»DANKE, POLIZEI!« schrieb Bild schließlich. »Sie alle haben einen Wahnsinns-Job gemacht!« Der 35-jährige Türke Salman E. hielt insgesamt 920 Einsatzkräfte aus sieben Bundesländern in Atem, darunter Spezialeinsatzkommandos, Hundeführer, Anti-Terror-Einheiten, Polizei-Psychologen, Scharfschützen und mehrere Einsatzhundertschaften.
Dahinter steht ein Sorgerechtsdrama. Der Mann wollte seine 4-jährige Tochter in die Türkei entführen, entriss sie am Samstagabend der Mutter und raste mit einem Auto zum Hamburger Flughafen. Er durchbrach ungehindert mit seinem Auto eine Schranke und raste auf das Vorfeld des Flughafens. Der wurde sofort weiträumig gesperrt, die beiden Terminals geräumt.
Alle Passagiere, die bereits in den Flugzeugen saßen, wurden aus den Maschinen geholt und in einem nahe gelegenen Flughafenhotel untergebracht. Flugzeuge durften nicht mehr starten und landen, sie wurden umgeleitet. Bis Sonntag kam es zu zahlreichen Flugausfällen und Verzögerungen. Für den gesamten Tag seien eigentlich 286 Flüge – 139 Abflüge und 147 Ankünfte – mit rund 34.500 Passagieren geplant gewesen.
Der Türke war bewaffnet, schoss mehrfach in die Luft, hatte Molotowcocktails dabei. Er hielt sein Auto unterhalb einer voll besetzten, abflugbereiten Maschine an und verlangte einen Flug in die Türkei. Der erneute Vorfall am Hamburger Flughafen wirft wieder Fragen nach der Sicherheit der Flughäfen auf und vor allem nach der korrekten Umsetzung der Gesetzgebung zur Luftsicherheit. Ein Angreifer konnte ungehindert bis an ein voll besetztes und abflugbereites Passagierflugzeug heranfahren, sich dort mit seiner Tochter als Geisel verschanzen.
Wie kann es sein, dass mehrmals Unbefugte auf das Gelände das Hamburger Flughafens gelangen konnten? Und das nicht nur in Hamburg. Das Sicherheitskonzept sei veraltet, sagt der Chef der Gewerkschaft der Polizei, Andreas Roßkopf.
Nein, der wiederholte Vorfall zeigt, dass das Bundesinnenministerium die korrekte Umsetzung von EU-Recht, hier der Gesetzgebung zur Luftsicherheit, nicht ernst nimmt. Das Innenministerium wird auf die Innenministerien der Länder verweisen, die womöglich auf die Flughäfen. Doch für die EU ist die einzige zuständige Behörde das Bundesinnenministerium.
Die Luftsicherheit ist europäisch geregelt, um die sogenannte One-Stop-Security zu ermöglichen, also dass beim Umsteigen innerhalb der EU keine erneute Sicherheitsüberprüfung stattfinden muss. Die Luftsicherheitsgesetzgebung regelt unter anderem die Zugangskontrolle und den Perimeterschutz. Es bestehen zwar keine europaweiten Normen, aber die Schutzmaßnahmen müssen das formulierte Ziel erfüllen.
Die entsprechenden Maßnahmen sind im sogenannten Flughafensicherheitsplan aufgeführt, der vertraulich ist und vom Innenministerium genehmigt werden, gegebenenfalls geändert werden muss. Auch wenn dies durch die entsprechenden Länderbehörden geschieht, verantwortlich bleibt das Bundesministerium.
Die EU-Kommission führt zwar Sicherheitsinspektionen in Flughäfen und Ministerien durch, die Mitgliedstaaten sind jedoch verpflichtet, das Gleiche nach EU-Vorbild zu tun. Hierbei entdeckte Sicherheitsmängel sind umgehend abzustellen. Bei den EU-Inspektionen nehmen auch regelmäßig US-Inspektoren der Transport Security Administration des Departments of Homeland Security teil. Ihr Augenmerk gilt insbesondere der Sicherheit von US-Passagieren und in die USA abfliegenden Maschinen.
Die bisherigen Vorfälle bezogen sich auf die Verletzung des Zaunes und den Durchbruch hin zu einer abgestellten Maschine (Sylt) oder der Runways (München, Hamburg). In Düsseldorf wurden in der Gepäckverladung Islamisten identifiziert. Eine Revision des offensichtlich mangelhaften Verfahrens der Sicherheitsüberprüfung und eine erneute Sicherheitsüberprüfung für alle Mitarbeiter wie seinerzeit in Frankreich in Charles de Gaulle und Orly unterblieb.
Hier haben wir eine neue Qualität: Innerhalb des allgemeinen gesicherten Bereichs des Flughafens haben wir sogenannte Critical Parts, mit dem unmittelbaren Zugang zum flugbereiten Flugzeug.
Wir haben hier ein Auto, dass durch ein Zugangstor rast, das lediglich mit Schranken gesichert ist. Es gibt zwar keine Normen, aber der Vorfall zeigt, dass die Maßnahmen unzureichend sind, ein nicht autorisiertes Fahrzeug vom Eindringen abzuhalten. Üblich sind „Schleusen“, bei denen jeweils ein Tor geschlossen bleibt.
Dieses Fahrzeug gelangt nun in die Critical Parts, stellt sich neben ein Flugzeug am Gate. Ein ideales Terrorszenario, man denke nur an eine Attacke auf ein Flugzeug oder Passagiere, die mit dem Bus gebracht werden. Auch die Attacke auf mehrere Flugzeuge, Brände und Explosionen sind denkbar.
Das ist keine Spielerei mehr. Terroristen testen seit langem die Sicherheitsfunktionen der Flughäfen, hier wird quasi eine Anleitung geboten. Sie dürften gerade in der jetzigen Lage der Bundesregierung dankbar sein.