Tichys Einblick
Neue Dimensionen des Judenhasses

Frankfurter Konferenz sieht düstere Zukunft für Juden in Deutschland

Die Frankfurter Islamforscherin Susanne Schröter geht in einer von ihr organisierten Konferenz zum zweiten Mal der Frage nach, welche Folgen der nach dem 7. Oktober 2023 wieder entflammte Nahost-Krieg für jüdisches Leben in Deutschland hat. Das Ergebnis ist ernüchternd und gibt wenig Anlass zur Hoffnung.

Prof. Dr. Susanne Schröter bei der Antisemitimus-Konferenz des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam, 27. September 2024

Screenprint: SAT.1

Nachdem Susanne Schröter, Leiterin des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam (FFGI), schon kurz nach dem am 7. Oktober 2023 verübten Massaker der Hamas mit mehr als tausend getöteten und mehr als viertausend verletzten Israelis im Dezember des letzten Jahres eine Konferenz über muslimischen Antisemitismus in Deutschland veranstaltet hat, legte sie vor einige Tagen mit einer weiteren Konferenz zu diesem Thema nach. Unter dem Titel „Neue Dimensionen des Judenhasses. Der 07. Oktober 2023 und seine Folgen“ gingen namhafte Repräsentanten und Unterstützer jüdischen Lebens in Deutschland der Frage nach, wie sich die Lage der rund einhunderttausend in Deutschland lebenden Juden seit der sich an den 7. Oktober anschließenden israelischen Luft- und Bodenoffensive in Gaza inzwischen weiter verändert hat.

Ebenso bezeichnend wie beunruhigend war vor diesem Hintergrund die starke Präsenz von Polizisten und Personenschützern außerhalb und innerhalb des Veranstaltungsortes, dem Historischen Museum Frankfurt. Sie war gewiss nicht allein der Teilnahme von Josef Schuster, des Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, sowie der Teilnahme des Beauftragten der Hessischen Landesregierung für Jüdisches Leben und den Kampf gegen den Antisemitismus, Uwe Becker (CDU), sondern auch dem Thema selbst geschuldet. Während Becker als Schirmherr der Konferenz in seiner Begrüßungsrede unter anderem beklagte, wie salonfähig Antisemitismus in Deutschland seit dem 7. Oktober (wieder) geworden ist, beklagte Schuster in seiner Begrüßungsrede vor allem, wie allein gelassen sich Juden in Deutschland seit dem 7. Oktober (wieder) fühlen.

Zwei von der Veranstalterin in ihrer Einleitung genannten Aspekte standen auf der Konferenz im Vordergrund: Wie kam es dazu, dass in dem wieder entflammten Nahost-Krieg inzwischen nicht mehr die Hamas, sondern der Staat Israel in der internationalen wie auch deutschen Öffentlichkeit als Aggressor am Pranger steht, obwohl zweifelsfrei die Hamas ihn mit ihrem Massaker vom 7. Oktober ausgelöst hat? Und was kann gegen den dieser Angreifer-Verteidiger-Umkehr zugrunde liegenden israelbezogenen Antisemitismus unternommen werden?

Um einen solchen Antisemitismus handelt es sich laut der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA), wenn tradierte antisemitische Bilder und Stereotype, die sich gegen Juden richten, auf den Staat Israel übertragen werden, dem in der Folge sein Existenzrecht abgesprochen wird. Ausdrücklich ausgenommen davon wird von der IHRA dabei eine Israelkritik, die sich nicht solcher Bilder und Stereotype bedient, sondern zum Beispiel die israelische Siedlungspolitik im Westjordanland in Frage stellt. Daraus ergibt sich notgedrungen unter anderem ein nicht nur unter Wissenschaftlern umstrittenes begriffliches Abgrenzungs- und Unterscheidungsproblem zum Antizionismus. Dieser richtet sich sowohl gegen die zionistische Ideologie der jüdischen Staatsgründer Israels wie gegen den Staat Israel und nimmt für sich in Anspruch, nicht antisemitisch zu sein. Sehen die einen eine große Schnittmenge zwischen Antisemitismus und Antizionismus, sind andere der Meinung, beide hätten wenig bis gar nichts miteinander zu tun.

