Da möchte man die Freitagsschulschwänzer doch gleich wieder in Schutz nehmen vor den Tentakeln dieser politischen Vereinnahmungskrake namentlich aus dem Kanzleramt und dem Justizministerium, wenn Angela Merkel und Katarina Barley jede für sich dem Engagement der deutschen Nachfolger der Greta Thunberg ihren vergifteten Segen erteilen. Katarina Barley scheint gar die Felle der SPD wieder auf sich zurückschwimmen zu sehen und fordert eine Herabsetzung des Wahlrechts schon für 16-Jährige.
Ja doch, die Verzweiflung der SPD muss immens sein, wenn die Justizministerin jetzt gegenüber der Passauer Presse frohlockte: „Diese Proteste, bei denen Schülerinnen und Schüler Freitag für Freitag für ihre Zukunft auf die Straße gehen, verdienen hohen Respekt: Solche jungen Leute wünschen wir uns.“ Ihre spontane Forderung: „Wir sollten ein Wahlrecht ab 16 Jahren einführen.“
Was wäre wohl die Steigerung so einer unangenehmen Vereinnahme? Uniformen, Aufmärsche und ein großes buntes Fahnenmeer der Einigkeit für die Umwelt? Gar die Geburt der Freitäglichen deutschen Jugend (FDJ) inklusive wöchentlichem Fackelmarsch durch die Dieselfreien Innenstädte und zum Abschluss ein Kanzlerinnenappell?
Die Bundeskanzlerin zeigt sich völlig verzuckert von diesen jugendlichen Schulschwänzern für die Umwelt. Offensichtlich glaubt sie an diesen Lichtstreifen am Horizont, glaubt wohl, dass dieser Protest politisch zu hijacken wäre, als Gegenbewegung gegen die Ausbreitung etwa der französischen Gelbwestenbewegung auf Deutschland, den der französische Präsident gerade „antisemitisch“ etikettiert hatte.
Angela Merkel agiert längst als Kanzlerin der Globalisierung: Für die Problemfelder, die sie beackert, gibt es keine nationalen Lösungen. So verdampft der deutsche Wählerwille im internationalen Kompromiss. Ein kaum bedrohlicher europäischer Schulschwänzeraktionismus kommt da gerade recht um von ganz oben als Thema aufgeblasen zu werden. Hier geht es nicht um explizit deutsche Interessen, sondern gleich um die Abwehr der Bedrohung der ganzen Welt.
Wenn sich aber das Verhältnis zwischen Wähler und politischer Klasse eines Landes immer mehr abkühlt, wenn die Entfremdungsspirale immer weitere Kreise zieht, dann ist so eine harmlos bis spielerische Jugendbewegung ein dankbarer Strohhalm, die Verweigerung der Umsetzung des nationalen Wählerwillens zu vertuschen. Angela Merkel kommentierte den Aktionismus der Freitagsschulschwänzer in einem Videopodcast gerade so: „Ich unterstütze sehr, dass Schülerinnen und Schüler für den Klimaschutz auf die Straße gehen und dafür kämpfen.“
Die Frage wäre hier allenfalls noch, ob den Jugendlichen und Kindern solche Annährungsversuche überhaupt recht sein können. Nicht spekulierten muss man hingegen darüber, dass der Regierung so ein Friday for Klima deutlich lieber sein dürfte, als ein Monday for Deutschland, wie er beispielsweise in Dresden seit Jahren praktiziert wird. Dort ist die Kanzlerin Feindbild Nummer Eins.
Den Schulschwänzern kann die Kanzlerin herzlich egal sein. Und Angela Merkel nutzt diese Chance eiskalt zur Zwangsumarmung, wenn sie weiter sagt: „Ich glaube, dass das eine sehr gute Initiative ist.“ Die Klimaschutzziele seien nur erreichbar, wenn es Rückhalt in der Gesellschaft gebe.
Fast unanständig formuliert es die Justizministerin, wenn sie diese Freitagsdemos der Jüngsten „großartig“ findet. Unanständig, wenn sie es damit begründet, dass diese Demonstrationen mit dem Vorurteil aufräumen würden, „dass junge Leute nicht aktiv genug wären und sich nicht politisch engagieren.“ Dann nämlich, wenn Barley damit den Eindruck erwecken will, als wäre es nicht dieser Lähmungen hervorrufende Mehltau der Merkelregierungszeit, der Deutschland zu einem politischen Schlaflabor gemacht hat. Wer sich aus politischem Kalkül auf die Jüngsten stürzt, wer wie Barley die knochige Hand vom Sterbebett der Sozialdemokratie nach den Kindern ausstreckt, der muss es sich spätestens hier gefallen lassen, dass in diesem Kontext an die Jugendarbeit der beiden deutschen Diktaturen erinnert wird.