Nur noch 40 Prozent der Bürger geben in der gemeinsamen Untersuchung von Allensbach-Institut und Media Tenor an, sie könnten ihre politische Meinung frei äußern. Das markiert den tiefsten Stand des Freiheitsindexes seit dem Jahr 1953. Von den sechziger Jahren bis ins vergangene Jahrzehnt hatten noch regelmäßig mehr als zwei Drittel der Befragten die Ansicht vertreten, man könnte in Deutschland seine Meinung frei äußern.
Die Studienautoren weisen darauf hin, dass ihr Befund ein informelles Meinungsklima misst:
„Man kann annehmen“, heißt es in der Untersuchung, „dass die allermeisten Menschen, die darüber klagen, man könne seine Meinung nicht frei äußern, durchaus wissen, dass es kein Gesetz gibt, das ihnen die Meinungsäußerung verbietet. Darum gehen in diesem Zusammenhang auch Verweise auf die im Grundgesetz festgeschriebene Meinungsfreiheit am Befund vorbei. Stattdessen bezieht sich die Klage auf die Sanktionen im sozialen Umfeld, die drohen, wenn man gegen die Regeln der ‚Political Correctness‘ verstößt.
Außergesetzlicher Druck
Und hier liegt der zentrale Punkt der Freiheitserosion: Den außergesetzlichen Druck auf öffentliche Meinungsäußerungen übt der Staat mittlerweile durchaus formal aus – durch ein großes Netz von „Meldestellen“, die ausdrücklich Meinungsäußerungen „unterhalb der Strafbarkeitsgrenze“ sammeln und auswerten sollen. Mit diesen steuergeldbetriebenen Anschwärz-Portalen machen die Regierungsparteien deutlich, welche Meinungen sie für erwünscht beziehungsweise schädlich halten. In einem der „Berliner Register“ etwa fand die Biologin Marie-Luise Vollbrecht wegen „Transfeindlichkeit“ Eingang, weil sie in einem wissenschaftlichen Vortrag festgestellt hatte, dass es nur zwei biologische Geschlechter gibt. Die Humboldtuniversität erklärte zudem öffentlich, Vollbrecht habe mit ihrem Vortrag gegen die „Werte“ der Universität verstoßen – ohne zu erklären, gegen welche. Zwar verbot ein Gericht der Universität diese Herabsetzung. Aber Methoden wie diese zeigen Wirkung.
Meinungsfreiheit per Gesetz einschränken
Darüber hinaus gibt es aber erste Versuche, die Meinungsfreiheit auch per Gesetz einzuschränken, etwa, wenn das „Selbstbestimmungsgesetz“ unter Strafe stellt, einen biologischen Mann in Frauenkleidern als Mann zu bezeichnen. Die größere Wirkung geht allerdings von der unbestimmten Drohung aus, etwa von der Formulierung des Verfassungsschutzes von der „verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates“. Was genau der Geheimdienst damit meint, bleibt bewusst schwammig. Der Eindruck soll ganz gezielt erweckt werden, Kritik an der Regierung und deren Werturteilen zum Thema Klimawandel, Islam, Migration und Transgender könne zu negativen Konsequenzen für den Kritiker führen. Bekanntlich bauen Landesregierungen wie die schwarz-grüne Allianz in NRW und der Bund – etwa in Gestalt der Meldestelle zu „antifeministischen Vorfällen“ – dieses Einschüchterungsinstrument stetig aus, der Dauerklage über angeblichen Geldmangel zum Trotz.
Ein Minderheitsmilieu bestimmt das Meinungsklima des ganzen Landes
Die Meinungsfreiheit steigt also ab, weil die staatliche Meinungslenkung aufsteigt.
Das zeigt sich in der Untersuchung von Allensbach und Media Tenor besonders klar bei dem Blick darauf, wer sich eingeschränkt fühlt: Während die Gesamtbevölkerung mehrheitlich das Gefühl hat, die Meinung nicht frei äußern zu können, und sich dieser Befund auch für die Anhänger der verschiedenen Parteien fortsetzt, sticht die Gefolgschaft einer einzigen Partei heraus: Nur 19 Prozent der Grünen-Anhänger finden, man sollte bei der Meinungsäußerung besser vorsichtig sein – während 75 Prozent von ihnen sagen, sie könnten ihre Meinung frei heraussagen. Das trifft auch zu: die gewissermaßen zertifizierten Ansichten zu Klimawandel, Migration, Islam, Geschlechterfrage und anderen Themenfeldern entsprechen weitgehend dem grünen Parteiprogramm. Und nebenbei auch der transportierten Ideologie von ARD und ZDF. Ein Minderheitsmilieu bestimmt also das Meinungsklima des ganzen Landes.
Wie sehr sich dieses Meinungsklima gewandelt hat, zeigt sich in den Antworten auf ganz bestimmte gesellschaftspolitische Fragen. Die Studienteilnehmer wurden gebeten, anzugeben, welche davon Themen seien, bei denen man sich leicht „den Mund verbrennen“ könne. Dass es riskant sei, offen seine Meinung über Muslime beziehungsweise den Islam zu sagen, meinten 1996 15 Prozent der Befragten, 2021 waren es 59 Prozent. Dass Vaterlandsliebe und Patriotismus bedenklich seien, glaubten 1996 16 Prozent, 2021 38 Prozent.
Äußerungen von Politikern oder TV-Kommentatoren, die etwa den Islam als problematisch bezeichnen, oder sich deutlich zum Patriotismus bekennen, kommen kaum noch vor – was wiederum die Illusion nährt, diese Meinungen gäbe es nur an den Rändern der Gesellschaft. In Wirklichkeit sind sie mehrheitsfähig. Es fehlt nur ihre öffentliche Artikulation.