In einer SWR-Reportage auf ARD zeigen Recherchen von Report Mainz und Der Westen auf, wie ein Grauer Wolf ungehindert CDU-Politiker sowie Stadtrat bleiben konnte. NRW-CDU-Chef und Ministerpräsident Armin Laschet hat dem Bericht zufolge sogar eine Aufdeckung dieses Funktionärs vertuscht.
„Selten sind die Verbindungen so klar“, betont der Sprecher der Reportage „Wie die Grauen Wölfe in NRW Parteien unterwandern“. Schauplatz ist Duisburg. Die Stadt hängt voll mit Wahlplakaten, auf vielen zu sehen ist Sevket Avci (56), CDU-Kandidat für Wahlkreis 24. Am Sonntag werden Kommunal- und Integrationsräte gewählt. Sevket Avci war von 2005 bis 2014 Integrationsratsvorsitzender von Duisburg und ist Stadtrat der CDU. Er will bei der anstehenden Kommunalwahl wieder in den Stadtrat einziehen.
„In den politischen Kreisen einschlägig als Grauer Wolf bekannt“
Avci ist im türkischen Fernsehen ein „gern gesehener Gast“ mit internationaler Reichweite. Die Reportage legt offen, dass Avcis Verbindung zu den rechtsextremistischen Grauen Wölfen bei der CDU schon lange bekannt ist. Dies geht aus einem Dossier hervor, das von dem Bundesland Nordrhein-Westfalen mitfinanziert wurde. Darin steht: „Sevket Avci der Duisburger CDU ist Vorsitzender des Integrationsrates und steht zugleich den Grauen Wölfen nahe.“ Im Interview mit Salim Cakmak erklärt dieser, dass er als ehemaliges Vorstandsmitglied der Union der Vielfalt – eine Gruppe für Menschen mit Migrationshintergrund in der CDU – bereits damals die Aufnahme Avcis in die CDU-Gruppe ablehnte. Der Grund: Mitglieder aus Duisburg kannten Avci persönlich. „Er war in Duisburg schon in den politischen Kreisen einschlägig als Grauer Wolf bekannt“, sagte Cakmak.
Doch die Recherchen von Report Mainz und Der Westen entlarven Avci endgültig als Grauen Wolf: Avci besuchte als Integrationsratvorsitzender den Verein ATB (Europäische-Türkische Union), der als radikale Abspaltung der rechtsextremen Grauen Wölfe gilt; auf dem Foto der Veranstaltung ist hinter Avci eine Leinwand mit dem Bild des Neo-Faschisten Muhsin Yazicioglu, der die rechtsextreme Partei der Großen Einheit BBP in der Türkei gründete, die laut Verfassungsschutze Teil der Grauen Wölfe sei sowie für „Gewaltbereitschaft und totalitäre Strukturen“ stehe. Desweiteren hatte er zahlreiche Treffen und Auftritte bei Gruppierungen und mit Funktionären der Grauen Wölfe. Es geht sogar noch weiter: Die Journalisten der Reportage fanden heraus, dass Avci das Gelände gehört, auf dem in Duisburg Treffen der Grauen Wölfe stattfinden. Gemeinsam mit seinen Brüdern erwarb er dieses 2006.
Amin Laschet und CDU-NRW vertuschten die Aufdeckung Avcis
Und es wird noch skandalöser: Salim Cakmak hat bereits vor vier Jahren, kurz vor der Landtagswahl in NRW, Material zu „mutmaßlichen Verbindungen türkischer Gruppierungen in die CDU gesammelt“, darunter befanden sich bereits die Vorwürfe gegen Avci. Dieses Papier ging sowohl an die Landes-CDU als auch an Armin Laschet persönlich. Es ist außerdem öffentlich im Netz zugänglich.
Dies ist klar eine Vertuschung eines türkischen Rechtsextremisten in der eigenen Partei – zugunsten von Landtagswahlen. Die Folge: Dadurch konnte Avci ungehindert Politiker in der CDU bleiben, obwohl er nebenbei ein aktiver Grauer Wolf war. Auch kann Avci nur deshalb erneut für die kommende Kommunalwahl kandidieren. Die CDU ermöglicht in NRW, dass Graue Wölfe in ihrer Partei bleiben und diese weiter unterwandert wird. Graue Wölfe in Parteien können gleichgesinnte Neumitglieder anwerben, um eine Partei systematisch zu unterwandern. Wie viele Graue Wölfe gibt es bereits in der CDU Duisburg, in NRW oder in ganz Deutschland? Was die wirklichen Folgen sind, da Avci ungehindert jahrelang CDU-Politiker sein konnte, lässt sich noch nicht absehen.
