Tichys Einblick
Theater der Letzten Generation

Frank-Walter Steinmeier lässt sich als Klima-Tribun inszenieren

Die Letzte Generation plant am Samstag einen Aktionstag mit „ungehorsamen Versammlungen“. Am Schluss steht der Versuch, einen Klima-Tribun zu inszenieren. Das soll ausgerechnet Präsident Steinmeier werden.

Pressekonferenz der Letzten Generation am 11. März 2024 vor Schloss Bellevue, Berlin

IMAGO / Metodi Popow

Frank-Walter Steinmeier (SPD) ist der größte Wahlverlierer der bundesdeutschen Geschichte. Ein einziges Mal hat er sich dem Wähler gestellt auf seinem Weg von Gerd Schröders Büroleiter zum Bundespräsidenten. Dabei hat die SPD mit ihm so viele Wähler verloren wie nie zuvor eine Partei in der Bundesrepublik – und nie danach. Seine Karriere verdankt Steinmeier seinem Geschick, sich Gefolgschaft hinter den Kulissen zu organisieren.

Ausgerechnet den Apparatschick Steinmeier hat die Letzte Generation ausgesucht, um für sie die Rolle des Klima-Tribuns zu übernehmen. Und so geht’s: Am Samstag sammelt die Letzte Generation ihre Kräfte zum letzten Gefecht – einem Aktionstag mit „ungehorsamen Versammlungen“, dessen Ziel es ist, dass sich Steinmeier zum Klimaschutz im Sinne der Letzten Generation bekennt und sie quasi als Volkstribun anführt. Das wird in etwa so schwerfallen, wie Lothar Matthäus dazu zu überreden, 15 Minuten Fußballpause mit Geplapper zu füllen.

Vieles spricht dafür, dass der Aktionstag mit Steinmeiers Präsidialamt abgestimmt ist. Ihre „rebellische“ Pressekonferenz hielt die Letzte Generation bereits vor Steinmeiers Amtssitz, dem Berliner Schloss Bellevue, ab. Kleine Mutmaßung: Hätten AfD oder Abtreibungsgegner dort eine Pressekonferenz abhalten wollen, wäre die bereits im Vorfeld abgebügelt worden. Die Letzte Generation ruft also nach einem, der nach dem Ruf ruft.

Das wäre eine billige Inszenierung? Steinmeier würde sich niemals dafür hergeben, sich mit einer Lüge als politischer Anführer in Szene setzen zu lassen? Um die Frage zu beantworten, genügt ein Blick in Steinmeiers Vergangenheit als größter deutscher Wahlverlierer aller Zeiten. 2008 hatten Influencer erfolgreich Wahlkampf für Barack Obama gemacht. 2009 tauchte im deutschen Wahlkampf das „Steini Girl“ im Internet auf.

Das Steini Girl lässt sich kaum beschreiben, ohne sexistisch zu werden. Ihre Stärken lagen eher obenrum – und damit ist nicht ihr Mund gemeint. Aus dem kamen nur peinliche Textzeilen raus, etwa wenn sie Steinmeier als „mein kleiner Toyboy“ anpries, als „geballte Männlichkeit“ oder gleich schwärmte: „Du bist der Pimp, du bist der Held“. Dass im Video der bekennende Homosexuelle Guido Westerwelle dann noch als „leider feminin“ diskriminiert wird, passt ins intellektuell groteske Gesamtbild.

Die SPD hat sich später von dem Video distanziert. Das sei eine der Partei unbekannte Bloggerin, die sich für ihren Kandidaten einsetze … Ja. Glaubwürdig. Da hat jemand eine professionelle Optik produziert mit einem Dutzend Drehorten, Background-Tänzerinnen und Studiosound. Aber das war keine missglückte PR, in der ein SPD-Praktikant seine schwülstige Sex-Phantasie in ein Skript fließen ließ. Sondern eine einsame Influencerin, die später keiner mehr zuordnen konnte. Wirklich glaubwürdig.

Nun darf also die Letzte Generation vor dem Präsidialamt ankündigen, dass sie Steinmeier dazu nötigen wolle, ihre Galionsfigur zu werden. Die Spannung ist schier unerträglich, ob er diese Rolle annehmen wird. Aber bevor sich jetzt jemand die Fingernägel abkaut: Steinmeier wird diese Rolle annehmen. Sie passt ins Bild. Sie passt ins Inszenierungs-Muster der Ampel: Die Koalition, die gerade mal noch 30 Prozent der Wähler hinter sich vereint, will sich als vom Volk gewollt darstellen.

Dazu passen die Volksdemonstrationen nach der Correctiv-Inszenierung von Potsdam. Als das Volk gegen Rechts auf die Straße ging, der Staatsfunk die Teilnehmer interviewte – und sich dank des OERR-Blogs einer nach dem anderen als Parteisoldat herausstellte. Zu den Volksinszenierungen passen auch die Bürgerräte im Bundestag, welche der Bundestag angeblich zufällig aussucht und die dem Parlament den Volkswillen vorgeben sollen. Als ob in einer Demokratie nicht eben eine Wahl und die daraus hervorgehenden Abgeordneten dafür da wären, genau diesen Volkswillen zu ermitteln.

Es passt auch in die kommunistische Vergangenheit Steinmeiers, der vom Volk – also der Letzten Generation – gerufene Volkstribun werden zu wollen. Als Student schrieb er für eine Zeitschrift, deren Verlag von der DDR finanziert wurde. In dieser DDR stand eine Einheitsliste zur Wahl, die alternativlos war, weil sie von den Betrieben und der Arbeiterschaft so gewollt war. Und wer würde sich deren Willen widersetzen wollen? Die DDR hat vorgemacht, dass sich eine Regierung die Bestellung vom Volk bestellen lassen kann – Steinmeier indes lässt sich nun von der Letzten Generation zum Klima-Tribun machen.

Einen Schönheitsfehler hat das Ganze aber: Noch gibt es in Deutschland keinen real existierenden Sozialismus, sondern einen demokratischen Rechtsstaat, in dem Bürger sogar das Staatsoberhaupt kritisieren dürfen. Auch wenn Nancy Faeser (SPD) und Thomas Haldenwang (CDU) das als Delegitimation des Staates abschaffen wollen. Und obwohl immer weniger Journalisten in staatlichen und staatsnahen Medien von diesem Recht Gebrauch machen. Und da hilft es, wenn der Anführer einer Bewegung, erst recht ein Klima-Tribun, über einen Funken Charisma verfügt.

Was das betrifft, wäre die Letzte Generation vielleicht besser beraten, die Mauern des Schloss’ Bellevue zum Tribun ihrer Bewegung zu machen.

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