Dieser Streit spielte auf der Frankfurter Konferenz allerdings keine Rolle, versammelten sich dort doch ausschließlich Personen, die darüber aufklären und reden wollen, wie der Antisemitismus sich immer mehr antizionistisch verkleidet, um sich wie ein Flächenbrand in einem Land weiter ausbreiten zu können, in dem aufgrund der Shoah der Ruf nach einem „Nie wieder“ für Juden ein ganz besonderes Versprechen und für Nicht-Juden eine ganz besondere Verpflichtung ist. Erweitert wird die antisemitische Verkleidungsgarderobe, wie vor allem Schröter zeigte, seit einigen Jahren um ein weiteres Kleid. Es stammt aus der Schneiderei des sogenannten Postkolonialismus, dessen sozial- und geisteswissenschaftlichen Vordenker nicht nur an zahlreichen US-Universitäten, sondern auch an immer mehr deutschen Universitäten inzwischen tonangebend sind.

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Deren Credo lautet, beim Staat Israel handle es sich um die letzte verbliebene Kolonie weißer Kolonialisten in einem Land der Dritten Welt (Palästina). Diese habe sich, wie einst schon das von europäischen Buren gegründete Südafrika, als Apartheidstaat gegen das indigene Volk der Palästinenser organisiert. Alle Angriffe auf Juden in- und außerhalb Israels seien daher berechtigte Akte des Widerstands gegen fremde Besatzer. Das gelte auch für das von der Hamas veranstaltete Massaker vom 7. Oktober. Ziel dieses Widerstands müsse zwangsläufig die Ersetzung des Staates Israel durch einen palästinensischen Staat vom Jordan bis zum Mittelmeer (From the river to the sea) sein, so wie andere Kolonialstaaten von ihren weißen Besatzern schon vor Jahren komplett befreit worden sind.

Genährt wird dieses postkoloniale Narrativ unter anderem durch die zahlreichen zivilen palästinensischen Opfer der Luft- und Bodenoffensive, die Israel seit Monaten gegen die Hamas in Gaza durchführt. Die Zahl der Opfer des Massakers vom 7. Oktober wird dabei inzwischen um ein Vielfaches übertroffen. Der in Israel geboren Ahmad Mansour legte in diesem Zusammenhang anschaulich dar, welche immense Wirkung inzwischen die sozialen Medien unter in Deutschland lebenden Muslimen haben, in denen Nachrichten und Videos über das darin als genozidal bezeichnete israelische Vorgehen in Gaza tagtäglich millionenfach verbreitet werden. Gleiches ist nun wohl zusätzlich aufgrund der israelischen Luft- und Bodenoffensive gegen die Hisbollah im Libanon zu erwarten, die schon jetzt ebenfalls mit vielen zivilen Opfern einhergeht und wohl noch weiter einhergehen wird.

Hinter all den diesen Opfern in Gaza und dem Libanon verschwindet, dass das Vorgehen des technologisch weit überlegenen israelischen Militärs in beiden Fällen eine Reaktion auf zunächst erfolgte militärische Angriffe aus Gaza und dem Libanon ist. Ein Vorgang, den die Referenten und Diskutanten der Konferenz als ein gezieltes Kalkül der Hamas und Hisbollah interpretieren, um Israel der Weltöffentlichkeit als den eigentlichen Aggressor in diesem Krieg vorzuführen. Eine Täter-Opfer-Umkehr, die, unabhängig von der Richtigkeit des unterstellten Kalküls, auch in der deutschen Öffentlichkeit immer mehr Früchte zu tragen scheint; von anderen Ländern in Europa wie etwa Spanien und Irland sowie islamischen wie nicht-islamischen Ländern im sogenannten Globalen Süden ganz zu schweigen. Bei der Frage, wer die Verantwortung für den neuerlichen kriegerischen Ausbruch des Nahost-Konfliktes und dessen menschliche Opfer trägt, zeichnet sich von daher immer stärker ab, dass nicht nur in den Augen der allermeisten Muslime auf dieser Welt die Antwort Israel lautet.

