Eine der wichtigsten Fragen während der Pandemie lautet: Ist die Versorgung mit Lebensmitteln gesichert? Sie ist es. Verhaltenspsychologen mühen sich ab, die einzig leere Verkaufsfläche im Handel zu erklären. Der nationale Drang, durch Hamsterkäufe eine Krise bei der kontinuierlichen Belieferung mit Toilettenpapier zu schaffen, gleicht einem Mysterium. Viele Haushalte werden ihre liebe Not haben, die jeweiligen Vorräte während der nächsten Monate abzuarbeiten.
Aber frisches Gemüse, Fertigpizza, Nudeln, Konserven, Schokolade, Ostereier, Grillwürstchen und Soßen für das Angrillen bei der ersten Frühlingssonne ist wie immer reichlich zu kaufen – es fehlt an nichts. Die Ernährungswirtschaft – von den Landwirten über die Nahrungsmittelproduzenten bis zur Logistik des Handels – macht einen hervorragenden Job. Die rund fünf Millionen in der Ernährungswirtschaft arbeitenden Menschen sind die wahren „Essensretter“. Das hätte ein Kompliment der sie ständig anfeindenden Foodwatch-Agitatoren, die sich selbst gern als solche bezeichnen, verdient.
Aber die Aktivisten-Truppe bleibt aktuell sprachlos. Man lässt sich auf der Website immerhin zu dem Satz hinreißen, dass die aktuelle Situation ein Stresstest für die komplexe Kette der Lebensmittelversorgung darstellt, von der Erzeugung der Rohstoffe über die Verarbeitung zu Lebensmitteln bis hin zur Logistik. Das ist doch fast schon ein Kompliment zur Leistungsfähigkeit der Branche. Und weiter: „Foodwatch liegen zur Zeit keine Informationen vor, die an den Versicherungen des Handels und der Bundesregierung zweifeln lassen.“ Da kann die Wirtschaft doch froh sein, dass diese Überwachungs-Institution, von der man regelmäßig attackiert wird, noch kein Haar in der Suppe gefunden hat.
In der Information „Lebensmittel und das Corona-Virus“ wird von Foodwatch als verlässliche Quelle sogar das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) zitiert. Das Virus macht pragmatisch. Wenn diese Institution bei unsachlichen Skandalisierungen von Foodwatch auf Fehlerhaftigkeit hinweist oder Entwarnung gibt, gilt das BfR als befangen oder ahnungslos. Außerhalb der Krise passt die sachliche Bewertung durch das BfR nicht zur Strategie der Agitation.
Als Beleg für die Agitation wird ein ZDF-Beitrag auf die Website gesetzt, bei dem Foodwatch Regie geführt zu haben scheint. In einer Betroffenheits-Show treten der Geschäftsführer von Foodwatch auf, eine stark übergewichtige Diabetikerin, die der Industrie die Schuld an ihrem Körperbau gibt, weitere Stichwortgeber und der CDU-Bundestagsabgeordnete Dietrich Monstadt, dessen immer wieder gern vorgetragene Lebensgeschichte zeigt, dass man mit einem durch Unvernunft und Unbeherrschtheit bestimmten Lebenswandel zum Diabetiker werden kann. Eine Strafsteuer für Zucker hätte ihm nicht geholten, sondern nur die Einsicht, auf einen ausgewogenen Lebensstil zu achten. Der wirklich Gesunde in dem ganzen Film ist der Zuckerrübenbauer, der sich zu diesem natürlichen Lebensmittel bekennt. Und am Schluss der Tendenz-Berichterstattung stellt ein Diabetiker fest – Herrn Huizinga wird es ärgern – , dass seine Erkrankung einen guten Effekt gehabt hat. Jetzt habe er mit dem Joggen angefangen. Er hätte es früher tun sollen. Dann könnte er immer noch genussvoll Gummibärchen essen.
Was lernen wir? Die Verteufelung des Zuckers ist die Allzweckwaffe der selbst erklärten Essensretter, die natürlich auch in Corona-Zeiten, in denen die Ernährungswirtschaft die Lebensmittelversorgung rettet, dazu dient, Spendengelder einzusammeln.
Detlef Brendel, Wirtschaftspublizist