmann (FDP), den liberale Anhänger bei jeder Gelegenheit an seinen Wortbruch erinnern, dass er die Corona-Maßnahmen nun doch nicht beendet. Trotzdem keine 30 Prozent für die Union.

Das liegt auch an Friedrich Merz. Die Konservativen in der Partei haben gehofft, er werde ein mutiger Erneuerer und mit der Politik Angela Merkels abrechnen. Doch das macht er nur zaghaft – in Hannover eigentlich zum ersten mal. Dazu, dass die Kanzlerin Deutschland energiepolitisch in die Abhängigkeit zu Russland geführt hat, sagt Merz: „Das war eine große Dummheit. Das war vielleicht auch ein gehöriges Maß an Naivität.“ Aber als Abrechnung mit Merkel will Merz das wiederum nicht verstanden wissen: Daran sei die CDU zwar „auch beteiligt gewesen“. Auch. Beteiligt. Im Wesentlichen sei aber die SPD Schuld gewesen. Nach 16 Jahren Richtlinienkompetenz in christdemokratischer Hand sucht der neue CDU-Vorsitzende den Notausgang aus der historischen Verantwortung.

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Nur jeder Dritte traut Friedrich Merz die Kanzlerschaft zu
Es ist dieser fehlende Mut, der Merz‘ große Schwäche ist: Keinen eigenen Kandidaten für die Wahl des Bundespräsidenten aufgestellt. In wichtigen politischen Fragen wie der Corona-Politik keine inhaltliche Führung gezeigt. Auf Druck von Grünen Veranstaltungen mit konservativen Teilnehmern abgesagt. Seitdem er der CDU vorsitzt, zeigt Merz, wer er ist: Der Mann, dessen Drängen zur Macht 20 Jahre lang darin bestand, zu warten, bis die Erfolgreichere endlich weg ist. Die Delegierten applaudieren ihm. Gut, was soll man auch machen, wenn man extra nach Hannover gekommen ist und die Kameras auf einen drauf halten. Doch in der Bevölkerung steht es anders um Merz‘ Ansehen.

das konservative nur staffage
Merz als Cancel-Kandidat
Das geht aus einer repräsentativen Umfrage hervor, die Insa im Auftrag von TE durchgeführt hat: Demnach sind 34 Prozent der Bundesbürger mit seiner Arbeit sehr oder eher zufrieden. Dagegen sind 47 Prozent sehr oder eher unzufrieden mit Merz. Selbst unter den Unions-Wählern sind demnach nur 61 Prozent mit seiner Arbeit als Oppositionsführer zufrieden. Auch die FDP-Anhänger kann er nur bedingt zu sich rüber ziehen. Unter denen finden ihn 51 Prozent gut.

Seine Rede in Hannover war gut. Sie hat die Delegierten erreicht. Aber sie wird bundesweit nicht wirken. Dafür ist Merz‘ Angebot zu beliebig. Anstatt eine eigene Grundhaltung zu entwickeln, reagiert er letztlich immer nur auf die Fehler der Ampel: Mit ihm würde Deutschland konsequenter zur Ukraine halten; neben der Kohle- auch die Atomenergie die anstehenden Versorgungslücken füllen oder sich keine Unverschämtheiten gefallen lassen wie die des Palästinenser-Führers Mahmoud Abbas.

In einem Punkt unterscheidet sich die Merz-CDU von der Ampel: beim Gendern. Das sollen ARD und ZDF unterlassen, sagt Merz. Das Wort Gendern nutzt er aber nicht. So weit geht sein Mut nicht. Er umschreibt es nur mit: „Regeln, die wir uns in diesem Land gegeben haben, auch zur Verwendung der deutschen Sprache.“ Es ist der fehlende Mut des Mannes, der die besten Jahre seiner politischen Karriere mit Warten verbracht hat – und der nun als ersten inhaltlichen Pflock eine Frauenquote für die CDU einschlagen will.

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