Laut Mansour hat die schon vor Jahrzehnten im Nahen Osten begonnene religiöse Aufladung (Islamisierung) des Kampfes gegen den Staat Israel, der nach dessen Staatsgründung im Jahr 1948 in den ersten Jahrzehnten zunächst panarabisch-säkular geprägt war, inzwischen auch die in Deutschland lebenden Muslime erfasst. Sie bildet eine weitere ideologische Grundlage für einen Politischen Islam, der auch in Deutschland tagtäglich weiter Fuß fasst. Die an deutschen Universitäten und auf deutschen Straßen gegen Israel protestierenden Gruppierungen und ihre Anhänger bezeichnet Mansour vor diesem Hintergrund als verlängerten Arm des Politischen Islam. Zu dessen Agenda gehört ebenso die Zerstörung des Staates Israel wie die Vertreibung der Juden aus dem Nahen Osten. Deswegen ist für Mansour völlig unverständlich, dass die in Deutschland wuchernden islamistischen Netzwerke von der deutschen Regierung hofiert und geschützt sowie finanziell sogar gefördert werden. Gleichzeitig wurde den Kritikern des Islamismus seitens der deutschen Regierungen in den letzten Jahren das Leben immer schwerer gemacht.

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Die nicht nur über die sozialen Medien verbreiteten Bilder von massiver Zerstörung und zivilen Opfern aus Gaza und dem Libanon nähren das postkolonial-antisemitische Narrativ indes nicht nur unter den in Deutschland lebenden Muslimen aus der Türkei, dem Nahen Osten, Nordafrika und anderen Teilen dieser Welt, die der Vorsitzende der Kurdischen Gemeinde in Deutschland, Ali Ertan Toprak, auf rund sechs Millionen taxiert. Sie zeigen auch in der nicht-muslimischen deutschen Mehrheitsgesellschaft immer mehr Wirkung; und dort vor allem im Milieu einer wachsenden und an Einfluss gewinnenden woken Linken, die nicht nur gegen Israel, sondern kurioserweise zudem gegen den Klimawandel auf die Straße geht.

Toprak wundert sich als vor Jahrzehnten aus der Türkei mit seinen Eltern eingewanderter und seitdem assimilierter Kurde angesichts der deutschen Geschichte gleichwohl, dass sich die Solidarität mit den Opfern vom 7. Oktober in der deutschen Bevölkerung deutlich in Grenzen hält. Das ist seiner Meinung nach unter den in Deutschland lebenden Kurden anders. Sie seien, anders als viele Deutsche, mehrheitlich nicht nur mit den im Holocaust getöteten, sondern mit den heute lebenden Juden innerhalb und außerhalb Israels solidarisch, da Israel das einzige Land sei, das auch den Kurden das Recht auf einen eigenen Staat im Nahen Osten zuspricht.

Schon das schiere Zahlenverhältnis zwischen rund einhunderttausend in Deutschland lebenden Bürgern jüdischer Herkunft und rund sechs Millionen hier lebenden Bürgern muslimischer Herkunft macht deutlich, in welch schlechter Ausgangslage sich deutsche Juden angesichts einer nicht nur unter Muslimen um sich greifenden, offenen Israel- und Judenfeindschaft befinden. Von ihr berichtete auf der Konferenz anschaulich auch Hanna Veiler, die Präsidentin der Jüdischen Studierendenunion Deutschland (JSUD). Sie verdeutlichte, dass jüdische Studenten an deutschen Hochschulen eine so verschwindende Minderheit sind, dass es ihnen äußerst schwerfällt, sich gegen zunehmende Anfeindungen und Angriffe seitens israelfeindlicher Kommilitonen erfolgreich zur Wehr zu setzen. Die Hochschulleitungen zeigen ihrer Wahrnehmung nach überdies kein sonderliches Interesse, sich schützend vor die so Angegriffenen zu stellen, weil sie Konflikten mit den zahlenmäßig überlegenen studentischen Israel- und Judenfeinden lieber aus dem Weg gehen.

