Tichys Einblick
Präsident Peinlich

Frank-Walter Steinmeier erklärt sich erneut zum Kandidaten

Es wird Zeit, dass die Deutschen ihren Präsidenten selbst wählen dürfen.

IMAGO / Metodi Popow

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (mit formal ruhender SPD-Mitgliedschaft) möchte sich um eine weitere Amtszeit bewerben. Er wolle helfen, die Wunden der Corona-Pandemie zu heilen. Das sagte er am 28. Mai in einer eigens ins Bellevue einberufenen Pressekonferenz. Warum er sich selbst bewirbt, statt vorgeschlagen zu werden; warum er diese Bewerbung neun Monate vor dem entsprechenden Wahltermin und vier Monate vor der Bundestagswahl vom Stapel lässt? Wir wissen es nicht und können nur vermuten: Ergriffen von sich selbst will er offenbar „sein“ Volk wissen lassen, was es an ihm habe. Steinmeier meinte auch, er wolle mit einer zweiten Amtszeit, zumal in „bewegten Zeiten“ mit vielen offenen Fragen, „unser Land in eine Zukunft begleiten, eine Zukunft, die nach Corona endlich in Sicht gerät.“ Er wolle Brücken bauen, in die Gesellschaft und in die Welt, und „um neues Vertrauen bitten“. Er wolle, dass die Menschen, „wissen, wo ihr Bundespräsident steht“. Aha!

Peinlichkeiten pflastern den Weg

Peinlich, peinlich, peinlich, dass sich ein Staatsoberhaupt für eine Wiederwahl so anbiedert und dazu auch noch eine Pandemie instrumentalisiert. Dabei ist der bislang zwölfte Bundespräsident, den diese Republik hat, eine der schwächsten Figuren in dieser Reihe – zusammen mit Christian Wulff. Kein Vergleich mit Bundespräsidenten wie Heuß, Carstens, Weizsäcker, Herzog, Gauck!

Woher soll Steinmeier Charisma mitbringen? Nach studentischen Jahren als Juso-AStA-Mensch und Redakteur der linken, vom Verfassungsschutz beobachteten und aus der DDR finanzierten Postille „Demokratie und Recht“ war er immer ein Polit-Apparatschik: in der Staatskanzlei bei einem Ministerpräsidenten Schröder, später im Kanzleramt bei einem Bundeskanzler Schröder, dann zweimal als Außenminister, einmal als Kanzlerkandidat der SPD, für die er 2009 23 Prozent einfuhr.

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Aufgefallen ist Steinmeier als Außenminister nicht, allenfalls peinlich. Als es 2015/2016 um die Anerkennung des Völkermords an den Armeniern (1915 – 1923) durch den Bundestag ging, kniffen Steinmeier – wie auch Merkel. Man wollte Erdoğan und Co nicht verärgern. Steinmeier meinte, eine solche Anerkennung relativiere den Holocaust. Kurz vor der Abstimmung im Bundestag über die Armenien-Resolution am 2. Juni 2016 kündigten Steinmeier und Merkel an, sie würden der Abstimmung fernbleiben. Das sind Helden!

Und dann kam im Februar 2017 die Wahl ins höchste Staatsamt. Merkel wollte ihn, weil sie wusste, dass er eine schwache Figur ist. Die CDU hatte niemanden zu bieten, weil Merkel keinen Norbert Lammert oder Wolfgang Schäuble im Bellevue dulden wollte. Und so plätschert die bislang gut 50-monatige Amtszeit Steinmeiers vor sich hin. Voller Floskeln und Phrasen. Er hat alle Null-Erwartungen stets bei größtem Bemühen voll erfüllt. Ob es um Erinnerungen an den 8. Mai 1945, an den 9. November (1918, 1938, 1989), den 23. Mai 1949 oder den 3. Oktober 1990 ging: Erhellendes war nicht zu hören. Das Übliche nur: deutsche Verbrechen usw. Und in Yad Vashem im Januar 2020 eine Rede auf Englisch, weil er die „Sprache der Täter“ niemandem zumuten wollte.