AKP- und Erdogan-Lobbyisten verteidigen Sevket Avci
In den sozialen Netzwerken versucht die Lobbyorganisation der türkischen Regierungspartei AKP den Grauen Wolf Sevket Avci zu verteidigen: Der Präsident der UID, vorheriger Name UETD, Bülent Bilgi stellt auf Twitter den Türkei-Experten Burak Çopur, der die Reportage kommentierte, und die Journalisten der Reportage als „linksradikale Akademiker“ und „linksradikales Netzwerk“ dar. Bülent Bilgi versucht so, Wissenschafter und Journalisten zu diffamieren, um ihre Kritik abzuschmettern.
Dies entlarvt eine unglaublich starke Nähe zwischen den rechtsextremistischen Grauen Wölfen, der Regierungspartei AKP und dem türkischen Präsident Recep Tayyip Erdogan. Wenn CDU-Politiker, die sich immer gerne als „Partei der Mitte“ zu inszenieren versuchen, türkische Rechtsextreme dulden, dann unterstützen sie auch türkischen Nationalismus, Rechtsextremismus und Staatsideologien in dem eigenen Land.
Türkei-Experte Çopur warnt gegenüber SWR/ARD vor einer generellen Strategie: „Der Vordenker der ‚Grauen Wölfe‘ hat schon vor Jahren dazu aufgerufen, die politischen Parteien in Deutschland zu unterwandern. Und diesem Aufruf sind natürlich viele seiner Anhänger gefolgt bis heute. Mit dieser Unterwanderungsstrategie versucht die Bewegung, die Interessen der Türkei, der türkische Nation, auch in der deutschen Politik zu vertreten.“
Parteien werden systematisch unterwandert: Fall Odabasi
Jetzt ist es Sevket Avci. Zuvor waren es Odabasi, Bükrücü und Kocabey. Der Westen deckte im Juni 2020 auf, dass der langjährige Grünen-Stadtrat, Eyüp Odabasi, in Bünde (NRW) starke Sympathien für Erdogan hat; er diffamierte auch den renommierten Türkei-Experten Burak Çopur als „Haustürke“, ein Begriff der von Erdogan-Anhängern benutzt wird, um Kritiker zu denunzieren. Odabasis Facebook-Seite ist voll mit türkisch-nationalistischen Inhalten. Auch scheint Odabasis den Armenier-Genozid zu leugnen, da er medial versuchte die Armenier als Täter darzustellen. Der Grünen-Politiker Odabasi tritt jetzt doch nicht bei der NRW-Kommunalwahl an, obwohl er als Kandidat aufgestellt war und seine Wiederwahl als sicher galt.
Fall Bükrücü
Dann war es CDU-Politiker Ilhan Bükrücü, der ebenfalls von Medien eindeutig als ein AKP- und Erdogan-Lobbyist entlarvt wurde. Er konnte jahrelang in der CDU-Gelsenkirchen Ämter bekleiden, obwohl er in sozialen Medien überaus auffällig war. TE vermutete hier, dass der damalige CDU-Kreisparteichef Oliver Wittke nicht auf die Vorwürfe gegen Bükrücü reagiert hatte, weil Wittke selbst in AKP-Lobbyismus verwickelt sein könnte, wofür es sehr eindeutige Hinweise gibt. Die CDU reiste im August 2020 die Reißleine: Bükücü musste seine Ämter niederlegen und verzichtete auf das Mandat bei der Kommunalwahl in NRW. Er war als Kandidat für den Wahlkreis Buer-West aufgestellt worden.
Fall Kocabey
In Bielefeld stellten die Grünen zur nächsten Kommunalwahl 2020 Selvet Kocabey, einen Funktionär der islamistischen Milli-Görüs-Bewegung auf. Er war Mitglied der Hicret-Moschee-Gemeinde, die zur Islamischen Gemeinde Milli Görüs (IGMG) gehört, die wiederum in Deutschland die bedeutendste Vertreterin der Milli-Görüs-Bewegung ist und zur Kategorie des legalistischen Islamismus zählt, indem versucht wird im Rahmen geltender Gesetze ihre Ziele durch politische Mittel zu erreichen. Teile der Landesspitze waren zwar besorgt, dennoch hielten die Bielefelder Grünen an ihren Kandidaten fest. Dass er seine Ämter bei der Moschee niedergelegt und sich von Milli-Görüs distanziert hatte, hat den Grünen in Bielefeld gereicht. Doch TE zeigte auf, dass Kocabey im Vorstand bei dem Bündnis der Islamischen Gemeinde in Norddeutschland (BIG) war, in dem der IGMG laut Hamburger Verfassungsschutz dominiere, das BIG sei ein Ableger der IGMG. Dass er im BIG-Vorstand war, spricht dafür, dass er im Kontakt mit der politischen Linie der Milli Görüs steht.
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