Von ähnlichen Erfahrungen berichtete Elio Adler, der jüdische Vorsitzende der Berliner WerteInitiative e.V. mit Blick auf das Vorgehen politischer Parteien gegen gerade im Berliner Alltagsleben vermehrt stattfindende antisemitische Übergriffe. Nach seiner Beobachtung wägen Politiker sehr genau ab, ob und wie es sich für sie politisch auszahlt, wenn sie gegen solche Übergriffe vorgehen und sich dadurch gegebenenfalls bei für sie wichtigen Wählergruppen unbeliebt machen. Die Beteuerungen zahlreicher Politiker, sie stünden im Kampf gegen den wachsenden israelbezogenen Antisemitismus unverbrüchlich an der Seite der in Deutschland lebenden Juden, erwiesen sich daher meist nur als bloße Lippenbekenntnisse. Mit ihnen soll wohl vor allem der regierungsamtlichen Behauptung Genüge getan werden, das Existenzrecht des Staates Israel sei Teil der deutschen Staatsräson.

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Zugespitzt und verallgemeinernd kann man anhand solcher Erfahrungen wohl festhalten, dass es sich bei den in Deutschland lebenden Juden politisch offenkundig um eine Quantité négligeable ohne nennenswerte Wählermacht handelt. Für die in Deutschland lebenden Muslime gilt dies, nicht zuletzt wegen der seit Jahren anhaltenden, massenhaften Asylzuwanderung aus islamischen Ländern, hingegen immer weniger. Sie verfügen über eine zunehmende quantitative Wählermacht in Deutschland, was sie mittlerweile im Streit über den Nahost-Konflikt entsprechend selbstbewusst, unter anderem auch gegen die vergleichsweise wenigen in Deutschland lebenden Juden, zum Ausdruck bringen.

Entsprechend pessimistisch fiel vor diesem Hintergrund die abschließende Podiumsdiskussion aus, bei der es um die Frage ging, wie man die weitere Ausbreitung des israelbezogenen Antisemitismus in Deutschland stoppen kann. Einzig der in Algerien aufgewachsene und an der Pädagogischen Hochschule in Freiburg lehrende islamische Theologe Abdel-Hakim Ourghi war einigermaßen zuversichtlich, die Zusammenarbeit mit den muslimischen Dachverbänden, die im Schulterschluss mit der woken Linken den israelbezogenen Antisemitismus unter den in Deutschland lebenden Muslimen maßgeblich mitverbreiten, werde innerhalb der politischen Klasse und der beiden christlichen Kirchen vermehrt in Frage gestellt und so möglicherweise eingeschränkt oder gar beendet. Doch auch er betonte, das sei eher eine vage Hoffnung als eine verlässliche Prognose für die nahe Zukunft.

Was lernen wir aus all dem? Erneut hat das Forschungszentrum von Susanne Schröter mit dem wieder entflammten Nahost-Krieg und dessen Folgen für Deutschland ein ausgesprochen heißes Eisen zum Thema einer Konferenz gemacht, wie nicht zuletzt auch die massive Polizeipräsenz am Ort der Veranstaltung demonstrierte. Und erneut sind zu diesem Thema keine Referenten zur Sprache gekommen, die nicht mit beiden Füßen fest im pro-israelischen Lager stehen. Das ist legitim und möglicherweise auch dem Umstand geschuldet, dass auch beim Thema Nahost-Konflikt die Vertreter der jeweiligen Lager inzwischen nur noch dazu bereit sind, unter sich und nicht mehr miteinander zu diskutieren.

Dem Informationsgehalt und der hohen Qualität der Konferenz tat ihre Einseitigkeit indes keinen Abbruch. Gleichwohl ließe sich beides noch weiter steigern, wenn es bei einer weiteren (dritten) FFGI-Konferenz zum Thema Nahost-Krieg und seine Folgen für Deutschland gelänge, neben pro-israelischen auch pro-palästinensische Referenten zur Sprache kommen zu lassen, die nicht nur der israelischen Politik gegenüber den Palästinensern, sondern auch dem israelbezogenen Antisemitismus kritisch gegenüberstehen. Sie könnten zum Beispiel darüber aufklären, was es mit der von Mansour angesprochenen religiösen Aufladung des Nahost-Konflikts nicht nur auf Seiten der Palästinenser, sondern auch auf Seiten der Israelis auf sich hat. Vielleicht ließen sich so auch neue Bündnispartner für die Juden in Deutschland finden, die mit ihnen gemeinsam gegen religiöse Fanatiker vorgehen, die nicht nur im Nahost-Konflikt eine immer größere Rolle spielen.


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