Steinmeier konnte nie aus seiner Haut. Im August 2018 bewarb er als Bundespräsident ein Konzert in Chemnitz, bei dem linksradikale Bands auftraten, die eine „Messerklinge in die Journalistenfresse“ rammen wollten. 2019 legte er – die Verfolgten des SED-Regimes verhöhnend – den Thüringern die SED-Linke als koalitionsfähigen Partner ans Herz. Ansonsten reiste er viel, pro Jahr – bis zum Ausbruch der Pandemie – besuchte er um die zwanzig Länder der Welt. Zu einem Besuch in Trumps Weißem Haus reichte es nicht, hatte Steinmeier, als Außenminister damals oberster Diplomat, doch Donald Trump als „Hassprediger“ beschimpft. Da nahm er für sich eine freie Debattenkultur in Anspruch, für die er in Zeiten von „cancel culture“ aber nichts übrig hat.

Ansprache zum Holocaust-Gedenktag
Steinmeier und sein Kunststück des Beschweigens
Als „deutsche“, türkisch-stämmige Fußballnationalspieler dem türkischen Präsidenten Erdoğan ihre Aufwartung machten, gab es immerhin Kritik seitens des Deutschen Fußballbundes und des „grünen“, türkischstämmigen Cem Özdemir. Fünf Tage später allerdings empfing Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die beiden Balltreter. Am 6. Juni 2018 erklärte Steinmeier, er habe die Fotos der beiden deutschen Nationalspieler kritisch gesehen und sich zunächst gefragt, ob die beiden überrumpelt gewesen seien. Dies habe ihn „ratlos“ gemacht.

2019 schickte Steinmeier seine „herzlichen Glückwünsche“ nach Teheran zum 40. Jahrestag der Iran-Revolution. An ein Regime, in dem Ehebrecherinnen gesteinigt und Homosexuelle an Baukränen aufgehängt werden. 2020 sollte so etwas vermieden werden. Am 7. Februar 2020 entschied Steinmeier: Wir schicken nichts. Doch in der Kommunikation gab es einen Knoten. Ein Glückwunschtelegramm ging trotzdem nach Teheran.

Das Volk ist der Souverän!

Nun will Steinmeier, dem längst die Namen Phrasenmeier und Floskelmeier anhängen, also weitermachen. Ob erneut Steinmeier kommt oder irgendein anderer im System der blockartig zusammenkungelnden arrivierten Parteien Auserwählter (m w d usw): Es wäre an der Zeit, dass die politische “Elite“ endlich den Souverän, das Volk, entscheiden lässt, wen es als obersten Repräsentanten will. Das Volk durfte nicht einmal im Zuge der Wiedervereinigung über eine Verfassung abstimmen, wiewohl das im Grundgesetz Artikel 146 noch heute festgehalten ist: „Dieses Grundgesetz … verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volk in freier Entscheidung beschlossen worden ist.“ Von einem Volksentscheid über EU-Verträge ganz zu schweigen.

Nun also werden wir im Frühjahr 2022 wieder Zeugen eines lächerlichen Schauspiels werden, wenn die 709 (vermutlich werden es nach der Bundeswahl erheblich mehr sein) Bundestagsabgeordneten und weitere 709-Plus von den 16 deutschen Ländern entsandte Wahlleute (m w d usw) einen neuen oder alten Präsidenten wählen. „Schauspiel“, ja: Mit Wahlleuten zuletzt wie Schauspielern, Schlagersängern, einer Travestiekünstlerin oder einem Fußball-Yogi. Nein, damit sollte Schluss sein! Wie wäre es denn, wenn eine Partei eine entsprechende Forderung in ihr Wahlprogramm 2021 aufnähme? Es wären viele Wähler dafür zu gewinnen. Denn eine Verfassung zu beschließen und einen Präsidenten zu wählen, gehört zu den souveränen Rechten des Souveräns, also des Volkes!

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